Mafia-Aktivitäten in Österreich und der Schweiz (Jan-Juni 2022)

Dia

Im April 2023 hat das italienische Antimafia-Kriminalamt Direzione Investigativa Antimafia (DIA) seinen Bericht über das erste Halbjahr 2022 veröffentlicht. Darin beschreibt und analysiert es seine Ermittlungen und deren Ergebnisse im Berichtszeitraum. Neben umfangreichen Kapiteln über die Aktivitäten der einzelnen Mafia-Organisationen in den italienischen Regionen gibt es auch Kapitel über deren Tätigkeiten im Ausland. Das längste Kapitel ist Spanien gewidmet, gefolgt von Deutschland. Auch Österreich und die Schweiz werden mit eigenen Kapiteln bedacht.

Die DIA unterstreicht „die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit, um die Wirksamkeit des Kampfes gegen kriminelle Organisationen zu maximieren, die heute systematisch über nationale Grenzen hinweg agieren. In dieser Hinsicht verfolgt die DIA den internationalen Kampf gegen die Mafia mit größtem Engagement, nicht nur auf operativer Ebene, sondern auch durch eine energische Sensibilisierungsarbeit bei den ausländischen Gesprächspartnern. Ein Engagement, das sich auf das wichtige Projekt des Operativen Anti-Mafia-Netzwerks @ON stützt, dessen Gründer, Förderer und Projektleiter die DIA ist und dem der spezifische Fokus gewidmet ist.“

Um die Informationen des DIA-Berichts der deutschsprachigen Öffentlichkeit zugänglich zu machen, haben wir die Kapitel über Deutschland sowie Österreich und die Schweiz übersetzt und veröffentlichen sie auf unserer Webseite. Der 453 Seiten starke Originalbericht auf Italienisch ist auf der Webseite der DIA erhältlich.

Schweiz

„Um die Praxis des illegalen Kapitaltransfers in die Eidgenossenschaft zu bekämpfen, wurde im Jahr 2015 die bilaterale Zusammenarbeit mit der Schweiz mit Unterzeichnung eines „Memorandum über den Austausch von Finanzinformationen in Steuersachen“ verstärkt.

Darüber hinaus nahm der Bundesrat im Jahr 2019 die im Zeitraum 2020–2023 entwickelte Strategie des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) zur Verbrechensbekämpfung zur Kenntnis. Die italienische Mafia wird seitdem als ernst zu nehmende Bedrohung für die Schweiz angesehen, und es wird darauf hingewiesen, dass letztere seit mehreren Generationen und in verschiedenen kriminellen Sektoren im Land tätig ist. Es wird auch darauf hingewiesen, dass die italienische organisierte Kriminalität die administrativen und wirtschaftlichen Gefüge der Schweiz infiltriert haben könnte, was eine Bedrohung für die Institutionen und die Wirtschaft des Bundes darstellt. Diese neue Strategie sieht schließlich auch eine Zusammenarbeit mit dem Bankensektor mit dem Ziel der Bekämpfung von Geldwäsche vor; sie schließt die Verfolgung von Geldströmen bis zur Aufdeckung von Werterträgen aus Straftaten ein und stellt außerdem sicher, dass Straftätern die Verfügung über unrechtmäßig erlangte Erträge verweigert wird.“

Österreich

„Österreich ist fester Bestandteil der sogenannten „Balkanroute“ und verzeichnet die Präsenz zahlreicher krimineller Organisationen aus osteuropäischen Ländern, die sich dem Drogenhandel widmen, insbesondere dem Handel von aus der Türkei importiertem Heroin. Jüngste Ermittlungsaktivitäten haben gezeigt, dass dieselbe „Route“ auch im internationalen Verkehr von Erdölprodukten verwendet wird; entsprechende Kontingente werden nicht nur den in Österreich befindlichen Raffinerien entnommen, sondern auch in Slowenien, der Tschechischen Republik und Ungarn befindlichen, um dann in den italienischen Markt eingespeist zu werden.

