Antipasto-Teller, Marke Organisierte Kriminalität

Antipasto

Der Konsum von italienischen Spezialitäten steht für deutsche Konsumenten stellvertretend für Genuss, gesunde Ernährung und lokale, nachhaltige Produktion. Solche Produkte mit ihren hohen Absatzmengen und potentiell enormen Gewinnmargen haben aber auch eine Kehrseite: für Kriminelle stellen sie ein hochattraktives Geschäftsfeld dar. Schließlich handelt es sich um legale Endprodukte mit hoher Nachfrage, denen geringe Kenntnisse der Konsumenten entgegenstehen und bei denen vielfache Möglichkeiten für illegale Geschäftsaktivitäten entlang der Lieferkette existieren. So manches, das auf einem Antipasto-Teller landet, ist zwar gut und gesund, aber bei der Herstellung wird oft mit faulen Tricks gearbeitet. Manchmal kommt es sogar vor, dass auch minderwertige oder verdorbene Produkte im Produktionsprozess verarbeitet werden, mit möglichen Folgen für die Gesundheit der Konsumenten.

Als Teil der Artikelreihe zum Thema „Agromafias – Organisierte Kriminalität und Landwirtschaft“ setzt sich mafianeindanke im Folgenden kritisch mit diesem Thema auseinander.

Büffelmozzarella – nicht nur in Neapel das “weiße Gold”

Büffelmozzarella ist ein Beispiel für ein Produkt, das für die Organisierte Kriminalität von hohem Interesse ist. Es ist als sehr gesund anerkannt, äußerst schmackhaft und genießt aus dem diesem Grund nicht nur in Italien, sondern vor allem im Ausland eine sehr hohe und beständige Nachfrage. Diese kommt nicht nur von Gourmets, die rohen Mozzarella mit etwas Olivenöl als Vorspeise verzehren. Auch eine einfache Pizza Margherita beim Italiener wird durch Büffelmozzarella anstatt des fior di latte aus Kuhmilch dermaßen aufgewertet, dass ein Preisaufschlag von mehreren Euro zu erwarten ist. Das dafür ausschlaggebende limitierte Angebot ist nicht nur der weniger ertragreichen Büffelhaltung geschuldet – eine Büffelkuh gibt im Durchschnitt etwa 10 Liter Milch am Tag, eine normale Kuh 26 Liter – sondern auch anderen Faktoren. Man kann Büffel nur in bestimmten Feuchtgebieten halten, und wie viele andere Tierarten ist auch der Wasserbüffel von Krankheiten bedroht, davon vor allem die Rinderbrucellose. All das führt zu hohen Gewinnmargen, während es gleichzeitig vielfältige illegale Möglichkeiten gibt, entlang der Wertschöpfungskette zu intervenieren, um diese noch weiter in die Höhe zu treiben oder preismindernde Faktoren so gut wie möglich abzufedern. Wie mafianeindanke bereits in einem Artikel zu Fälschungsmethoden im Olivenölsektor dargelegt hat, ist die Organisierte Kriminalität darin besonders versiert.

Dazu passt, dass die Kernregion der Büffelmozzarella-Herstellung seit Jahrzehnten von der Mafia kontrolliert wird. Wasserbüffel brauchen ein feuchtes, heißes Klima, das in den Sümpfen rund um den Volturno-Fluss in der Provinz Caserta, nördlich von Neapel gelegen, ideal ist. Diese Region, in der 80% der italienischen Büffel gehalten werden, ist seit Jahrzehnten vom Clan der Casalesi dominiert, einer zur Camorra gerechneten, aber ländlich geprägten Organisation. Unter anderem stammt Francesco „Sandokan“ Schiavone, einer der historisch bedeutendsten Bosse des Clans, von einem Büffelbauern ab, und auch im Rahmen des Prozesses Spartacus, in dem er zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde, wurde eine Büffelfarm konfisziert. Entsprechend viele der mehr als tausend Büffelfarmen in der Region um Caserta gelten als von der Mafia kontrolliert.

