Mafia-Mörder auf der Flucht

Megalithic Grave Harhoog In Keitum Sylt Germany

Drei Mal stand das Thema italienische Mafia in der vergangenen Woche im Fokus in Deutschland, drei Mal in Verbindung mit einem Mord, und drei Mal kam es zu einer Festnahme. Und dennoch unterscheiden sich die Fälle deutlich, wie wir hier versuchen aufzuschlüsseln.

Ludwigshafen

Die gravierendste Tat ist zugleich die Tat, die am wenigsten Aufmerksamkeit bekam: am 28. August ist in Ludwigshafen der 57 Jahre alte Pino S. in seiner Bar erstochen worden. Pino S. lebte seit einigen Jahren in Deutschland, stammte ursprünglich aber aus Sizilien, aus dem Ort Palma di Montechiaro und damit aus einem Ort, der für seine Mafia-Aktivitäten bekannt ist. In seinem Heimatort auf Sizilien dominierte der Clan Benvenuto-Croce-Calafato das kriminelle Geschehen, die Gruppe beteiligte sich an einer Abspaltung der Cosa Nostra, die Ende der 1980er-Jahre geschah, und aus der die so genannte Stidda hervorging, eine Ansammlung verschiedener Clans.

Italienische Medien berichten, dass S. 2012 für Drogenhandel und Waffenbesitz verurteilt worden war. Recherchen zeigen, dass Pino S. seit wenigen Monaten zusätzlich zu seiner Bar die Geschäftsführung eines Pizza-Lieferdienstes in Ludwigshafen übernommen hatte, dessen Teilhaber er schon länger war.

Ein Mitglied der Familie S. ist in Deutschland wegen Kokainhandels zu einer Haftstrafe von einem Jahr und 11 Monaten verurteilt worden, zugleich befindet sich der Mann wegen anderer Delikte in Italien im Hausarrest.

Die genaueren Umstände, die zu dem Mord an Pino S. führten, sind noch ungeklärt. Zunächst war nach einem dreißig Jahre alten Mann gefahndet worden, der in der Nähe des Tatortes gesehen worden war. In der Zwischenzeit ist ein 25-Jähriger verhaftet worden, der ohne festen Wohnsitz sein soll. Die Ermittler gehen von verschiedenen Hypothesen aus, entweder gab es einen Streit zwischen den Männern oder aber es handelte sich um eine Mafia-Abrechnung.

Bad Urach

Eine weitere Festnahme erfolgte in Baden-Württemberg, und zwar wurde ein Mann in Bad Urach am 30. August 2023 morgens um vier von einem Spezialkommando verhaftet, Luigi L.. Er lebte seit einigen Jahren in Bad Urach. Dass es den Mann in das Städtchen auf der Schwäbischen Alb verschlug, ist nicht sonderlich überraschend. Seit vielen Jahren werden dort immer wieder Angehörige des Clans Giglio verzeichnet, zu dem auf L. gehört. Er wurde in Italien wegen eines 23 Jahre zurückliegenden Mordes gesucht. Ende Januar 2000 war in Strongoli in Kalabrien ein Mann mit dem Versprechen, besonders reines Heroin zu erhalten, in eine Lagerhalle gelockt worden. Der Mann, der 34 Jahre alte Giuseppe C., wurde dann erschossen, während er den Stoff probierte. Die Staatsanwaltschaft in Italien ist überzeugt, dass es sich um eine Mafia-Tat handelt. Nachdem sich Kronzeugen zu der Tat geäußert hatten, erging nun ein Haftbefehl gegen drei Personen: einmal gegen den Clanchef Salvatore G., der bereits in Haft war sowie gegen zwei Männer, denen vorgeworfen wird, die Ausübenden der Tat gewesen zu sein, und zwar Mario F. und Luigi L.

Die italienischen Ermittler haben rekonstruiert, wie der Mord begangen worden sein soll: das Opfer Giuseppe C. soll mit einem Kopfschuss getötet worden sein, anschließend sei seine Leiche auf einem Grundstück in der Nähe des Flusses Neto vergraben worden. Auf dem Weg dorthin fuhr ein weiteres Fahrzeug dem „Leichenwagen“ voraus, um zu überprüfen, ob die Luft rein ist. Nach zwei, drei Jahren, so die Ermittler, sei die Leiche ausgegraben und im Fluss Neto entsorgt worden.