In diesem Zusammenhang führte am 13. April 2022 ein von den Justizbehörden Treviso koordinierter Einsatz der Kriminalpolizei zur Beschlagnahme einer beträchtlichen Menge geschmuggelten Diesels, der an Bord von drei Sattelzügen aus Österreich und Deutschland auf italienischem Hoheitsgebiet ankam. Im Laufe der Ermittlungen hat sich gezeigt, dass die Fahrer der Sattelzüge nach der Einreise und zur Tarnung ihres kriminellen Verhaltens die Behauptung in den Raum stellten, nicht näher bezeichnete chemische Substanzen zwischen den Provinzen Neapel und Bari zu befördern, wobei sie unvollständige Transportbegleitpapiere vorlegten, auf denen Phantomfirmen mit Sitz in Bulgarien, Holland, Malta, der Tschechischen Republik und Deutschland aufgeführt waren.

Wenngleich keine Beweise für die Präsenz italienischer mafiöser Organisationen auf dem Staatsgebiet gewonnen werden konnten, so haben die jüngsten Operationen „Galassia“ und „Game Over“ zumindest ermöglicht, die Präsenz krimineller Gruppen zu erfassen, die mit der ’ndrangheta und der Cosa Nostra in Verbindung stehen und ihre kriminellen Interessen im Bereich Geldwäsche mit Immobilieninvestitionen und mit der Wiederverwendung illegaler Erträge aus dem Wettsektor diversifiziert haben. Einige im Berichtszeitraum beendeten kriminalpolizeilichen Tätigkeiten unterstreichen die Präsenz italienischer Kriminalität auf österreichischem Hoheitsgebiet. In der Tat gelang es im Zuge der von den Justizbehörden Ancona geleiteten Operation „Alchimista“, am 20. Januar 2022 eine betrügerische Vereinigung zu identifizieren, die Beziehungen zu Banken in Österreich, Großbritannien und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterhielt. Die komplexen Ermittlungsarbeiten führten zur Identifizierung eines in der Schweiz ansässigen Täters aus Fabriano, Italien, der eine rechtswidrige Tätigkeit als Finanzvermittler ausübte und ein ausgeklügeltes Betrugsgeschäft der Art Schneeball-System („Ponzi“) auf die Beine gestellt hatte, mit dem einer erheblichen Anzahl von Sparern ein Schaden zugefügt wurde; er verfügte über Unternehmen mit Sitz in Italien und der Schweiz sowie über ein weitverzweigtes Netzwerk von Mitarbeitern, die auf dem Staatsgebiet tätig waren.

Darüber hinaus wurde in einer Operation gegen den Drogenhandel, die „#Continuoaspacciare“ benannt wurde, am 15. März 2022 eine sehr aktive kriminelle Vereinigung ausgehoben, die in vier miteinander verflochtenen Gruppen aufgeteilt war, denen hauptsächlich Täter albanischer, italienischer und maghrebinischer Herkunft angehörten; die kriminelle Vereinigung hatte sich das Drogengeschäft in den Provinzen Trient und Bozen untereinander aufgeteilt und darüber hinaus Beziehungen nach Österreich unterhalten, wohin ein Teil der riesigen „verwalteten“ Drogenmengen exportiert wurde. Ferner ermöglichten die Ermittlungen im Zuge der Operation „Free credit“, am 13. April 2022 eine gut strukturierte kriminelle Vereinigung mit operativem Sitz in Rimini zu identifizieren, die jedoch über das gesamte Staatsgebiet verzweigt war und die Erträge aus einem großangelegten Betrug gegen den italienischen Staat in Kryptowährungen gewaschen hatte; die Kryptowerte wurden, um ihren Transfer zu verhindern, in einem digitalen wallet aufbewahrt, während Gold, Platin und Luxusuhren in Österreich in einem Schließfach aufbewahrt wurden.

Was die aus Kampanien stammende Kriminalität betrifft, so gibt es kriminelle Vereinigungen, die mit der Camorra verbunden sind und den Waffenhandel über die Landgrenze in der Provinz Udine abwickeln (z. B. den Clan GIONTA-ASCIONE-PAPALE-IANUALE-ELIA).“

Foto: Direzione Investigativa Antimafia