Fragen und Antworten (FAQ)

Die „kriminelle Vereinigung mafiösen Typs“ ist ein Straftatbestand nach Artikel 416bis des italienischen Strafgesetzbuchs. Dieser von der eigentlichen kriminellen Vereinigung unabhängige Straftatbestand wurde durch das Gesetz 646 (nach den Initiatoren „Rognoni-La Torre-Gesetz“ genannt) vom 13. September 1982 eingeführt. In Deutschland gibt es keine vergleichbare gesetzliche Regelung.

Hier die Übersetzung des italienischen Gesetzestextes, der das Vorgehen einer Mafia-Organisation definiert: „Eine Vereinigung ist mafiösen Typs, wenn diejenigen, die ihr angehören, sich der Einschüchterungskraft der Gruppe und der Unterdrückung und der daraus entstehenden Omertà (Gesetz des Schweigen, A.d.Ü.) bedienen, um Verbrechen zu begehen, um auf direkte oder indirekte Art die Führung oder Kontrolle über wirtschaftliche Aktivitäten, Konzessionen, Genehmigungen und öffentlich Aufträge zu erlangen, oder um ungerechtfertigten Profit oder Vorteile für sich oder andere zu verwirklichen”

Mit Cosa Nostra ist eine Mafia-Organisation aus Sizilien gemeint, sie war bis Anfang der 90er-Jahre die bekannteste Mafia aus Italien. Sie basiert auf festen Hierarchien und teilt sich in Familien auf, aus denen sich territoriale Strukturen bilden. Heute hat die Cosa Nostra einen Teil ihrer Macht eingebüßt. Dafür gibt es drei Ursachen: die Maxi-Prozesse in Palermo Ende der 80er, Anfang der 90er-Jahre, die Gewinnung von „Pentiti“ (Kronzeug:innen, s. Kronzeugenregelung) und das Engagement der sizilianischen Zivilgesellschaft, die genug hatte vom Blutvergießen in ihrer Heimat.

Die ‘ndrangheta ist die kalabrische Ausprägung der mafiösen Organisationen. Sie setzt sich aus so genannten ‘ndrine zusammen, Familienclans. Jahrzehntelang als eine Form lokaler Kriminalität in einigen Gebieten Kalabriens unterschätzt, ist die ‘Ndrangheta aktuell eine der mächtigsten mafiös geprägten kriminellen Organisationen. Sie operiert national sowie international, dank des enormen Kapitals, das sie vor allem aus dem Kokainhandel generiert. Sie ist in vielen europäischen Ländern präsent, aber auch in den USA, Australien und Kanada. In Deutschland ist sie außerordentlich stark vertreten.

Die Camorra ist die kampanische Variante der mafiösen Organisationen. Sie ist seit Anfang des 19. Jahrhunderts aktiv und besonders in der Stadt Neapel und Umgebung fest verwurzelt. Anders als die Cosa Nostra und die ’ndrangheta hatte die Camorra nie eine einheitliche Struktur. In Deutschland zielt sie darauf ab, weitere Möglichkeiten zur Geldwäsche zu schaffen. Sie betreibt zum Beispiel Handel mit gefälschter Kleidung meist italienischer Marken, bringt Falschgeld in Umlauf und dealt mit gestohlenen Fahrzeugen.

Die Sacra Corona Unita ist eine Mafia-Organisation aus Apulien. Zwischen Ende der 80er-Jahre und Anfang der 90er-Jahre war sie am stärksten – bevor der Staat eingriff und sie mit einer großen Anzahl von Festnahmen beträchtlich schwächte.

