Nordrhein-Westfalen und der Kampf gegen die Mafia

Nrw Event

Zusammenfassung der Veranstaltung von mafianeindanke am 10.12.2020:
„13 Jahre nach den Mafia-Morden in Duisburg: Wo steht NRW heute im Kampf gegen die Mafia?“

Kurz vor Weinachten setzte sich die Kölner Gruppe von mafianeindanke anhand einer virtuellen Podiumsdiskussion mit dem Thema „’Ndrangheta in NRW“ auseinander. Ziel der Diskussion war es, die Macht der ’Ndrangheta in NRW zu beschreiben und zu erörtern, mit welchen Schritten man sie erfolgreich bekämpfen kann. Hinzu sollte zudem analysiert werden, ob in Deutschland genug über die Mafia berichtet wird. Dabei war der Gruppe von besonderer Bedeutung, wichtige Ereignisse der vergangenen 15 Jahre in die Diskussion einzugliedern, welche das Bundesland besonders prägten. Hierzu wurden zwei Gäste eingeladen: Oliver Huth (stellvertretender Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter NRW und Rechtsschutzbeauftragter NRW) und Marcel Storch (Crime-Reporter bei „der Westen“).

Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet und kann in unserem youtube-Kanal angeschaut werden.

In dem ersten Abschnitt der Diskussion wurden die sogenannten „Mafiamorde von Duisburg“ genauer beleuchtet. Es geht um einen sechsfachen Mord im August 2007, verübt als Teil einer Fehde zwischen zwei rivalisierenden ’Ndrangheta-Clans. Der Fokus lag hierbei auf der Frage, ob sich die Wahrnehmung der Mafia in Deutschland sowohl vonseiten der Öffentlichkeit als auch der Ermittler nach diesen Ereignissen verändert hat. Oliver Huth zufolge stellten diese Morde in Deutschland eine Zäsur dar. Zum ersten Mal habe sich die italienische Mafia gewalttätig in Deutschland exponiert. Seit diesem Vorfall habe es zwar Fortschritte bei der Bekämpfung der Mafia gegeben, es bestünden in einigen Punkten aber noch wichtige Mängel. Zu wenige Ressourcen würden zur Bekämpfung der ’Ndrangheta eingesetzt werden, was die Ermittlungen deutlich erschwere. Hinzu gäbe es nicht genug europäische Zusammenarbeit, teilweise nicht einmal zwischen den einzelnen deutschen Bundesländern. Herrn Storch zufolge wurde seit den Morden mehr über die Mafia berichtet, dennoch sei eine stärkere Berichterstattung wünschenswert.

Von den Ereignissen in Duisburg verlagerte sich die Diskussion zu einem aktuell laufenden Prozess in Düsseldorf. Durch die so genannte „operazione pollino“ gelang es europäischen Ermittlern an zahlreiche neue Informationen über die Mafia zu gelangen, dank deren nun in Deutschland 14 Angeklagte vor Gericht stehen. Einige von ihnen gehören mutmaßlich der ’Ndrangheta an. Herr Storch, welcher in einer Artikelreihe detailliert über diesen Prozess berichtete und bei zahlreichen Verhandlungen anwesend war, gewährte bei der Diskussion interessante Einblicke in den Prozess. Dieser zeige beispielsweise, wie die ’Ndrangheta auch mit anderen kriminellen Vereinigungen kooperiert, um höhere Gewinne zu erzielen. Der Prozess stelle die hohe Präsenz der Mafia wieder in den Vordergrund, wenngleich die Berichterstattung im Vergleich zu anderen OK-Gruppierungen in Deutschland weiterhin ausbaufähig sei. Herr Huth durfte sich zu dem Prozess nicht im Detail äußern, da er selbst als Zeuge geladen ist. Eine große Bedeutung habe für ihn jedenfalls die europäische Zusammenarbeit bei den Ermittlungen gespielt. Anhand so genannter „Joint Investigation Teams“ war eine besonders gute Kooperation der Behörden verschiedener Länder möglich. Dies sei zukunftsweisend, viele Schritte müssten aber noch folgen. Der Presse gegenüber kritisierte er eine teils zu oberflächliche Recherche, wodurch „Urteile im Namen des Volkes“ entständen.

Als es zuletzt um die allgemeine Lage von NRW in Bezug auf die Mafia ging, betonte Herr Huth die starke Position der Mafia in Deutschland. Er kritisierte zudem stark die Methoden, mit der in Deutschland Geldwäsche bekämpft wird. Zu loben sei allerdings die in Düsseldorf neu gegründete Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung organisierter Straftaten (ZeOS). Beide Gäste äußerten sich auch zu der unterschiedlichen medialen Wahrnehmung zwischen italienischer Mafia und der sogenannten Clankriminalität. Hierbei würden die beiden Gruppen auf unterschiedliche Weise ihren kriminellen Tätigkeiten folgen, wodurch die sogenannte Clankriminalität bedeutend mehr im Rampenlicht stünde. Herr Huth ergänzte diesen Punkt mit dem treffenden Vergleich, dass die Mafia um Unauffälligkeit bemüht ist und versucht, nach außen als „die netten Italiener von der Ecke“ aufzutreten, während Vertreter der sogenannten „Clankriminalität“ durch ständige Provokationen Aufmerksamkeit suchen. Er machte zudem klar, dass man aus diesem Grund zur Bekämpfung der arabischen Clans mehr Ressourcen erhielte, obwohl die Gewinnorientierung bei der Mafia deutlich höher sei. Als letzter Punkt wurde der Zusammenhang zwischen Organisierter Kriminalität in Deutschland und der Integrationspolitik erörtert. Herrn Storch zufolge besteht ein klarer Zusammenhang zwischen der Integrationspolitik eines Landes und der Tendenz von Einwanderergruppen zu Organisierter Kriminalität. Grundsätzlich habe er aber den Eindruck, Italiener seien in Deutschland besser integriert als viele andere Bürger mit Migrationshintergrund. Herr Huth fügte hinzu, dass er dennoch im Laufe seiner Ermittlungen häufig mit kriminellen Familien mit italienischem Migrationshintergrund zu tun hatte, die auch in der zweiten oder dritten Generation noch schwach integriert sind und starke Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben. Beide Gäste betonten jedoch, wie wichtig es sei, bei diesem Thema angemessen zu differenzieren.


Zum Ende der Diskussion wurde auf die zahlreichen Fragen der Zuschauer eingegangen.