Der Kronzeuge, der zu der Tat aussagte, Francesco T., beschuldigte sich auch selbst. Er sagte, er sei Teil der Gruppe gewesen, die die Tat geplant habe. Er beschrieb auch das Treffen, bei dem er anwesend war und wo die Mordorder ausgegeben wurde. Der Mord an Giuseppe C. führte zu einer Faida, einer Auseinandersetzung zwischen den Clans Giglio und Valente, in deren Verlauf weitere Mafiosi getötet wurden.

Keitum, Sylt

Am meisten Aufsehen erregte die Festnahme von Salvatore C., der wegen Mafia-Mordes in Italien verurteilt worden war. Das mag daran gelegen haben, dass er Zuflucht suchte in einem 1250-Seelen-Nest auf Sylt. C. war verurteilt worden, weil er im Mai 2003 auf einem Hotelparkplatz in Paola in Kalabrien Pietro Serpa ermordet hatte, damals der Chef des Clans in Paola. Seit November 2020 wurde C. gesucht, damals wurde das Urteil gegen ihn letztinstanzlich bestätigt. Serpa wurde im Rahmen einer Auseinandersetzung zwischen zwei Clans getötet, wie sein Cousin, der Kronzeuge Giuliano Serpa berichtete. Sieben Männer starben bei dieser Faida, die zu einer juristischen Besonderheit führte: Nella S., die Schwester des Ermordeten, war im Rahmen des Paragraphen 41 bis zu einer Haftstrafe mit besonderen Bedingungen verurteilt worden, als einzige Frau überhaupt in Italien. Sie hatte nämlich nach dem Tod ihres Bruders die Führung des Clans übernommen und nach Aussagen von Giuliano Serpa auch eine längere Liste mit Personen erstellt, die er umbringen sollte.

Salvatore C. führte seine Flucht nach Keitum auf Sylt. C. hatte zunächst als Rettungsschwimmer gearbeitet, bevor er dann in einem noblen Hotel als Masseur wirkte. Medienberichten zufolge wurde ihm sogar eine Leitungsfunktion angeboten, doch dazu kam es nicht mehr, die Festnahme kam dem zuvor. Italienische Ermittler hatten die Telekommunikation seiner Freunde überwacht und waren ihm so auf die Spur gekommen. Deutsche Medien veröffentlichten auch Bilder, die ihn bei der Arbeit auf Sylt zeigen. Auffallend sind dabei auch seine Tattoos auf den Händen. Es ist davon auszugehen, dass diese einen Bezug zu seiner Mafia-Mitgliedschaft haben.

Fazit

Den Strafverfolgungsbehörden ist zu gratulieren zu diesen Erfolgen. Allerdings zeigen diese drei Fälle, dass viele Fragezeichen bleiben, die durch die Ermittlungen nicht geklärt werden; für die Ermittlungen ist ja mit der Festnahme der Täter die Aufgabe erfüllt. Warum haben die Flüchtigen Deutschland gewählt? Warum diese Orte? Wie kann man künftig verhindern, dass Mafia-Mörder in Deutschland untertauchen? Der Mord in Ludwigshafen, so er ein Mafia-Mord ist, führt uns wieder vor Augen, dass wir bei der statistischen Erfassung von Mafia-Aktivitäten in Deutschland schlecht aufgestellt sind. Es gibt keine zentrale Datensammelstelle, nicht einmal wenn es um solch kapitale Straftaten geht. Deswegen setzen wir uns dafür ein, dass eine zivilgesellschaftliche Beobachtungsstelle diese Lücke füllt. Dazu zeigten viele Anfragen von Medienvertreter*innen an mafianeindanke, dass großer Bedarf ist an vertiefender Information. Wir organisieren daher unser großes Antimafia-Seminar 2023, am 18. November in Köln. Dafür benötigen wir noch Geld, unterstützen Sie uns gerne mit einer Spende (natürlich steuerlich absetzbar!).