Administrative Ermittlung und Abschöpfung illegaler Vermögensgegenstände für Geldwäschebekämpfung unerlässlich

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Zum „Reformpaket Finanzkriminalität“ des Bundesministeriums der Finanzen

Die Ausgangslage

Die Geldwäschebekämpfung in Deutschland hat deutliche Schwachstellen und Lücken. Das ist in der Bundesregierung unbestritten. Diese Defizite betreffen trotz der in der Vergangenheit fast im Jahrestakt vorgenommenen gesetzlichen Änderungen im Anti-Geldwäscherecht nach wie vor den gesamten Rechtsrahmen als auch dessen Umsetzung in der Praxis. Der Standardsetter für die internationale Geldwäschebekämpfung, die Financial Action Task Force (FATF), bestätigt dies in ihrem jüngsten Prüfungsbericht vom August 2022 (mnd berichtete). Die Mängelliste der FATF betrifft insbesondere die Finanzermittlungen und die Strafverfolgung der Geldwäsche, wofür in erster Linie die Länder zuständig sind. Die meisten der von den Ländern eingeleiteten Verfahren und Finanzermittlungen wegen Geldwäsche betreffen Fälle der Bagatellkriminalität. Finanzermittlungen laufen bisher leer bei komplexen und oftmals grenzüberschreitenden Formen und Netzwerken der Geldwäsche sowie der Organisierten Kriminalität, wo die großen illegalen Gewinne generiert werden. Das widerspricht dem Geldwäscherisikoprofil Deutschlands und seiner weltweit viertgrößten Volkswirtschaft. Die Volumina der Geldwäsche in Deutschland werden auf einen dreistelligen Milliardenbetrag pro Jahr geschätzt.

Im Bericht der FATF wird u. a. auch die Zersplitterung der für die Geldwäschebekämpfung zuständigen Aufsichtsbehörden im Nichtfinanzsektor (im Finanzsektor ist diese Kompetenz bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zentralisiert) und die Zusammenarbeit der für die Strafverfolgung zuständigen Stellen in Bund und Ländern kritisiert.

Noch in diesem Jahr will das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ein Artikelgesetz durch den Bundestag bringen, das die von der FATF festgestellten Defizite beseitigen soll. Aus diversen Presseerklärungen und einem Eckpunktepapier des BMF vom August 2022 geht hervor, dass der Schwerpunkt der vom Bundesfinanzminister zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche geplanten Maßnahmen organisatorischer Art sein soll: Es soll eine neue „Bundesoberbehörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität“ errichtet werden, die die Geldwäschebekämpfung in Deutschland „nachhaltig verbessern“ und deren  „zersplitterte“ Zuständigkeiten“ reduzieren soll. Das Bundesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität, kurz BBF, soll im Geschäftsbereich des BMF als Bundesoberbehörde in einem „ganzheitlichen Ansatz die Analyse, straf- und verwaltungsrechtliche Ermittlungen sowie die Aufsicht über die nach dem GwG [Geldwäschegesetz, Anm. d. V.] verpflichteten Unternehmen und Personen unter einem Dach zusammenführen“.

Das klingt zunächst vielversprechend. Welcher Bundestagsabgeordnete oder welcher Journalist sollte ein solches Ziel nicht gutheißen? Entsprechend wohlwollend fallen deshalb die bisherigen Stellungnahmen aus dem Bundestag und in den Medien aus.

Was ist der Mehrwert der geplanten Maßnahmen? Reichen die Kompetenzen für einen wirklichen Paradigmenwechsel bei der Geldwäschebekämpfung aus?

Im Detail sind jedoch die Pläne des Finanzministers voller Widersprüche und Ungereimtheiten. Dieser erklärt, dass es nicht so sehr einer neuen Behörde, sondern eines damit verbundenen Paradigmenwechsels bedürfe. Nicht die Täter der Vortat und deren Aburteilung sollen im Fokus der Finanzermittlungen stehen. Vielmehr soll die neue Behörde über die Spur des Geldes an die Hintermänner, die hinter der kriminellen Vortat stehen, und deren Vermögen herankommen. Was in diesem Zusammenhang vom BMF als Paradigmenwechsel bezeichnet wird, ist jedoch gängige Praxis bei Finanzermittlungen.

