Der Bundestag hat am 1. Dezember 2022 ein „Zweites Gesetz zur effektiven Durchsetzung von Sanktionen (SDG II) beschlossen. Als Reaktion auf die nationalen Defizite bei der Implementierung der vom Rat der EU beschlossenen und ständig erweiterten Sanktionen gegen Russland einschließlich sog. Individualsanktionen (u. a. gegen russische Oligarchen) wurde im Rahmen der nötigen strukturellen Verbesserungen eine Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung geschaffen, um den Flickenteppich von Zuständigkeiten vieler Bundes- und Länderbehörden zu reduzieren. Ebenfalls wurde das Verwaltungsverfahren zur Ermittlung von Vermögen sanktionierter Personen und Gesellschaften durch zusätzliche Kompetenzen verbessert.
Hinter diesem Gesetzesnamen verbirgt sich – neben dem Recht der Sanktionen – ein zusätzlicher Gesetzesinhalt. Nicht zuletzt auf Druck des Koalitionspartners Bündnis 90/Die Grünen und des Bundesministeriums für Wirtschaft wurden mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zusätzlich auch einzelne Reformschritte bei der Verhinderung der Geldwäsche auf den Weg gebracht.
Die beschlossene Einführung eines Barzahlungsverbotes bei Immobilientransaktionen im Geldwäschegesetz (GwG) ist ein solcher, Im Übrigen längst überfälliger Schritt. Nicht-Regierungsorganisationen wie mafianeindanke haben schon seit der vorletzten Legislaturperiode auf eine Gesetzesänderung gedrungen. Kein EU-Land hatte in seinen geldwäscherechtlichen Regelungen ein solches Einfallstor für Geldwäsche im Immobiliensektor zugelassen. Zu begrüßen ist, dass das Barzahlungsverbot auf Kryptowerte und andere Rohstoffe einschließlich Gold oder Diamanten ausgedehnt worden ist. Notare sollen das Verbot überwachen und Verstöße der Zentralstelle für Verdachtsmeldungen (FIU) melden.
Auch die vom Gesetzgeber in Angriff genommene Verknüpfung von Immobiliendaten mit dem Transparenzregister ist u. a. in Fällen von Umfirmierungen, Verschmelzungen und anderen gesellschaftliche Veränderungen sinnvoll, da solche Veränderungen in den Grundbüchern bei Ermittlungen nicht nachvollzogen werden können. Die Ausdehnung der bereits im GwG geregelten Mitteilungspflicht für den Neuerwerb durch Vereinigungen mit Sitz im Ausland, die Immobilieneigentum in Deutschland halten, auf den Grundstückserwerb in der Vergangenheit (sog. Bestandsfälle) ist wichtig. In deutschen Grundbüchern sind viele Gesellschaften mit Sitz in sog. Offshorestaaten als Eigentümer von Grundstücken erfasst, ohne dass Grundbuchämtern und deutschen Behörden bekannt ist, welcher wirtschaftlich Berechtigte sich hinter diesen Gesellschaften verbirgt. Dies ist eine gängige Methode von Oligarchen und Finanzkriminellen, wirtschaftliche Hintermänner durch Briefkastenfirmen beim Eigentumserwerb von Grundstücken nicht offenzulegen.
Ohne Vermögensregister keine Erfolge bei der Bekämpfung von Finanzkriminalität
Es handelt sich bei diesen in das GwG aufgenommenen Regelungen allerdings nur um erste Schritte für mehr Transparenz und um bloße Bausteine auf dem Weg zur Schaffung eines zentralen Vermögensregisters, das in unterschiedlichen Registern vorhandene Daten konsequent miteinander verknüpft. Dieses zentrale Vermögensregister muss neben Daten, die Grundstücke betreffen, auch andere Daten über Vermögenswerte wie Kapitalanteile an Unternehmen, Wertpapiere und andere Depot- und kontobezogene Vermögenswerte, Schiffe etc. umfassen. Der schnelle Zugriff auf diese Daten ist für die Ermittlung von Vermögenswerten sanktionierter natürlicher Personen und Personengesellschaften ebenso wie für Finanzermittlungen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Geldwäsche und anderer Formen von Finanzkriminalität unverzichtbar.
Die Debatte im Bundestag um den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zeigt, dass Bewegung in das bisher im parlamentarischen Betrieb vernachlässigte Thema einer wirksamen Geldwäschebekämpfung gekommen ist. So viel ist sicher: Das mit den Stimmen der Koalition verabschiedete Gesetz wird erst der Auftakt bei der Schaffung eines verbesserten Rechtsrahmens zur Geldwäschebekämpfung in Deutschland sein.
