Mehr als 1.000 Mitglieder italienischer Mafia in Deutschland

Herbert Reul während seiner Rede

Köln, 18.11.2023. Die Zahl der Mitglieder italienischer Mafia-Organisationen in Deutschland steigt dramatisch. 2022 hat das Bundeskriminalamt mehr als 1.000 mutmaßliche Mitglieder der italienischen Organisierten Kriminalität gezählt, die sich dauerhaft in Deutschland aufhalten. Dies ist eine neue Rekordzahl, sie entspricht einer Verdoppelung im Vergleich zu der Zahl von 2013. 2021 waren es noch 770. Unter anderem nahm die Zahl der ‘Ndrangheta-Mitglieder in Deutschland zu; aktuell sind 519 bekannt. Hinzu kommen 134 Mitglieder der Cosa Nostra, 118 Mitglieder der Camorra und weitere Mitglieder des italienischen Organisierten Verbrechens.  

Diese Zahlen stellte der Verein mafianeindanke e.V. am Samstag beim deutschlandweit ersten Antimafia-Seminar in Köln vor. Unter dem Motto “Gemeinsam gegen Organisierte Kriminalität” lud der Verein ein breites Publikum aus interessierten Bürger:innen, Medien, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Strafverfolgungsbehörden und Zivilgesellschaft zu der Veranstaltung in die Universität zu Köln ein. Hochrangige Expert:innen aus Deutschland und Europa gaben Einblicke in die Themen Mafia in Deutschland, internationaler Rauschgifthandel, moderne Geldwäschemethoden und Antimafia in der Zivilgesellschaft.

Der Minister des Innern von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU), Schirmherr des Seminars, betonte bei der Eröffnungsrede: “Organisierte Kriminalität ist ein Totalangriff auf den Rechtsstaat.” Mafia sei auch ein Thema für jede Bürgerin und jeden Bürger. “Die Zahlen sind das eine, das Leiden der Betroffenen das andere. Es werden Existenzen zerstört, Familien ausgelöscht,” verdeutlichte Reul die Konsequenzen des Organisierten Verbrechens.

“Wir machen viel gegen die Mafia, aber nicht in der Öffentlichkeit. Die Clankriminalität findet eher in den Zeitungen statt”, so der Innenminister. Dennoch sei Deutschland für die Mafia keine Freihandelszone. “Hier müssen Kriminelle immer damit rechnen, aufzufliegen.” Auch die Bedeutung der Zusammenarbeit betonte Reul: “Die Organisierte Kriminalität ist international, die Grenzen spielen keine Rolle. Erfolgreiche Zusammenarbeit geht nur gemeinsam. Wir haben die internationale Zusammenarbeit intensiviert. Netzwerken ist elementar”, so Reul.

Sandro Mattioli, Vorsitzender des Vereins, stellte in seinem Vortrag zu Mafia in Deutschland die aktuellen Zahlen vor. Die offiziellen Zahlen seien mit Vorsicht zu genießen, denn italienische Ermittler sprächen von deutlich mehr Mitgliedern der ‘Ndrangheta in Deutschland. Laut dem Staatsanwalt Nicola Gratteri seien es mindestens 3.000. “Die organisierte Kriminalität begeht nicht nur Kapitalverbrechen, sondern vor allem Verbrechen mit Kapital”, so Mattioli.

Der Seminartag begann mit einem Blick auf die Entwicklungen und die Präsenzen mafiöser Organisationen in Deutschland seit den Morden in Duisburg 2007 durch die kalabrische ‘Ndrangheta. Referent Oliver HuthLandesvorsitzender des Bunds Deutscher Kriminalbeamter NRW, legte den Fokus auf die Bekämpfung familienbasierter Kriminalität. “Wir müssen uns die Frage stellen, wie bekämpfen wir familienbasierte Kriminalität? Italien hat hier sehr gute Ansätze”, so der Experte. “Ich würde nie ein Verfahren führen gegen die Mafia ohne meine italienischen Freunde. Das ist europäische Kriminalität und die muss europäisch bekämpft werden. Wichtig ist sich mit Respekt gegenüberzutreten, Wertschätzung für die Rechtssysteme anderer Länder,” sagte Huth.