Die Strafverfolgungsbehörden der Länder und auch das Bundeskriminalamt folgen diesem Ansatz schon längst in ihren verfahrensunabhängigen Ermittlungen. Bei den verfahrensunabhängigen Finanzermittlungen werden verdächtige Finanztransaktionen durch Auswertungen und Ermittlungen unabhängig von einem konkreten Grunddelikt geführt. Ziel ist die Identifizierung einer Vortat nach § 261 StGB sowie die Ermittlung der Geldflüsse. Grundlage der Ermittlungen stellen in der Regel die Geldwäscheverdachtsmeldungen der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (Financial Intelligence Unit-FIU) dar.

Verfahrensintegrierte Finanzermittlungen haben darüber hinaus ebenfalls zum Ziel, im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens Vermögenswerte aufzuspüren und die Geldwäschehandlungen zu erkennen.

Es ist deshalb von Seiten des BMF nach wie vor erklärungsbedürftig, warum es einer neuen Behörde bedarf, die im Wesentlichen die Kompetenzen und Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung bekommen soll, die die Ermittlungsbehörden der Länder oder das BKA bei der Geldwäschebekämpfung schon längst haben. Und zwar zusätzlich, da die bestehenden Behörden ihre Zuständigkeit durch das BBF nicht verlieren werden. Dies würde ohnehin dem Grundgesetz widersprechen, da die Strafverfolgung grundsätzlich Ländersache ist. Wenn der Finanzminister in der Öffentlichkeit erklärt, Kompetenzen und Zuständigkeiten im Flickenteppich der Zuständigkeiten bündeln zu wollen, um Doppelarbeit und Bürokratisierung zu vermeiden, steht dies im Widerspruch zu den Plänen des BMF.

Erklärungsbedürftig ist auch, woher für das neue Bundesamt das Personal herkommen soll. Qualifiziertes Personal für die Bekämpfung der Geldwäsche ist gegenwärtig von anderen Behörden oder von Complianceabteilungen der Unternehmen am Markt kaum zu bekommen. Um hier konkurrenzfähig zu sein, müsste der Bund sein Besoldungssystem signifikant ändern.

Doppelarbeit lässt sich auch nicht allein durch eine gesetzliche Konkretisierung der Aufgaben bei der strafprozessualen Bekämpfung der Geldwäsche vollständig vermeiden. Das neue Bundesamt soll primär bei der Verfolgung von bedeutsamen Fällen der internationalen Geldwäsche mit Bezug zum Inland aktiv werden. Eine Bündelung von Aufgaben beim Vorliegen solcher Konstellationen wäre zwar grundsätzlich sinnvoll und würde die Kommunikationsstränge mit Ermittlungsbehörden im Ausland vereinfachen.

Aufgaben für eine Behörde lassen sich im Gesetz aber nur allgemein umschreiben. Eine Abgrenzung, ob ein solcher aufgabenbegründender Sachverhalt vorliegt, kann nur untergesetzlich im Einzelfall getroffen werden. Er setzt die dauerhafte Abstimmung mit den nationalen Behörden voraus, deren Zuständigkeit u.U. auch gegeben ist. Die Voraussetzungen einer Zuordnung können sich auch in den laufenden Ermittlungen wieder ändern, so dass Entscheidungen und Abstimmungen oft neu getroffen werden müssen. Ressourcenschonend lassen sich solche Aufgaben mithin nicht organisieren.

Ein Bundesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität macht nur dann Sinn, wenn sich dessen Aufgabe nicht auf die Funktion einer zusätzlichen Ermittlungsbehörde im Bereich der Strafverfolgung beschränkt. Das BBF muss sich in erster Linie als Verwaltungsbehörde auf die Vermögensermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Vermögensgegenständen nach dem Recht der Gefahrenabwehr konzentrieren

Hintergrund hierfür ist, dass die Einspeisung von illegal generiertem Vermögen in den Finanzkreislauf neben den damit verbundenen politischen und sozialen Verwerfungen die Integrität des Finanz- und Wirtschaftsmarkts tangiert. Das hat der europäische Gesetzgeber bereits in den Erwägungsgründen zur 1. Geldwäscherichtlinie von 1991 betont. Der Schutzzweck dieser Richtlinie und der inzwischen in Kraft getretenen Folgerichtlinien ist genau der Erhalt dieser Integrität. Zuständig für die von einer Behörde als Verwaltungsakt vor diesem Hintergrund getroffenen Maßnahmen sind dann nicht die Strafgerichte, sondern die Verwaltungsgerichte.

