Mafianeindanke fordert ein vollständiges Umsteuern beim Finanzkriminalitäts-bekämpfungsgesetz

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Sollte dieser Gesetzesentwurf in seiner jetzigen Form in Kraft treten, werden nach Ansicht von mafianeindanke eine für die Optimierung der Geldwäschebekämpfung zentrale regulatorische Chance vertan und wertvolle Ressourcen bei den Finanzermittlungen verschleudert.

Nach anfänglichen Versprechungen des federführenden Bundesfinanzministers Lindner zeichnet sich der Gesetzesentwurf nun durch lange Verzögerungen und viel Kritik daran aus

Mit dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung „zur Verbesserung der Bekämpfung der Finanzkriminalität[1] vom 6. Dezember 2023 sollen die von Bundesfinanzminister Lindner bereits im August 2022 angekündigten regulatorischen „Meilensteine gegen Finanzkriminalität“ umgesetzt werden.[2] Ein neues Bundesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität (BBF) am Hauptstandort in Köln und einer Zweigstelle in Dresden soll im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) als Bundesoberbehörde in einem „ganzheitlichen geldwäscherechtlichen Ansatz die Analyse, straf- und verwaltungsrechtliche Ermittlungen sowie die Aufsicht über die nach dem Geldwäschegesetz (GwG) verpflichteten Unternehmen und Personen unter einem Dach zusammenführen“. Das Ermittlungszentrum Geldwäsche, das Fälle internationaler Geldwäsche von erheblicher Bedeutung aufdecken soll, soll das Herzstück des BBF werden.  Die geplante Megabehörde soll rund 1700 Mitarbeiter bekommen. Private Consulting-Firmen wie Roland Berger wirkten an der Projektplanung mit.

Nach dem ursprünglichen Zeitplan sollte das Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz (FKGB) zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Am 14. Dezember 2023 fand im Deutschen Bundestag die erste Lesung des Gesetzes statt. Der Starttermin für die Schaffung der Bundesoberbehörde musste bereits mehrfach verschoben werden. Das Inkrafttreten des Gesetzes dürfte sich weiter verzögern, da der Bundesrat das Gesetz als zustimmungspflichtiges Gesetz ansieht.[3] Eine Einigung müsste dann im Vermittlungsausschuss gefunden werden. Operabel wird die neue Behörde erst nach mehreren Jahren sein, da nicht erkennbar ist, wie in kurzer Zeit qualifiziertes Personal ausgebildet bzw. Personal am Markt mit interdisziplinärem Erfahrungswissen rekrutiert werden kann, ohne andere Behörden im Zuständigkeitsbereich der Geldwäschebekämpfung zu schwächen. Diese leiden bereits heute unter dem Mangel an qualifiziertem Personal.  

Wann und mit welchem Inhalt das FKBG in Kraft tritt, ist also offen. Die Resonanz der Parteien im Deutschen Bundestag auf den Entwurf ist sehr durchwachsen. Die CDU/CSU-Fraktion lehnt diesen Entwurf ab und hat einen eigenen Antrag eingebracht.[4] Sie will eine Bündelung der Kompetenzen beim Zoll. Bereits vor der Abstimmung des Regierungsentwurfs haben einzelne Mitglieder der Regierungsfraktionen (SPD-MdB Fiedler) zutreffend auf die Gefahren von Doppelarbeit, Bürokratie und die im Entwurf fehlende Vermögensabschöpfung außerhalb von Strafverfahren hingewiesen.[5]

In der Sachverständigenanhörung des Deutschen Bundestages hat kein Sachverständiger diese Gesetzesinitiative der Regierungskoalition als den Schlüssel zur Lösung der defizitären Geldwäschebekämpfung in Deutschland angesehen oder den vom Finanzminister angekündigten Paradigmenwechsel bei der Geldwäschebekämpfung in Deutschland nachvollziehen können. Es werden von einigen Sachverständigen lediglich Verbesserungen in Teilbereichen im Vergleich zum rechtlichen status quo konstatiert.  