Ein andauerndes Grundproblem ist die Rinderbrucellose, eine schwer diagnostizierbare Krankheit, die jedoch über unverarbeitete Büffelmilch auf den Menschen überspringen kann, was vor allem die in den Betrieben Beschäftigten gefährdet. Ende der 2000er Jahre war die Situation besonders angespannt, als die Region sogar von der EU aufgefordert wurde, die Krankheit endlich einzudämmen, was die Notschlachtung von 30-40% der hiesigen Büffelpopulation bedeutet hätte. Zuvor war bekannt geworden, dass Veterinärmediziner bewusst falsch diagnostiziert hatten, auch von dem „Verstecken“ von Büffeln war die Rede, weshalb man zu drastischen Maßnahmen greifen wollte. Oliver Meiler führt in seinem 2021 erschienen Buch Agromafia aus, dass die Mafia auch dabei geholfen hatte, illegal Büffel aus Zuchtgebieten in Rumänien zu importieren, die dann zwischen Höfen hin- und hergefahren wurden, wenn Kontrollen angekündigt waren.

Es gibt natürlich aufgrund der beständigen Nachfrage hohe Anreize, den Output an Büffelmilch künstlich zu steigern. Beliebt ist einerseits das „Dopen“ von Büffeln durch den Zusatz von Wachstumshormonen. 2009 wurden in der Region Caserta 19 Personen verhaftet, weil sie das verbotene Hormon Somatropin verabreicht hatten. In diesem Ermittlungsverfahren ergab sich eine Verbindung zum Casalesi-Clan, der den Import der Substanz ermöglicht hatte.

Andererseits gibt es verschiedenste Möglichkeiten, in den Produktionsprozess mit illegalen Mitteln einzugreifen. 2017 sorgte die Operation Aristeo für Schlagzeilen, als mehrere Büffelfarmen konfisziert wurden, deren Betreiber die Kriterien des DOP-Siegels nicht erfüllten. Eine der häufigsten Praktiken war die Zugabe eines Teils Kuhmilch zum Büffelmozzarella, was nicht besonders auffällt, aber die Kosten deutlich senkt, kostet Kuhmilch ja nur einen Bruchteil von Büffelmilch. Meist handelte es sich um flüssige Kuhmilch, in manchen Fällen wurde aber sogar importiertes Milchpulver verwendet. Immer wieder passiert es auch, dass Büffelmilch verdirbt und einen sauren Geschmack annimmt. Die Beschuldigten in der Operation Aristeo benützten dann Soda, um die saure Geschmacksnote zu neutralisieren.

In einem Gebiet, das unter starkem Mafia-Einfluss steht, ist es nicht verwunderlich, dass regelmäßig derartige Irregularitäten festgestellt werden. Jene Büffelbauern, die bereits mit der Mafia kollaborieren, können frei auf das bekannte Repertoire an Methoden zurückgreifen und sich dabei darauf verlassen, dass sie vor unangekündigten, präzisen Kontrollen geschützt werden, etwa durch Bestechen der örtlichen Veterinärmediziner. Aber auch bei den anderen Bauern, die nicht mit der Mafia kooperieren, ist ein Einfluss nicht ausschließen, entweder durch klassische Erpressungsmethoden oder dann, wenn beispielsweise bei Ausbreitung einer Krankheit wie der Rinderbrucellose die Existenzgrundlage wegzubrechen droht.

Ein weiterer negativer Aspekt der Büffelzucht, der allerdings noch nicht mit der Mafia in Verbindung gebracht wurde, ist eher biologischer Natur. Mehrmals wurde in der Vergangenheit auch in deutschen Medien thematisiert, dass jährlich tausende männliche Büffel kurz nach der Geburt getötet werden. Diese geben naturgemäß keine Milch, und ihr Fleisch ist nicht beliebt, sondern wird wenn überhaupt weiterverarbeitet, beispielsweise zu Hundefutter. Die Zahl der getöteten männlichen Büffel steigt dadurch, dass weibliche Büffel jedes Jahr ein Junges zur Welt bringen müssen, um weiter Milch zu geben. Eigentlich gibt es Vorschriften, wie lange die Jungbüffel gehalten werden müssen, bis sie geschlachtet werden müssen, allerdings werden diese bisweilen aus Profitgier missachtet. Berichtet wurde unter anderem von illegal deponierten Kadavern oder männlichen Büffeln, die auf isolierten Weiden jämmerlich verdursten mussten.