Neben einer „nachhaltigeren Strafverfolgung“ soll es bei der Gesetzesinitiative aus der Sicht des Finanzministers auch darum gehen, die Täter da zu treffen, wo es ihnen am meisten weh tut: Bei illegal erlangtem Vermögen. Über dieses politische Ziel herrscht Konsens. In keinem Statement von Vertretern der Regierungsfraktionen der SPD, der Grünen und der FDP ebenso wie denen von der CDU/CSU und der Linken fehlt seit Jahren die Forderung, den Geldwäschern und Finanzkriminellen die illegal erlangten Profite und damit das Kapital für weitere illegale (und legale) Investitionen wegzunehmen und so der Organisierten Kriminalität die finanzielle Grundlage zu entziehen.

Bisher haben es jedoch die Parteien nicht vermocht, durch Gesetzesinitiativen sich dafür einzusetzen, dass dieses Petitum rechtssicher und effizient in unserem Rechtssystem verankert werden kann. Mit den vorhandenen, ausschließlich strafprozessualen Instrumenten wird dies jedenfalls nicht gelingen. Dieser überfällige Schritt muss nun im Gesetzespaket Finanzkriminalität nachgeholt werden, u.a. dadurch, dass das neue BBF nicht nur Kompetenzen bekommt, Vermögensermittlungen u. a. durch Auskunfts- und Vorlegungsersuchen und Durchsuchungen durchzuführen, sondern auch eigenständig als Verwaltungsbehörde in die Lage versetzt wird, Vermögensgegenstände mittels Verwaltungsakts sicherzustellen und einzuziehen.

Die Bekämpfung der Geldwäsche in Deutschland mit strafrechtlichen bzw. strafprozessualen Instrumenten ist bisher so wenig erfolgreich, weil mit strafprozessualen Finanzermittlungen der Verdacht bezüglich einer bestimmten Vortat der Geldwäsche vielfach nicht erhärtet werden kann. Vor diesem Hintergrund können in diesen Fällen auch keine Vermögensgegenstände beschlagnahmt oder eingezogen werden.

Im Strafverfahren muss sich der Beschuldigte nicht belasten – auch nicht bezüglich der Herkunft von Vermögensgegenständen. Er kann schweigen. Eine seit den neunziger Jahren immer wieder von Abgeordneten geforderte „Beweislastumkehr“ kann es im Strafrecht verfassungsrechtlich nicht geben. Vor diesem Hintergrund macht es keinen Sinn, wenn sich Exekutive und Legislative bei der Regulierung nicht ehrlicherweise eingestehen, strategisch bei der Geldwäschebekämpfung nur mit strafprozessualen Mitteln auf dem Holzweg zu sein.

Effiziente Maßnahmen der Geldwäschebekämpfung gibt es bereits

Zumal es gangbare, erfolgreichere und im Übrigen verfassungskonforme Alternativen gibt. Abgesehen von gewerbe- und aufsichtsrechtlichen Maßnahmen der Prävention gegen Geldwäsche, wie sie im Geldwäschegesetz verankert sind, ist als zweites Standbein der Geldwäscheprävention die administrative Vermögensermittlung und Vermögensabschöpfung zur Gefahrenabwehr nötig – mithin außerhalb des Strafrechts, wie sie im europäischen Kontext als „in rem-Verfahren (Non-Conviction Based Confiscation)“ diskutiert wird. Auch der europäische Gesetzgeber hat den Mitgliedsstaaten in den Erwägungsgründen der Richtlinie 2018/1673/EU ins Stammbuch geschrieben, Wege zur Beschlagnahme und Einziehung von Vermögensgegenständen in den Fokus zu nehmen, in denen Strafverfahren wegen Geldwäsche oder einer Vortat nicht eingeleitet oder abgeschlossen werden können. Das Rad muss in diesem Zusammenhang nicht neu erfunden werden. Blaupausen für den deutschen Gesetzgeber gibt es im italienischen “codice antimafia” von 2011 und den dort vorgesehenen vermögensbezogenen Präventivmaßnahmen.