Madeleine Henfling, Vizepräsidentin des thüringischen Landtags und Obfrau im Mafia Untersuchungsausschuss 7/1 von Bündnis 90/Die Grünen, warb in dem Gespräch dafür, dass Behörden sich öffnen sollten, um Zivilgesellschaft zu aktivieren. “Wir brauchen einen Kulturwandel in den Sicherheitsbehörden. Das würde uns als Untersuchungsausschuss helfen.”

Henfling erklärte, dass in den öffentlichen Sitzungen des Ausschusses Namen von Hauptbeschuldigten und Restaurants nicht anonymisiert würden. Das Problem dabei sei, dass die Mitgliedschaft in einer mafiösen Vereinigung in Deutschland kaum  verfolgt werde und somit rechtlich gar nicht existiere. Sophie Erdmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Ausschusses von der Linken, wies auf daraus folgende  Schwierigkeiten hin: auch eine Abgeordnete sei deshalb von einer Person verklagt worden. „Es dauerte keine zwei Wochen, bis nach der Informationsveranstaltung zum Thema Mafia die Klage da war.“

Der Nachmittag teilte sich in zwei parallele Themenstränge, die den wichtigsten Wirtschaftszweigen der Mafia-Organisationen gewidmet waren: einmal dem internationalen Rauschgifthandel am Beispiel von Kokain und auf der anderen Seite modernen Geldwäschemethoden. Um mehr über die globalen Vernetzungen von Mafia-Organisationen zu erfahren, führte Sarah David von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH das Publikum auf eine Reise nach Südamerika zu den Anbauern von Koka-Pflanzen und berichtete, wie sie unter der Organisierten Kriminalität litten. Anschließend verfolgte Dr. Zora Hauser von der Universität Oxford die Wege der Droge nach Deutschland und der Journalist Benedikt Strunz untersuchte die Rolle des Hamburger Hafens im Kokainhandel. Im Themenblock Geldwäsche sprach Christine Lustig von der deutschen Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) über Geldwäsche und Organisierte Kriminalität.

Mafianeindanke-Vorständin Ludovica Bölting von Regpit GmbH stellte aktuelle Mafia-Ermittlungen vor. Finanzexperte Dr. Maik Bdeiwi sprach über seine Forschung bei der Geldwäschebekämpfung.

Neben den Vorträgen bot das Seminar den Teilnehmenden viel Raum für Vernetzung und Diskussionen. Zudem stellten sich verschiedene zivilgesellschaftliche Initiativen und Akteur:innen vor, die sich mutig gegen die Mafia einsetzen.

Die Videoaufzeichnungen des Antimafia-Seminars finden Sie auf dem YouTube-Kanal von mafianeindanke.

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Mafianeindanke ist ein gemeinnütziger Verein. Spenden sind immer willkommen und nötig, um dieses aufwändige Seminar zu finanzieren. Wir verweisen dazu auf Betterplace und unsere Webseite.

Über mafianeindanke e.V.: mafianeindanke e.V. wurde 2007 im Zuge der Mafiamorde von Duisburg gegründet. Es ist der größte Verein in Deutschland, der sich gegen Organisierte Kriminalität engagiert. Die weitere Ausbreitung der italienischen Organisierten Kriminalität in Wirtschaft und Gesellschaft zu bekämpfen steht im Fokus der Arbeit. Mafianeindanke setzt sich für eine offene, demokratische Gesellschaft mit fairen Chancen für alle ein. Der Verein sensibilisiert für die Gefahren durch Mafia-Organisationen in Deutschland, bietet Betroffenen und Interessierten Beratung an, erinnert an die Opfer und erarbeitet Gesetzesverbesserungen. Durch mehr als 200 Veranstaltungen und Kleine Anfragen, Veröffentlichungen und weitere Initiativen haben wir das Bewusstsein für das Thema Mafia in Deutschland nachhaltig gestärkt.

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