In der Nacht vom 14. auf den 15. August 2007 wurden in Duisburg, Nordrhein-Westfalen, sechs junge Kalabrier vor dem Restaurant „Da Bruno“ ermordet. Die Opfer gehörten dem Clan Pelle-Vottari an, der seit Jahren einen Bandenkrieg mit dem Clan Nirta-Strangio führte; bei beiden Clans handelt es sich um Familien der kalabrischen Mafia. In der Hosentasche eines der jungen Opfer wurde eine teilweise verbrannte Figur des Heiligen San Michele gefunden, Zeichen eines kürzlich zelebrierten Aufnahmerituals. Diese Morde haben der ’ndrangheta in Deutschland unerwünschte Aufmerksamkeit gebracht. In der Folge hat sie ihre Strukturen verändert, um künftig Streits zwischen Clans ohne Blutvergießen beizulegen.

Wer aus der Mafia aussteigen will, wird meist Kronzeug:in, kooperiert also mit den Sicherheitsbehörden und stellt ihnen sein/ihr Wissen zur Verfügung. Die Kronzeugenregelung als Werkzeug für die Bekämpfung der Mafia wird erstmals Mitte der 1980er Jahre angewendet, im Zuge der Vorbereitungen des historischen Prozesses gegen die Cosa Nostra in Palermo (den sogenannten Maxiprozess). Kronzeug:innen erlauben Justiz und Ermittlern damals zum allerersten Mal Einblick in die Mafiaorganisationen, denen die aussagewilligen Kriminellen zuvor angehörten.

Die Strafverfolgungsbehörden erfuhren auf diese Art viel über die innere Funktionsweise der Mafia-Organisationen. Als Gegenleistung erhalten die Kronzeug:innen Hafterleichterungen oder eine verkürzte Freiheitsstrafe.

So sagte Richter Giovanni Falcone über den ersten Kronzeugen aus der Cosa Nostra, Tommaso Buscetta: „Vor ihm hatten wir höchstens eine oberflächliche Vorstellung vom Phänomen der Mafiaorganisation. Mit ihm haben wir erste Einblicke bekommen. Er hat uns einen wesentlichen Schlüssel zum Verständnis des Phänomens gegeben, eine Sprache, einen Zugangscode. Er war für uns wie ein Sprachlehrer, mit dessen Hilfe wir in die Türkei reisen konnten, ohne uns mit Händen und Füßen verständigen zu müssen.“

Ein entscheidendes Werkzeug im Kampf gegen die Mafia ist die Beschlagnahme von Vermögenswerten und ihre Verwendung für soziale Zwecke. Das von Kriminellen illegal erworbene Vermögen wird dabei von Polizeikräften sichergestellt und anschließend beschlagnahmt und geht so in den Besitz des Staates über. Dieser verwendet die beschlagnahmten Vermögenswerte für soziale Zwecke und gibt sie somit der Gesellschaft zurück. Diese beschlagnahmten Güter können bewegliche, unbewegliche oder auch betriebliche Güter sein: von Bargeld und anderen Kapitalwerten über Immobilien bis zu Fahrzeugen und Unternehmen sowie Firmenbeteiligungen.

Artikel 41bis, auch bekannt unter dem Namen „carcere duro“, zu Deutsch „strenge Haft“, ist eine Bestimmung des italienischen Strafvollzugsgesetzes. Anfangs war sie für Ausnahmesituationen innerhalb von Gefängnissen vorgesehen. Nach dem Attentat von Capaci, bei dem der Richter Giovanni Falcone ums Leben kam, wurde der Artikel mittels eines verabschiedeten Gesetzes temporär erweitert, welches der Mafia zugehörige Personen miteinschließt. Diese Erweiterung ist bis heute gültig. Der Artikel sieht eine vollkommene Isolierung des Häftlings vor, eine Zensur aus- und eingehender Post, begrenzten Ausgang sowie begrenzte Kontakte mit der Außenwelt. Diese Maßnahme hat sich besonders im Hinblick auf die Unterbindung der Kommunikation innerhalb der kriminellen Organisationen bewährt und wirkt der Macht von Mafia-Bossen aus dem Gefängnis heraus entgegen.