Der Sinn und Zweck des Mega-Projekts wird durch den Verzicht auf Rechtsnormen zur Sicherstellung und Einziehung von Vermögen illegaler Herkunft im Gesetzesentwurf in Frage gestellt

Bei der geplanten Errichtung der BBF außerhalb der bestehenden polizeilichen Strukturen von Bundeskriminalamt, Zoll, Bundes- und Landespolizei ist der zusätzliche Nutzen nicht erkennbar. Dies gilt auch für komplexe Fälle der Geldwäsche mit grenzüberschreitendem bzw. internationalen Charakter. Im Entwurf wird eine Universalzuständigkeit bei der Bekämpfung der Geldwäsche (mit strafrechtlichen Mitteln) simuliert, die bereits daran scheitert, dass die Verfolgung von Straftaten der Geldwäsche (§ 261 StGB) einschließlich der umfangreichen Konstellationen ihrer Vortaten verfassungsrechtlich in die Zuständigkeit der Länder fällt. Im Widerspruch dazu soll sogar dem Ermittlungszentrum Geldwäsche (EZG) die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben für die Verfolgung von Straftaten eingeräumt werden, soweit es sich um Vortaten der Geldwäsche handelt. 

Der Gesetzesentwurf würde im Falle eines Inkrafttretens mit dem von der Bundesregierung vorgeschlagenen Inhalt für die angestrebte Bündelung von Kompetenzen im BBF und der Stärkung des multidisziplinären Ansatzes keinen nachhaltigen Beitrag für die Optimierung der Geldwäschebekämpfung in Deutschland leisten. Schließlich folget er strategisch einem (gescheiterten) strafrechtlichen Ansatz, der wegen oftmals fehlender Erkenntnisse zu den Vortaten der Geldwäsche ins Leere geht und darüber hinaus Doppelarbeit und Kompetenzgerangel mit den etablierten zuständigen Behörden in den Ländern und im Bund (BKA) schafft.  

Die grundsätzlich sinnvolle Errichtung einer zentralen Behörde könnte nur dann einen Meilenstein bei der Bekämpfung der Geldwäsche darstellen, wenn das BBF sich ausschließlich darauf fokussieren würde, verdachtsunabhängig und damit proaktiv auffällige bzw. ungewöhnliche Vermögenswerte aufzudecken, abzuklären und administrativ jenseits strafrechtlicher Ermittlungen sicherzustellen bzw. in einem nicht strafrechtlichen Verfahren, für das die Verwaltungsgerichte zuständig sind, einziehen könnte. Diese Lücke im Rechtssystem wird jedoch nicht geschlossen. Die vom Landgericht Berlin im Dezember 2023 abgelehnte Einziehung von beschlagnahmten Immobilien des sogenannten Remmo-Clans belegt deutlich, dass in Deutschland – anders als etwa in Italien durch den Codice Antimafia – bisher kein taugliches Vermögenseinziehungsrecht existiert.[6]

Ohne dieses Instrument können Organisierte Kriminalität einschließlich der Wirtschaftskriminalität nicht geschwächt und Mafia-Strukturen nicht zerschlagen werden. Darauf hat mafianeindanke in der Vergangenheit mehrfach hingewiesen und Reformvorschläge unterbreitet.[7]

Ein Vermögensabschöpfungsrecht jenseits strafrechtlicher Maximen und Beweisführungen nach italienischem Vorbild sollte Lösungsansatz sein

Für die Aufgabe der außerstrafrechtlichen Vermögenseinziehung müsste das BBF die nötigen Ermittlungs,- Sicherstellungs- und Einziehungskompetenzen nach dem Recht der Gefahrenabwehr erhalten. Zugrunde gelegt wird insoweit der Gefahrenbegriff der EU-Geldwäscherichtlinie (Gefahren für Integrität und Stabilität des Finanzmarkts), dem u. a. das Geldwäschegesetz (GwG) sowie das Kreditwesengesetz bei seinen Anti-Geldwäschemaßnahmen (§ 6a, 25gff KWG) folgt.[8] Die zu treffenden Maßnahmen ergingen dann eigenständig durch Verwaltungsakte des BBF und begründeten eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, wo nach den Prozessmaximen der Verwaltungsgerichtsordnung der/die Kläger:in die Darlegungslast hat, dass Vermögensgegenstände eine legale Herkunft besitzen.

