Wissenschaftliches Paper fordert Antimafia-Kultur in Deutschland

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In der neuesten Ausgabe der „KrimOJ Kriminologie – Das Online-Journal“ vom 27. März 2025 ist ein Aufsatz (peer-reviewed) erschienen, der sich mit der Mafia in Deutschland befasst. In dem Paper geht es auch um die Gefahr der Unterwanderung der Strafverfolgung durch Mafia-Gruppierungen und das besonders hohe Risiko durch die Mafia, dem italienisch(stämmig)e Menschen in Deutschland ausgesetzt sind – zwei Aspekte, die sich in der aktuellen Operation Boreas vom 1. April 2025 gegen die ’ndrangheta in Deutschland und Italien wiederfinden: Ein deutscher Polizist wurde festgenommen, weil er im Verdacht steht, die ’ndrangheta unterstützt zu haben; die Ermittlungen ergaben, dass italienische Gastwirte rund um Stuttgart mutmaßlich eingeschüchtert und letztlich gezwungen wurden, Lebensmittel von der ’ndrangheta zu kaufen.

Autor Francesco Basta schreibt in „Kulturtheoretische Perspektiven auf Italienische Organisierte Kriminalität und Schutzgelderpressung: Zivilgesellschaftliche und Kriminalpolitische Schlussfolgerungen für Deutschland„: „Die kulturelle Anpassungsfähigkeit und insbesondere die kulturelle Fluidität[,] wie sie bei der ‘Ndrangheta vorzufinden ist, sind nicht nur erfolgsbedingende Faktoren der Organisationen, sondern auch Risikofaktoren für Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft. Aus diesem Grund wäre die Annahme, dass lediglich mit einer intensiven Strafverfolgung die Organisationen effektiv bekämpft werden können, ein fataler Trugschluss. Er fordert eine nachhaltige Antimafiakultur in Deutschland. Diese befinde sich derzeit noch in den Kinderschuhen. „Politik und Zivilgesellschaft müssen sich eindeutig gegen die IOK [Italienische Organisierte Kriminalität, Anm.] in Deutschland positionieren sowie Beratungs-und Informationsstellen einrichten„. Weiterhin schreibt der Autor, Deutschland könne es sich „nicht leisten, angesichts der bekannten Problemlage die Verantwortung auf Ehrenamtliche oder auf Aktivisten und Aktivistinnen zu übertragen„.

Mafianeindanke baut seit 2007 eine Antimafia-Kultur in Deutschland auf. Dies entsteht aus der Überzeugung, dass Strafverfolgung allein nicht reicht, um erfolgreich gegen die Mafia-Organisationen vorzugehen (mehr dazu unter Über Uns). Mehr Unterstützung – auch finanzieller Natur – seitens der Institutionen für Antimafia-Arbeit fordert der gemeinnützige Verein seit langem. Eine der Kernforderungen von mafianeindanke ist die Schaffung einer zivilgesellschaftlichen Beobachtungsstelle für Organisierte Kriminalität (zum Konzept).

Abstract des wissenschaftlichen Aufsatzes

Die Italienische Organisierte Kriminalität (IOK), mit Fokus auf ‘Ndrangheta und Cosa Nostra, sowie Schutzgelderpressung im Kontext von IOK werden aus kulturtheoretischer Perspektive diskutiert. U.a. werden Wert-und Normvorstellungen der Organisationen, Modi Operandi und Funktionen von Schutz-gelderpressung sowie gesellschaftlichen Reaktionen auf die Phänomene erörtert. Neben dem Gewinnstreben stellen das Bedürfnis nach gesellschaftlicher Einflussnahme und der Implementierung eigener Wertesysteme auf beanspruchten Territorien ein Wesensmerkmal der IOK dar. Hierbei dient Schutzgelderpressung als bevorzugtes Mittel zur Konsolidierung des Überordnungsverhältnisses der Clans bzw. Familien gegenüber Einzelpersonen oder anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen. Auch für Deutschland lassen sich ähnliche Expansionstendenzen feststellen. Ein besonderes Viktimisierungsrisiko tragen italienische bzw. italienischstämmige Gastronomen und Gastronominnen. Die Beziehungen innerhalb der Organisationen sind ebenfalls hierarchisch, allerdings zielen diese gleichzeitig darauf ab, die innere Kohäsion zu stärken. Insbesondere bei der ‘Ndrangheta ist ein fließender Übergang zwischen familiären und organisationalen Strukturen zu beobachten. Abschließend erfolgt eine kulturtheoretische Einordnung der Phänomene sowie die Formulierung von kriminalpolitischen und zivilgesellschaftlichen Schlussfolgerungen für Deutschland.“

Der Aufsatz

Basta, F. (2025). Kulturtheoretische Perspektiven auf Italienische Organisierte Kriminalität und Schutzgelderpressung: Zivilgesellschaftliche und Kriminalpolitische Schlussfolgerungen für Deutschland. Kriminologie – Das Online-Journal | Criminology – The Online Journal, (7), 80–99. https://doi.org/10.18716/ojs/krimoj/2025.1.6


Transparenz-Disclaimer: Der Autor Francesco Basta ist Mitglied von mafianeindanke e.V. und engagiert sich ehrenamtlich für den Verein.

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