Illegale Ertragssicherung und -steigerung ist im ganzen Landwirtschaftsssektor beliebt

Büffelmozzarella ist nur ein signifikantes Beispiel dafür, wie die Aussicht auf höhere Gewinnmargen zu illegalen Eingriffen in den Herstellungsprozess von Lebensmitteln führt. Oft reicht es schon aus, für ein aus einer anderen Region günstiger eingekauftes Produkt auf illegale Weise das DOP-Siegel zu erhalten. Aber auch verbotene Beimischungen eines solchen Produkts oder alternativ die Verwendung von verdorbenen Chargen sind attraktiv. Im Zusammenhang mit Hartkäse wurden in der Vergangenheit mehrere Fälle bekannt, bei denen große Mengen an Parmigiano Reggiano oder auch Grana Padano konfisziert wurden, die allesamt mit Milch produziert worden waren, in der überhöhte Werte von Schimmelbakterien festgestellt wurden. Auch hier war teilweise Soda zur Geschmacksverbesserung verwendet worden, auch hier gab es Irregularitäten bei den Kontrollen.

Neben Hartkäse standen insbesondere auch einige der bekanntesten italienischen Schinkensorten (prosciutti)– jene aus Parma und San Daniele – im Zentrum eines Skandals, der aufgrund seines Ausmaßes wie in Italien üblich mit einem Namen bestehend aus dem Produktnamen und der Endung „-poli“ getauft wurde – Prosciuttopoli. Dabei wurde Prosciutto im Wert von mindestens 80 Millionen Euro konfisziert, der zwar nicht gesundheitsschädlich war, aber nicht die Kriterien des DOP-Siegels erfüllte. Für den Erhalt des Siegels darf der Prosciutto nur von bestimmten Schweinerassen stammen, die allerdings nicht die ertragsreichsten und für einen ungewünschten höheren Fettgehalt im Endprodukt verantwortlich sind. Im Geheimen war ein illegaler Handel mit Samen einer ausländischen Schweinerasse aufgebaut worden – des sogenannten dänischen Duroc – mit dem dann die Schweine in den Prosciutto-Regionen besamt wurden. Laut der Berichterstattung war die Vorgehensweise von mehr oder weniger der ganzen Wertschöpfungskette akzeptiert oder sogar unterstützt, verdienten doch alle Beteiligten daran.

Effektive Kontrollen sind ein kritischer Faktor

Wer zur Steigerung von Absatz und Profit auf betrügerische Handlungen setzt, macht sich allerdings verwundbar: wird erst einmal der Betrug aufgedeckt, ist die Büffelfarm im Handumdrehen konfisziert und die Produktion unterbunden. Analog wird bei Verwendung von Duroc-Schweinen das DOP-Siegel vom Prosciutto aberkannt, was im besten Fall deutliche Gewinneinbußen bedeutet, ist doch mit der Herkunftsbezeichnung „San Daniele“ oder „Parma“ ein signifikanter Preisaufschlag verbunden. Unabhängige und effektive Kontrollen im Lebensmittelsektor sind in diesem Fall unverzichtbar. Obwohl Italien auf ein sehr ausgereiftes und intensives Kontrollsystem setzt, gibt es leider immer wieder Ausnahmen. Im Falle des Prosciuttopoli-Skandals war eine Stiftung, die als unabhängiges Kontrollorgan agieren sollte, am Ende gar nicht unabhängig, weil sie mit denjenigen, die die Prosciutti verkauften, unter einer Decke steckten und die Gewinne einstrichen.

Zusammenfassend ist auch festzustellen, dass kriminelle Aktivitäten im Lebensmittelsektor nicht nur der organisierten Kriminalität zuzuschreiben sind: vielmehr stehen oft ansonsten unbescholtene, profitgierige Unternehmer vor Gericht, wie bei den vorher genannten Fällen der Parmesanproduktion und des Prosciuttopoli-Falles. Die Mafia spielt am ehesten in den Gegenden mit, die auch von ihr kontrolliert werden, wo Kontrollen durch Bestechung zu einer Farce werden. Unabhängig davon bleibt die Produktions- und Lieferkette für Konsumenten schwer zu überblicken – Patentrezepte gibt es leider nicht. Ein kritischer Blick auf das Produkt ist in jedem Fall hilfreich.

Die Artikelreihe von mafianeindanke zum Thema „Agromafie – Organisierte Kriminalität und Landwirtschaft“: