Neufassung des Straftatbestands der Geldwäsche – Etwas Licht und viel Schatten

Bundestag 1

Ein Positionspapier von mafianeindanke e.V.(13.9.20)

Das Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) hat Anfang August 2020 einen „Referentenentwurf zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche“ vorgelegt. Damit soll die am 2. 12. 2018 in Kraft getretenen „Richtlinie (EU) 2018/1673 vom 23. 10. 2018 über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche“ umgesetzt werden. Anders als die bisherigen EU-Geldwäscherichtlinien, die vorwiegend präventiv-gewerberechtliche Vorschriften zum Inhalt hatten, beinhaltet die Richtlinie (EU) 2018/1673 strafrechtliche bzw. strafprozessuale Vorgaben. Sie ist bis zum 03.12.2020 in nationales Recht umzusetzen. Insbesondere soll der bisherige Vortatenkatalog des Geldwäschestraftatbestands gestrichen werden. Geldwäsche soll sich demnach auf grundsätzlich jede strafbare Vortat beziehen können („all crimes-Ansatz“). Nach dem Beschluss des Bundeskabinetts über den Entwurf soll dieser im parlamentarischen Verfahren beraten und dann fristgerecht in Kraft treten.

Der Entwurf wird in der öffentlichen Diskussion mehrheitlich abgelehnt. Allerdings stellt sich die Frage, wer die aktuelle Debatte in den Medien hegemonisiert. Es sind dies der Bankenverband (BdB) und die großen, international aufgestellten Anwaltsfirmen, die neben der Compliance für Banken und Industrieunternehmen auch in der Verteidigung von Wirtschaftsstraftätern aktiv sind. Ihr Hauptvorwurf: Der Vorschlag gehe, insbesondere was den all crimes-Ansatz- anbelangt, weit über die Richtlinie hinaus und würde Verdachtsmeldungen nach dem Geldwäschegesetz drastisch anwachsen lassen sowie zu einer unübersehbaren Anzahl von Strafverfahren führen, die die Justiz „unnötig belaste“ (so wörtlich Legal Tribune Online vom 26.8.2020). Strafverfolger äußern sich in der Öffentlichkeit zum Gesetzesentwurf nicht. Sie positionieren sich hinter den Kulissen über die Stellungnahmen der Länder im Gesetzgebungsverfahren.

Die Position von mafianeindanke

I. Erweiterung des objektiven Tatbestands ist nötig

Die Bundesregierung bestreitet in ihrer „Ersten Risikoanalyse zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung“ vom Oktober 2019 nicht, dass die Bedrohung durch Geldwäsche vor dem Hintergrund der hohen wirtschaftlichen Attraktivität des Standorts Deutschland als Kapitalanlageland, aufgrund der hohen Bargeldintensität des Wirtschaftskreislaufs sowie seiner ökonomischen Vielschichtigkeit insgesamt als „mittel bis hoch“ anzusehen ist. In der Gesetzesbegründung räumt BMJV auch ein, dass die Strafverfolgung bei der Geldwäsche wegen des komplexen Regelungsgehalts des Straftatbestands der Geldwäsche (§ 261 StGB) von erheblichen Schwierigkeiten gekennzeichnet und deshalb diese Norm trotz der seit 1992 mehrfach vorgenommenen Gesetzesänderungen nicht effizient ist. Aus diesem Grund führt an einer Generalrevision dieser Norm aus unserer Sicht kein Weg vorbei, unabhängig davon, dass diese formal schon in weiten Teilen der Richtlinie (EU) 2018/1673 entspricht. Deshalb liegt es auch auf der Hand, künftig alle Straftaten als Geldwäschevortaten einzubeziehen.

Durch einen Verzicht auf einen Vortatenkatalog, der einen Katalog von als „schwere Straftaten“ bewertete Delikte definiert, wird eine effektivere Kriminalitätsbekämpfung im Bereich der Organisierten Kriminalität erwartet. Entsprechend soll die Beweisführung hinsichtlich der Vortat erleichtert werden. Damit geht BMJV einen Weg, der in den meisten EU-Ländern längst beschritten wurde, dort aber nicht die geharnischte Ablehnung der Lobby wie in Deutschland zur Folge hatte. Der „all crimes approach“ gehört auch zum internationalen Standard der Financial Action Task Force (FATF). Die geplante Neufassung des Geldwäschestraftatbestands ist nicht einer kritischen Bilanz des BMJV zu den Defiziten dieser Norm in der Praxis geschuldet, sondern primär der Tatsache, dass das Anti-Geldwäschesystem Deutschlands durch die FATF in den nächsten Monaten überprüft wird. Deutschland ist Mitglied der FATF und hat sich verpflichtet, die politischen Standards der FATF umzusetzen. Die Bundesregierung muss befürchten, dass u. a. diesem Straftatbestand unter Effektivitätsgesichtspunkten von der FATF ein schlechtes Zeugnis ausgestellt wird. Die Prüfungsberichte der FATF werden veröffentlicht. Schlechte Ergebnisse haben Einfluss auf die Reputation eines Finanzplatzes.

Die Behauptung von Vertretern der Deutschen Kreditwirtschaft und von Großkanzleien, die Erweiterung des objektiven Geldwäschestraftatbestandes würde zu einer Flut zusätzlicher Meldungen der Verpflichteten nach dem Geldwäschegesetz (GwG) gegenüber der Zentralstelle für Finanzdienstleistungen (FIU) führen, ist kein Argument gegen diesen Gesetzesentwurf. Im Gegenteil. Die Lobby und die von ihr repräsentierten Institute und Unternehmen rücken sich damit selbst in ein schlechtes Licht. Wenn Tatsachen vorliegen, die darauf hindeuten, dass eine der drei in § 43 Abs.1 GWG genannten Tatbestandsalternativen erfüllt sind, hat das verpflichtete Unternehmen diesen Sachverhalt unverzüglich der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) zu melden. Dies bezieht sich auch auf Sachverhalte, die sich nachträglich im Ermittlungsverfahren nicht als „schwere Straftaten“ herausstellen. Die „Verdachtsschwelle“ für eine Meldung ist niedrig (BT-Drs. 17/6804, 35). Für die Verpflichteten bedarf es aufgrund des Wortlauts („hindeuten“) keiner Gewissheit über den Bezug einer Transaktion oder Geschäftsbeziehung zu einer Geldwäschehandlung bzw. einer entsprechenden konkreten Vortat. Sie dürfen bereits nach gegenwärtiger Rechtslage den Sachverhalt nicht wie ein Staatsanwalt dahingehend subsumieren, ob eine bestimmte Katalogtat des § 261 StGB vorliegt. Deshalb haben die Verpflichteten keinen Ermessensspielraum, sondern lediglich einen gewissen Beurteilungsspielraum aufgrund allgemeiner Erfahrungen und ihres beruflichen Erfahrungswissens. Falls das Verdachtsmeldewesen in der Vergangenheit ordnungsgemäß von den Verpflichteten gehandhabt worden ist, ist also nicht mit signifikanten Steigerungen im Meldewesen nach § 43 GwG zu rechnen. Was die von der Lobby ebenfalls vermutete deutliche Zunahme der Zahl von Ermittlungsverfahren anbelangt, ist ohne einen empirischen Befund keine tragfähige Aussage für die Zukunft möglich.
Bei der Neufassung des objektiven Tatbestands ist ebenfalls positiv anzumerken, dass die Verwendung des Begriffs der „geldwäschetauglichen Vermögensgegenstände“ zu einer Vereinfachung der Handhabung des Tatbestands führt, weil nunmehr klargestellt ist, dass dieser Taterträge, Tatprodukte und dessen jeweilige Surrogate erfasst. Damit werden die bisher teilweise schwierigen Abgrenzungsfragen, ob ein Vermögensgegenstand aus einer geldwäscherechtlichen Vortat „herrührte“, gelöst.

Allerdings sollte niemand trotz dieser Verbesserungen die Erwartung haben, dass allein die Erweiterung des objektiven Tatbestands und der Verzicht auf den Vortatenkatalog zu einem schnellen Durchbruch bei der Strafverfolgung im Bereich der Geldwäsche führen könnte. Dieser Reformschritt ist ein notwendiger Baustein, aber ein Baustein unter vielen, die für eine Optimierung des Rechtsrahmens nötig sind. Komplexe Typologien der Geldwäsche, wo etwa die Herkunft von Vermögensgegenständen einen Auslandsbezug hat oder der eigentliche wirtschaftlich Berechtigte sich hinter komplexen gesellschaftsrechtlichen Strukturen oder Briefkastenfirmen in Steueroasen verbergen kann, sind auch in Ländern, die den „all crimes -Ansatz“ bereits gesetzlich geregelt haben, nach wie vor schwer zu verfolgen. Der Grund: Auch das zukünftig weiter bestehende Erfordernis, dass Vermögensgegenstände überhaupt einen kriminellen Hintergrund haben, ist schwer nachzuweisen. Dies betrifft gerade viele Fälle der Organisierten Kriminalität, während die Entschlackung des objektiven Tatbestands für die Ermittler Erleichterungen bei weniger komplexen Fällen der Geldwäsche bringen dürfte. Auch künftig muss bei einer Verurteilung wegen Geldwäsche zur Überzeugung des Gerichts feststehen, dass das Tatobjekt der Geldwäsche aus irgendeiner Straftat stammt und dies dem Täter zumindest in Form eines Eventualvorsatzes bekannt war. Der Gesetzesentwurf führt hierzu aus, dass bei der Erfüllung des (objektiven und subjektiven) Straftatbestands das „bloße Erkennen der Möglichkeit einer rechtswidrigen Herkunft“ nicht ausreiche, vielmehr müsse sich der Geldwäscher „irgendwelche konkreten, von einem Sachverhalt her bestimmbaren Vorstellungen“ zur Vortat gemacht haben. Der professionelle Geldwäscher, der an der Vortat nicht beteiligt ist, wird es tunlichst vermeiden, hier beim Vortäter nachzufragen, um sich „konkrete, von einem Sachverhalt her bestimmbare Vorstellungen“ zu machen.

II. Die Angst des BMJV vor der eigenen Courage kompensiert die positiven Effekte des Gesetzesentwurfs

  1. Änderungen im subjektiven Straftatbestand Die Ausweitung des objektiven Tatbestands soll es für BMJV aus Gründen der „Eingrenzung und Ausgewogenheit der Strafandrohung“ notwendig machen, den Anwendungsbereich insbesondere über den subjektiven Tatbestand einzuschränken. Für diesen fatalen Schritt, der ohnehin nicht durch die Richtlinie (EU) 2018/1673 vorgegeben ist, werden von Seiten des BMJV keine tragfähigen Gründe angeführt.Nach gegenwärtiger Rechtslage kann wegen Geldwäsche auch bestraft werden, wer zwar die Herkunft eines Vermögensgegenstands aus einer Vortat nicht kannte, diese Unwissenheit aber auf Leichtfertigkeit, d.h. grober Fahrlässigkeit, beruht. Diese bisher in § 261 Abs. 5 StGB vorgesehene Strafbarkeit, die wegen der Beweisschwierigkeiten in Bezug auf den Nachweis der Vortat vom Gesetzgeber geschaffen worden ist, soll entfallen. Mafianeindanke spricht sich für den Beibehalt der Leichtfertigkeit beim subjektiven Tatbestand aus.
  2. Der vom Gesetzgeber intendierte Zweck „Reduzierung von Beweisschwierigkeiten“ bei der Anwendung des Geldwäschestraftatbestands hat sich jedoch nicht dadurch erledigt, dass der Vortatenkatalog aus dem objektiven Tatbestand gestrichen worden ist. Wie bereits unter I. ausgeführt, bestehen diese Beweisschwierigkeiten gerade in komplexen Fällen der Organisierten Kriminalität auch nach Straffung des objektiven Tatbestands fort, wenn der Sachverhalt nicht ausreicht, dem Straftäter nachzuweisen, dass der zu waschende Vermögensgegenstand überhaupt aus einer Straftat stammt.Sicheres Wissen des Straftäters soll zwar der neue Straftatbestand nicht voraussetzen. Es soll bedingter Vorsatz (dolus eventualis) in Bezug auf das Erfordernis der strafbaren Herkunft ausreichen, d.h., es genügt ein billigendes Inkaufnehmen der illegalen Herkunft durch den Täter. Leichtfertigkeit und bedingter Vorsatz sind jedoch nicht dasselbe. Leichtfertigkeit ist eine besondere Stufe der Fahrlässigkeit, wo der Täter, wie bei der groben Fahrlässigkeit im Zivilrecht, lediglich „grob achtlos“ handeln muss. Die Gesetzesbegründung sagt auch nicht, dass das Bedürfnis für den Leichtfertigkeitstatbestand durch die Neuregelung völlig, sondern nur „weitgehend“ entfallen würde. Damit nimmt BMJV eine Strafbarkeitslücke, insbesondere bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität in Kauf, um hierdurch der Kritik der Strafrechtslobby, der Straftatbestand würde zukünftig eine „uferlose“ Anwendung erhalten, entgegenzukommen. Auf Kosten einer wirksamen Bekämpfung der Organisierten Kriminalität.
  3. BMJV sendet bei der Strafbarkeit der Geldwäsche und dem Sinn und Zweck der Strafnorm falsche Signale an die RechtspraxisDie dargestellte Kompensation zur Ausweitung des objektiven Tatbestands und damit des eigentlichen Mehrwerts dieses Gesetzesentwurfs macht sich auch daran fest, dass entgegen dem internationalen Trend bei der Strafzumessung das Strafmaß beim Geldwäschestraftatbestand nicht erhöht wird. Es wird sogar auf die bisherige Mindeststrafe beim Grundtatbestand verzichtet. Gegenüber der richterlichen Praxis soll damit signalisiert werden, über die ohnehin zahlreichen Verfahrenseinstellungen hinaus zukünftig noch großzügiger von Verfahrenseinstellungen bei „weniger schwerwiegenden Kriminalitätsbereichen“ der Geldwäsche Gebrauch zu machen.
    Die Begründung hierfür: Es soll ein „Ungleichgewicht mit den Strafdrohungen der Begünstigung und Hehlerei vermieden werden“. Damit fällt BMJV in die von ihm bereits früher vertretene und auf internationaler Ebene unhaltbare Auffassung zurück, dass es sich bei dem Geldwäschestraftatbestand – wie bei der Hehlerei (§ 259 StGB) und der Begünstigung (§ 257 StGB) – (nur) um ein Delikt gegen die Rechtspflege handeln würde und deshalb der Unrechtstatbestand der Geldwäsche deckungsgleich mit diesen beiden Delikten sei. Die sog. herrschende Meinung in der juristischen Literatur geht da noch weiter. Der Standardkommentar für die strafrechtliche Praxis, herausgegeben vom früheren BGH Richter und jetzigen Rechtskolumnisten bei spiegel-online, Thomas Fischer, vertritt sogar die Auffassung, der Geldwäschetatbestand sei nichts weiter als eine kostenintensive und im Kern völlig unnütze und rechtsstaatlich inakzeptable Verdoppelung des Hehlereitatbestands. Und mit dieser Auffassung steht er unter Strafrechtlern nicht allein. Bei dieser Positionierung handelt es sich nicht um eine abgehobene Diskussion im Wolkenkuckucksheim strafrechtlicher Dogmatik in Deutschland. Sie prägt die justizielle Handhabung des Geldwäschestraftatbestands seit der Schaffung des Geldwäschestraftatbestand im Jahr 1992.Im Rahmen einer Änderung des Geldwäschestraftatbestands in § 261 Abs. 9 StGB hat BMJV nicht zuletzt auf Druck des Bundesfinanzministers gegenüber dem Gesetzgeber im Jahr klargestellt, dass Sinn und Zweck des Geldwäschestraftatbestands ist, zu verhindern, dass inkriminiertes Vermögen in den legalen Wirtschaftskreislauf gelangt und dort unter anderem zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Schutzgut des § 261 StGB ist dementsprechend die Solidität, Integrität und Stabilität der Kredit und Finanzinstitute sowie das Vertrauen in das Finanzsystem insgesamt (BT-Drs. 18/6389, S. 13). Dies hatten bereits die Erwägungsgründe 1 und 2 der Geldwäscherichtlinie 25005/60 vom 26. 10.2005 als wesentliches Schutzgut formuliert. Von dieser für die Geldwäschebekämpfung essentiellen Zielrichtung ist nunmehr im Gesetzesentwurf nicht mehr die Rede. Im Ergebnis folgt daraus, dass ein Gesetzesentwurf, der in etwas anderer Art und Weise nicht den rechtlichen status quo retten, sondern mit einer Reform im wahrsten Sinne des Wortes Ernst machen will, inhaltlich anders aussehen müsste.

III. Die Bundesländer haben bei der Geldwäschebekämpfung ein eklatantes Implementierungsproblem – ohne Beseitigung dieses Problems bleibt Geldwäschebekämpfung mit den Mitteln des Strafrechts symbolische Rechtspolitik

Für Finanzermittler bei Polizei und Staatsanwaltschaften wird die Arbeit somit nicht ausgehen und die Strafverfolgung nicht einfacher. Ohne substantielle Erhöhung des Personalbestands bei Polizei und der Justiz, der Qualifizierung des Personals und die Bündelung von Zuständigkeiten gerade im Bereich der Verfolgung der Organisierten Kriminalität und der Vermögenseinziehung in den Ländern wird sich ohnehin nichts zum Besseren wenden. Es gibt bei der Geldwäschebekämpfung in Deutschland seit Jahrzehnten ein manifestes Implementierungsproblem, wobei die Schere zwischen Normsetzung des Bundes und konsequenter Umsetzung durch die Länder immer weiter auseinandergegangen ist. 

Geldwäschebekämpfung ist nicht allein am unzureichenden Rechtsrahmen des Bundes, sondern primär an der personellen und sächlichen Ausstattung der Implementierung in den Länderhaushalten gescheitert. Wenn die Diskussion im Bundestag über den Gesetzesentwurf in den nächsten Wochen diese Frage (wieder) ausklammert, ohne gegenüber den Ländern konkrete Vorschläge bzw. in diesem Zusammenhang auch finanzielle Angebote über ihre Länderhaushalte zu machen, ist Regulierung im Sektor der Verhinderung und Bekämpfung der Geldwäsche auch weiterhin zur symbolischen Politik verdammt.