Parteien und Ministerien überbieten sich in Reformvorschlägen
Die ritualisierten, gegenseitigen Schuldzuweisungen von Regierungsparteien und Opposition in der aktuellen Debatte über den traurigen Istzustand der Geldwäschebekämpfung in Deutschland sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass inzwischen alle Parteien (mit Ausnahme der AfD) substantielle, strukturelle Reformen des Anti-Geldwäscheregimes für notwendig ansehen und diese sich im Grunde darüber einig sind, dass die in der Vergangenheit im Jahrestakt im Bundestag verabschiedeten gesetzlichen Maßnahmen nicht mehr ausreichen, eine nötige, grundsätzliche Reform länger aufzuschieben. Hierzu gehört auch, dass der Digitalisierung und Verknüpfung von Daten über Vermögenswerte eine besondere Bedeutung zukommen. Keine Partei außer der AfD betätigt sich heute bei diesem Erkenntnisprozess als Bremser. Jahrzehntelang hatte insbesondere die FDP diese Bremserrolle bei der Geldwäschebekämpfung im Bundestag wahrgenommen.
Die CDU/CSU-Fraktion hat zwar gegen den von der Bundesregierung der Regierungskoalition vorgelegten Entwurf gestimmt. Aber aus dem Grund, dass er bei den Reformschritten aus ihrer Sicht nicht weit genug geht. Ihr Antrag vom 8.11. 2022 (BT-Drucksache 20/4314) enthält u. a. Vorschläge, die es trotz ihrer Ablehnung durch die Regierungskoalition aus Sicht von mafianeindanke wert sind, im nächsten Jahr im Bundestag weiterverfolgt zu werden. So hat die CDU/CSU Fraktion beantragt, eine eigene gesetzliche Regelung zu schaffen, die die neu geschaffene Zollpolizei zum Aufspüren und zur Sicherung nicht nur von sanktioniertem, sondern auch generell verdächtigem Vermögen sowie Vermögen ungeklärter Herkunft auch im Rahmen von Verwaltungsverfahren zu ermächtigen. Ebenfalls wurde richtigerweise gefordert, dass ein zivilrechtliches Geschäftsverbot normiert werden soll, wenn nicht festgestellt werden kann, wer am Ende wirtschaftlich Berechtigter an einem Unternehmen ist.
Außerhalb des parlamentarischen Verfahrens hat auch Bundesinnenministerin Faeser auf der Herbsttagung des Bundeskriminalamts am 16.11.2022 ein auf 20 Maßnahmen gestütztes Strategiepapier zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität vorgestellt. Neben den seit Jahren von allen ihren Vorgängern angekündigten (und nie umgesetzten) Verbesserungen bei den Auswertungs-, Analyse- und Ermittlungskapazitäten des BKA und dem Aufbau eines Expertennetzwerks zur Unterstützung von Ermittlungen in Bund und Ländern hat sich die Ministerin ebenfalls aus gutem Grunde für ein bundesweit einheitliches Gebäude- und Wohnungsregister ausgesprochen, das Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten enthalten soll. Ebenfalls plädiert sie für eine leichtere Einziehung von Vermögen „bei verdächtiger Herkunft“. Sie zeigt jedoch kein Verfahren auf, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Mafianeindanke hat hierzu Vorschläge für eine administrative Vermögenseinziehung im Frühjahr 2022 gemacht, die Sie hier nachlesen können.