Mit der Schaffung von administrativen Ermittlungsbefugnissen zum Zwecke der Gefahrenabwehr und Kompetenzen zur administrativen Abschöpfung von Vermögensgegenständen mittels Verwaltungsakts (sog. in rem-Verfahren) hätte das BBF, sowie im BBF das Ermittlungszentrum Geldwäsche, eine regulatorische Leerstelle besetzen können, deren Schließung die Geldwäschebekämpfung in Deutschland nach vorne gebracht hätte. Bisher ist dieser Ansatz der administrativen Einziehung im deutschen Recht nur in § 51 Bundesnaturschutzgesetz verankert.[9] Bei den bisher im Gesetzesentwurf vorgesehenen (strafprozessualen) Kompetenzen leistet das BBF nur Doppelarbeit, es bestehen Abgrenzungsschwierigkeiten bei den Zuständigkeiten von andern Stellen der Strafverfolgung.

Auch die Europäische Kommission fordert neue Instrumente zur Vermögensabschöpfung. Die klassische strafprozessuale Einziehung hat nämlich trotz der Reform der Selbständigen Einziehung (§ 76a StGB) im Jahr 2017 gerade bei Delikten der Geldwäsche und der Vortaten aus der Organisierten Kriminalität keine Erfolge gebracht. Die „in rem-Verfahren“ in Italien zeigen jedoch, dass dieser verfahrensrechtliche Weg neben und außerhalb eines Strafverfahrens das schärfste Schwert gegen Geldwäsche und die Organisierte Kriminalität ist.[10]

Doch der Regierungsentwurf schwächte den ursprünglich vom BMF geplanten Regelungsinhalt ab. So wurde der das „Vermögensermittlungsgesetz“ betreffende Artikel mit Regeln zur administrativen Vermögensermittlung und Einziehung von Vermögensgegenständen zum Zwecke der Gefahrenabwehr, das erklärtermaßen (zumindest auf Arbeitsebene) eines der Säulen des BMF-Entwurfs darstellen sollte, in dem zwischen den Ressorts abgestimmten Referentenentwurf vollständig gestrichen. Neben einer „nachhaltigeren Strafverfolgung“ sollte es bei der Gesetzesinitiative aus der Sicht des Finanzministers auch darum gehen, „die Täter da zu treffen, wo es ihnen am meisten weh tut: Bei illegal erlangtem Vermögen.“ Davon bleibt nichts mehr übrig.

Die Ablehnung einer Vermögenseinziehung jenseits des Strafrechts durch die FDP und damit durch das Bundesministerium der Justiz und die Hausleitung des BMF stellt die Sinnhaftigkeit der gesamten Gesetzesinitiative in Frage und macht das Gesetz in der Implementierung zu einem teuren Torso, der selbst bei Geldwäschestraftaten mit grenzüberschreitendem Charakter Doppelarbeit und Zuständigkeitswirrwarr bezüglich bestehender polizeilichen Strukturen von Bundeskriminalamt, Zoll, Bundes- und Landespolizei schafft.

Die europäischen Ermittlungsbehörden ziehen nach einem aktuellen Bericht von Europol vom 11. September 2023[11] weniger als zwei Prozent der Einnahmen krimineller Netzwerke ein. Die Organisierte Kriminalität nutzt die Dienstleistungen von Geldwäschern, die die illegal generierten Vermögensgegenstände rund um die Welt transferieren und damit deren illegale Herkunft verbergen. Es ist bemerkenswert, dass die Bundesregierung in Kenntnis der negativen Bilanz der strafprozessualen Einziehung von Vermögensgegenständen in diesem Bereich weiterhin untätig bleibt, das BBF nicht mit den nötigen administrativen Instrumenten aus dem Recht der Gefahrenabwehr ausstattet und die Ermittlung und Einziehung von illegal generiertem Vermögen nicht zu der Hauptaufgabe der neuen Behörde macht.

Der Gesetzesentwurf produziert Kompetenzüberschneidungen und Bürokratie

Das neue Bundesamt bzw. das dort angesiedelte Ermittlungszentrum Geldwäsche (EZG) soll lediglich auf eine Typologie des Geldwäschestraftatbestands § 261 StGB, nämlich auf die „Verfolgung von bedeutsamen Fällen der internationalen Geldwäsche mit Bezug zum Inland – einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Vortaten“ Zuständigkeiten erhalten zusätzlich zu anderen, bereits bestehenden Ermittlungsbehörden. Andere Straftatbestände, die Wesensmerkmal der Finanzkriminalität sind (z.B. Steuerdelikte)[12], sollen trotz des irreführenden Titels des Gesetzes nach dem Verständnis der Bundesregierung hiervon nicht umfasst sein.

