August 2017 – Luigi geht mit seinem Bruder Aurelio zum Arbeiten auf die Felder bei Foggia; wenig später werden die beiden von der apulischen Mafia ermordet. Von dieser hört und liest man so wenig, ganz als ob sie eine Mafia zweiter Klasse wäre. Das einzige Vergehen der Brüder war, dass sie kurz zuvor unfreiwillig Zeugen einer zweifachen Straftat des mutmaßlichen Bosses von Manfredonia und seines Schwagers geworden waren. Dies ist nur ein weiterer Fall, der in den Schlagzeilen landet, in einer Region, in der das Problem oft als zweitrangig angesehen wird: In der landläufigen Vorstellung und in der Politik zur Bekämpfung betrifft der Mafia-Notstand die Regionen Sizilien, Kalabrien und Kampanien. In Wirklichkeit aber ist die Situation in Apulien viel ernster als es scheint. Der nationale Antimafia-Staatsanwalt Franco Roberti spricht von 300 Morden in 30 Jahren, und für den Großteil davon wurden die Täter nicht ermittelt und bestraft.
Noch immer kann man im Bericht der Nationalen Antimafia-Behörde von 2017 lesen, dass die Ausbreitung der Sacra Corona Unita nicht eingedämmt wurde – obwohl die Organisation vielfache strukturelle Veränderungen durchgemacht hat, auch als Reaktion auf die Maßnahmen zur Bekämpfung durch die Polizei und Gerichte. Im Gegenteil: Sie kümmert sich weiterhin um ihre kriminellen Aktivitäten, allen voran um Waffen- und Drogenhandel.
In Folge des doppelten Mordes von Foggia hat der italienische Innenminister Marco Minniti 192 Mann Verstärkung für die Polizeikräfte angekündigt und eine harte Bekämpfung der örtlichen Kriminalität versprochen. In der Realität ist die Verstärkung nicht so vor sich gegangen wie vorgesehen: Lange Verspätungen und eine stetige Reduzierung der ministeriellen Versprechen kennzeichneten die staatliche Antwort auf den Notstand in Apulien. Außerdem war die Verstärkung für alle Polizeikräfte nur für einen provisorischen Zeitrahmen vorgesehen. Angesichts dieser Situation hielt das Generalkommando der Carabinieri in Foggia eine dauerhafte Umstrukturierung der Polizeiarbeitsgruppen und der lokalen Untersuchungseinheiten für angebracht. Die neue Ordnung nach diesen Maßnahmen entspreche vor allem den Bedürfnissen der Region, ihr Ziel sei eine höhere Kontrolle der Polizeikräfte über die Gegend.
Die apulische Unterwelt ist heute eine komplexe Wirklichkeit: sie besteht aus einer Vielzahl krimineller Vereinigungen, die in einer einzigen kriminellen Organisation zugeordnet werden, der Sacra Corona Unita. Diese Organisation hat laut einem Bericht von 2014 ihre Vorläufer in den späten 70er Jahren. Kürzlich hat die Antimafia-Untersuchungsdirektion in ihrem halbjährlichen Bericht dreizehn aktive Familien-Organisationen in Apulien genannt: „Derartige Gruppen, von der jede eine bestimmte Gegend beherrscht (die häufig mit einem Viertel oder einem Bezirk übereinstimmt), sichern sich meistens – in Ermangelung eines Bosses oder gemeinsamer Regeln – mit Gewaltaktionen das Geschäft von Dealern und Drogenhandel sowie den Markt der Erpressungen.“
Es gibt es keine genauen Zahlen über die Geschäfte der apulischen organisierten Kriminalität in Deutschland. In Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Juli diesen Jahres hat die Bundesregierung angegeben, über Aktivitäten der apulischen Unterwelt im Bereich von Drogenhandel und dem Fälschungsmarkt Bescheid zu wissen. Offenbar sind die Gruppen aber auch hier rege aktiv: In den letzten zehn Jahren sind mindestens sechs Untersuchungen gegen Mitglieder der Sacra Corona Unita auf deutschem Boden durchgeführt worden, und wie immer decken Ermittlungen nur die Spitze des Eisbergs ab.