Bei der Beweislastumkehr handelt es sich in unserem Themenbereich um einen juristischen Grundsatz, wonach die Beschuldigten die legale Herkunft der eigenen Vermögenswerte nachweisen müssen, anstatt dass die Ermittlungsbehörden die illegale Herkunft nachzuweisen haben. Dieser Grundsatz wurde 1992 ins italienische Recht eingeführt und ist von zentraler Bedeutung bei der Bekämpfung der Geldwäsche, ein Delikt, das in weiten Teilen auch von mafiösen Vereinigungen begangen wird. Die Beweislastumkehr hat sich bei der Bekämpfung der kriminellen Vereinigungen mafiösen Typs in Italien bewährt, und so wächst die Zahl derer stetig, die eine Aufnahme dieses Grundsatzes auch in die deutsche Gesetzgebung fordern.

Der Begriff Clan-Kriminalität wurde ursprünglich von Kriminologen für die polizeiliche Ermittlungsarbeit geschaffen. Er ist nicht gesetzlich definiert und erfüllt keinen Straftatbestand.

Es gibt zwar ein Täter- oder Unternehmensstrafrecht, jedoch können nicht alle Mitglieder einer Familie ohne den Blick auf den Tatbeitrag des Einzelnen in Sippenhaft genommen werden. Dennoch werden Formen sozialer Auffälligkeit sogenannter Nicht-Deutscher (häufig arabischstämmiger Menschen) von manchen Medien und Politiker:innen beliebig unter dem politischen Schlagwort “Clan-Kriminalität” zusammengefasst.

Ein ethnisch geprägter Ansatz bei der Konturierung von Tätergruppen, der mit rassistischen Stereotypen arbeitet, hat in Deutschland eine lange Geschichte. Beispielhaft hierfür ist die berüchtigte „Zigeunerkriminalität“ und das Anlegen von „Zigeunerkarteien“ bei den Ermittlungsbehörden vom 19. Jahrhundert bis in die Zeit des Nationalsozialismus. Diese Datensätze, die auch für die Deportation von Sintis und Roma in die KZs genutzt wurden, sind von der Polizei in den fünfziger Jahren weiter verwendet worden. Die Fixierung auf dieses Segment wurde dann abgelöst von der sogenannten “Balkankriminalität”, inzwischen hat sich der Diskurs hin zur sogenannten “Clan-Kriminalität” verschoben. Aktuelle Fälle wie der Diebstahl der Juwelen von Kurfürst August des Starken im Dresdner Grünen Gewölbe oder der 100 kg schweren Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum bringen die sogenannte “Clan-Kriminalität” in die Schlagzeilen, obwohl nur eine Handvoll Familienmitglieder an diesen Taten beteiligt waren. Dabei bleiben u.a. italienische mafiöse Gruppierungen in Berlin und NRW weitgehend unbehelligt, da diese unauffälliger agieren und den Rechtsfrieden in der öffentlichen Wahrnehmung nicht stören. Auch Delikte aus der Wirtschafts- und Finanzkriminalität, wie etwa Cum-Ex-Geschäfte, an denen deutsche Banken und Großkanzleien aktiv mitwirkten, geraten dabei in den Hintergrund.

Trotz aller Unterschiede haben die verschiedenen Formen Organisierter Kriminalität eine Gemeinsamkeit: das gewerbsmäßige und bandenmäßige Agieren der Täter. Die Typisierung nach “Clans” ist deshalb nicht nur unscharf, sondern führt zu einer selektiven Diskriminierung, mit der politische Zwecke verfolgt und nur bestimmte soziale Gruppen stigmatisiert werden. Mitglieder der sogenannten „Clans“ werden also nicht ausschließlich an einem kriminellen Verhalten gemessen: Statt der Tat steht der Täter in seinen sozialen Strukturen im Vordergrund. Aus diesem Grund verwendet mafianeindanke den Begriff ausschließlich als “sogenannte Clan-Kriminalität”, um auf rassistische Deutungsmuster in der deutschen Ermittlungsarbeit aufmerksam zu machen. Dagegen begrüßt mafianeindanke Ermittlungen wegen Mitgliedschaft in einer Kriminellen Vereinigung gemäß § 129 StGB.