Das EZG führt allerdings nicht einmal bei dieser geldwäscherechtlichen Typologie von „bedeutsamen Fällen der internationalen Geldwäsche mit Deutschlandbezug“ zu einer Bündelung von Kräften der Ermittler:innen in Bund und Ländern. Mit seiner Installierung werden Kompetenzen einzelner Behörden in unterschiedlichen Ressorts auf der Ebene des Bundes und der Länder bei der Bekämpfung der Finanzkriminalität oder wenigstens beim Geldwäschestraftatbestand nicht zusammengeführt beziehungsweise keine Kompetenzen auf das EZG übertragen.

Das EZG darf lediglich als zusätzlicher Player, primär im Geleitzug gemeinsamer Ermittlungsgruppen, mitwirken. Eine vom Finanzminister angekündigte „Kernkompetenz“ des BBF[13] sieht anders aus. Das EZG wird lediglich ergänzend zu den bestehenden und in ihren Kompetenzen und Aufgaben nicht angetasteten Strukturen und Behörden tätig. Das EZG ist nur ein weiterer Zuarbeiter der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft. Doppelarbeit, Kompetenzgerangel und Informationsverluste sind dadurch auch in Zukunft nicht aus der Welt, sondern werden sogar vergrößert – kurzum mehr Bürokratie anstelle qualitativerer Ermittlungsarbeit. Dies gilt auch für die Verfolgung von bedeutsamen Fällen der internationalen Geldwäsche mit Bezug zum Inland, da ohnehin der unbestimmte Begriff der „Bedeutsamkeit“ nicht weiter konturiert ist.

Die Ermittlungsaufgaben des EZG auf dem Gebiet der Strafverfolgung in „bedeutsamen Fällen der internationalen Geldwäsche mit Inlandsbezug“, die eine Sachaufklärung im Ausland erfordern, werden insbesondere dadurch konterkariert, dass das EZG nicht alleiniger Ansprechpartner und die nationale Stelle für den Informationsaustausch mit ausländischen oder internationalen Stellen wie Interpol bei dieser spezifischen Geldwäschetypologie ist. Koordinationsaufgaben über Grenzen hinweg werden weiterhin vom BKA als zentrale nationale Stelle wahrgenommen.[14] Direkte und damit schnelle Kommunikationswege von ausländischen und internationalen Stellen zum und vom EZG sind nicht vorgesehen. Das EZG ist auf die Weiterleitung dieser Informationen durch das BKA angewiesen.

Was gegen Organisierte Kriminalität und Geldwäsche zu tun ist

Mafianeindanke hat 2022 eine Broschüre mit Vorschlägen zur besseren Bekämpfung von Organisierter Kriminalität und Geldwäsche in Deutschland erstellt. Die Broschüre ist auf der Vereinswebseite einsehbar.


[1] BT-Drucksache 20/9648

[2] https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Schlaglichter/Geldwaesche-bekaempfen/voller-einsatz-gegen-finanzkriminalitaet.html

[3] https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2023/0501-0600/506-23(B).pdf

[4] BT-Drucksache 20/9730.

[5] FAZ vom 13. Oktober 2023

[6] https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/clankriminalitaet-gericht-spricht-mitglied-der-remmo-familie-immobilien-zu-19365294.html.

[7] https://mafianeindanke.de/de/administrative-ermittlung-und-abschoepfung-illegaler-vermoegensgegenstaende-fuer-geldwaeschebekaempfung-unerlaesslich/; https://mafianeindanke.de/de/broschuere-von-mafianeindanke-zum-koalitionsvertrag-der-bundesregierung-erschienen/, s. S. 32ff.

[8] Vgl. hierzu Findeisen, GWuR 4/2023, S. 126ff.

[9] Vgl. Urteil des VG München vom 20.03.2014 (M 10 K 12.1546).

[10] Vgl. Bettels, Gewinnabschöpfung zur Bekämpfung Organisierter Kriminalität am Beispiel Italiens (Diss. 2016)

[11] https://www.europol.europa.eu/media-press/newsroom/news/new-europol-report-shines-light-multi-billion-euro-underground-criminal-economy

[12] https://www.interpol.int/Crimes/Financial-crime

[13] https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Internationales-Finanzmarkt/Geldwaesche/eckpunkte-schlagkraeftigere-bekaempfung-von-finanzkriminalitaet.pdf

[14] §3 BKA-Gesetz