Verbesserungen bei der defizitären Einziehung von Vermögensgegenständen bei der Geldwäsche durch das Strafrecht wollte der deutsche Gesetzgeber bereits 2017 durch die Schaffung der selbständigen Einziehung bei der Geldwäsche (§ 76a Abs. 4 StGB) schaffen, wenn der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt und der von der Sicherstellung Betroffene nicht wegen der ihr zugrundeliegenden Straftat verfolgt oder verurteilt werden kann. Er hat dafür besondere Regelungen für das selbstständige Einziehungsverfahren geschaffen (§ 437 StPO) und dem Richter einen Katalog und Leitlinien an die Hand gegeben, auf die der Richter die erforderliche Überzeugung stützen muss, dass ein Gegenstand auf einer rechtswidrigen Tat beruht. Die FDP-Fraktion hat bereits diesen zaghaften Reformschritt auf halbem Wege damals als verfassungswidrig angegriffen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese behauptete Verfassungswidrigkeit jedoch verneint. Allerdings hat diese Gesetzesänderung in der Praxis keine Erfolge gebracht, da diese in der Handhabung zu kompliziert ist. Nicht zuletzt deshalb, weil sie verfahrensmäßig dem Strafrecht und dem Strafprozessrecht verhaftet bleibt.

Der richtige und verfassungsrechtlich gangbare Weg zur effektiven Abschöpfung von illegal generierten Gewinnen und damit zur Bekämpfung krimineller Strukturen ist der Zugriff der BBF unmittelbar auf das mutmaßlich illegal erlangte Vermögen, sofern deren Vermögensermittlungen Anhaltspunkte ergeben, dass dieses illegalen Ursprungs ist.

Für Sofortmaßnamen ist dies mit dem Ziel der Sicherstellung von Vermögensgegenständen nach deutschem Recht bereits heute möglich. So können die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) oder die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Verfügungsverbote für die Durchführung von Transaktionen durch Verwaltungsakt anordnen und damit Gelder festhalten, wenn bestimmte Anhaltspunkte oder Tatsachen auf Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung hindeuten. Im Recht der Gefahrenabwehr, wozu auch das Geldwäschegesetz oder das Kreditwesengesetz gehören, sind solche Maßnahmen aufgrund von Wahrscheinlichkeitsabwägungen („Tatsachen, die darauf hindeuten“; vgl. hierzu § 6a KWG oder § 40 GwG) ohne Rücksicht auf den Schuldgrundsatz des Strafrechts möglich. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass diese Maßnahmen unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit erfolgen müssen und gerichtlich – durch die Verwaltungsgerichte – überprüfbar sind. Sie ermöglichen auch, Vermögen bei unklarer Herkunft unter bestimmten Bedingungen einzuziehen.

Dieser administrative Weg bedeutet eine konsequente Loslösung der Einziehung von Vermögensgegenständen von potenziell inkriminiertem Vermögen aus dem Kontext des Strafrechts und eine Verankerung der Sicherstellung von Vermögensgegenständen und der Vermögensabschöpfung im Recht der Gefahrenabwehr. Die Anforderungen an die Einziehung von Vermögensgegenständen nach dem Recht der Gefahrenabwehr richten sich dann nach dem Verwaltungsverfahrens- und Beweisrecht im Verwaltungsprozess.

Der für die Geldwäschebekämpfung federführende Finanzminister und das Kabinett müssen nun eine Entscheidung darüber treffen, ob im „Reformpaket Finanzkriminalität“ eine Weichenstellung zugunsten einer effektiven Ermittlung von Vermögen illegalen Ursprungs und dessen unmittelbare Einziehung vorgenommen wird oder die Vermögensabschöpfung bei der Geldwäsche weiterhin ein stumpfes Schwert bleibt.