Der Entschließungsantrag der Koalition könnte zum Treiber für eine Optimierung der Bekämpfung der Geldwäsche werden, wenn er denn umgesetzt werden sollte
Besonders hoffnungsvoll stimmt der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen, der im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Gesetzes, übrigens bei bloßer Enthaltung von CDU/CSU und der Linken, verabschiedet worden ist (BT-Drucksache 20/4727, S. 113ff.). Damit wollen die Koalitionsfraktionen die Bundesregierung, insbesondere das federführende Bundesministerium der Finanzen anhalten,
„möglichst zeitnah, spätestens jedoch im Rahmen des vom Bundesministerium der Finanzen für das erste Halbjahr 2023 angekündigten Maßnahmenpakets zur Geldwäschebekämpfung
1. eine Immobilientransaktionsdatenbank auf Basis der Angaben aus notariellen Beurkundungen zu schaffen,
die den zuständigen Behörden im Bereich der Sanktionsdurchsetzung sowie den Stellen für die Kriminalitäts und insbesondere Geldwäschebekämpfung einen volldigitalen Zugriff auf aktuelle Daten ermöglicht; zusätzlich
2. eine Beschleunigung des Verfahrens der Digitalisierung und Einführung eines Datenbankgrundbuchs in der Zuständigkeit der Länder und entsprechender weiterer Möglichkeiten des Bundes zu prüfen, z.B. im Rahmen des Pakts für den digitalen Rechtstaat;
3. ein Gesamtkonzept zur besseren Registerverknüpfungen zu prüfen und dabei die Einhaltung der Datenschutzgrundverordnung und hohe IT-Standards jederzeit zu gewährleisten. Durch weitere Verknüpfungen von vorhandenen Registern und die Schließung von Schlupflöchern sollen die Daten mit Vermögensbezug strukturiert und für die Zuordnung von wirtschaftlich Berechtigen zu ihrem in Deutschland gelegenen Vermögen effektiv nutzbar und durchsuchbar gemacht werden. Bei den öffentlich zugänglichen Datensammlungen ist die Entscheidung des EuGH (Urt. v. 22.11.2022; Az. C-37/20, C-601/20) zum Schutz der Persönlichkeitsrechte im Rahmen der EU-Geldwäscherichtlinie zu berücksichtigen; sowie
4. Befugnisse für Fälle zu schaffen, die besondere Risiken in Bezug auf Geldwäsche oder Sanktionen aufweisen, wenn unklar ist, wer die faktische Kontrolle über das Vermögen ausübt und eine weitgehende Verfügungsbeschränkung und im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen einen Eigentumsentzug ermöglichen, sofern in diesen Fällen auf Verlangen der zuständigen Behörden der wirtschaftlich Berechtigte durch den Inhaber nicht nachgewiesen werden kann; sowie
5. weitere Maßnahmen gegen Vermögensverschleierungen zu ergreifen. Derzeit bestehende Schlupflöcher bei der Ermittlung und Transparenz der wirtschaftlich Berechtigten sollen geschlossen werden. Es für nicht
bestimmbare wirtschaftlich Berechtigte unter anderem eine Ermittlungsmöglichkeit für eine Bundesbehörde geschaffen werden und weitere Regelungen für Fälle, die besondere Risiken in Bezug auf Geldwäsche oder Sanktionen aufweisen; sowie
6. ein Maßnahmenpaket zur Geldwäschebekämpfung und weitere Verbesserungen des Rechtsrahmens vorzulegen, welches die notwendigen Handlungsempfehlungen der Financial Action Task Force und Ideen des vom Bundesministerium der Finanzen vorgestellten Konzepts zur schlagkräftigen Bekämpfung der Finanzkriminalität umsetzt;
7. Dies schließt aufbauorganisatorische Änderungen durch den Aufbau einer neuen Bundesoberbehörde wie der Bundesoberbehörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität ein. Die gesetzlichen Grundlagen für den Aufbau dieser Behörde sollen unter enger Einbindung des Parlaments spätestens vor Ablauf des Jahres 2023 abgeschlossen werden, mit dem Ziel den Aufbau im Jahr 2024 zu starten.“
Sollten diese Petiten umgesetzt und in die vom Bundesministerium der Finanzen für 2023 in einem Eckpunktepapier vom August 2022 angekündigte Reform des Anti-Geldwäscheregimes einfließen (zur Kritik am Eckpunktepapier vgl. den Artikel von mafianeindanke), wäre dies ein signifikanter Fortschritt im Kampf gegen die Organsierte Finanzkriminalität. Nichtregierungsorganisationen und die parlamentarische Opposition sollten die Regierungskoalition beim Wort nehmen, sich mit Vorschlägen und Initiativen einbringen und Druck für eine Umsetzung durch die Bundesregierung ohne Streichungen und Lücken machen.
Ein wichtiger Punkt wird jedoch im Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen ausgeklammert: Bessere Gesetze und damit mehr Kompetenzen für die mit der Verhinderung und Verfolgung der Geldwäsche zuständigen Stellen bedeuten alleine noch keine erfolgreichere Geldwäschebekämpfung. Ein besserer Rechtsrahmen ist das eine, eine bessere digitale Ausstattung und mehr bzw. qualifizierteres Personal der zuständigen Behörden und Gerichte das andere. Hier müssen sich Länder und der Bund schnell auf einen Pakt für bessere Geldwäschebekämpfung einigen und mehr Geld in die Implementierung dieser Maßnahmen stecken. Zum Nulltarif sind Erfolge gegen Geldwäsche und Organisierte Wirtschaftskriminalität jedenfalls nicht zu haben. Eine bessere Einziehung illegal erwirtschafteter Vermögen und Profite könnte jedoch das ihre tun, einen Großteil der vom Staat aufgewendeten Haushaltsmittel wieder hereinzuholen.