Der Glücksspielstaatsvertrag 2021 ist von den Länderparlamenten ratifiziert – Mit einer Aufsicht auf dem Papier und offenen Türen für illegale Zahlungsströme, Geldwäsche und Organisierte Kriminalität –
Der saarländische Landtag legt als einziges Länderparlament den Finger in die Wunde
Bereits mehrfach hat Mafianeindanke über den Glücksspielstaatsvertrag 2021 der Länder berichtet, der erstmals Glücksspielangebote im Internet in der gesamten Bundesrepublik zulässt. Aufgrund seines unzureichenden bzw. defizitären Regelungsinhalts wird er nicht nur dafür sorgen, die Gewinne der Glücksspielanbieter, auch auf Kosten der Spielsüchtigen, deutlich zu steigern. Er wird zusätzlich das wirtschaftliche Betätigungsfeld mafiöser Strukturen erhöhen, weil illegale und intransparente Zahlungsströme mit den Instrumenten des Glücksspielstaatsvertrags nicht unterbunden werden können. Mit dem zum 1. Juli 2021 in Kraft tretenden neuen Glücksspielstaatsvertrag wird vor allem das bisher geltende, allerdings aufgrund einer unqualifizierten Glücksspielaufsicht oft unterlaufene Verbot von Online-Casinospielen aufgehoben. Bereits jetzt hat Mafianeindanke belastbare Erkenntnisse darüber, dass Angehörige der Mafia in Deutschland in diesem Geschäftsfeld aktiv sind und dafür diverse Abwicklungsstrukturen des Zahlungsverkehrs nutzen. Sie können dies unbesorgt weiter tun.
Im Hauruckverfahren wurde die Ratifizierung des Vertrags in den letzten Wochen von den Bundesländern -mit den Stimmen der Oppositionsparteien – durchgewunken. In den meisten Bundesländern wie Berlin oder Brandenburg sogar ohne parlamentarische Aussprache. In Gesprächen mit Parlamentariern in den Bundesländern, die mafianeindanke geführt hat, wurden zwar viele unserer Kritikpunkte geteilt. Dies hat jedoch nicht dazu geführt, im Ratifizierungsverfahren auf qualitative Verbesserungen im Normtext oder wenigstens untergesetzlich auf eine konsequente, bisher jedoch noch völlig im Dunkeln tappende Implementierung des Staatsvertrags zu drängen. Dies lässt gerade bei Parteien wie den Grünen und der Linken aufhorchen, die im Widerspruch zu ihrer jetzt auf Länderebene in den Länderparlamenten an den Tag gelegten Zurückhaltung die Bundesregierung wegen ihrer unzureichenden Schritte gegen die Organisierte Kriminalität und der Geldwäsche ins Dauerfeuer nehmen.
Ganz anders das Agieren der Abgeordneten im saarländischen Landtag – und zwar fraktionsübergreifend. Geradezu vorbildlich hat die Vertretung der Bürgerinnen und Bürger dort die Pflichten eines Parlaments erfüllt. Kein Landtag hat sich mit seiner auf 2 Tage angesetzten Anhörung so viel Zeit für diese Thematik genommen. Es kamen nicht nur die Lobbyisten zu Wort, die beim Inhalt des hinter den Kulissen zusammengezimmerten Staatsvertrags ohnehin schon mächtig souffliert haben und ihre Interessen durchsetzen konnten. Auch Kritiker aus Wissenschaft und Nichtregierungsorganisationen wurden gehört. Darunter auch ein Vertreter von mafianeindanke.
Am 14.4. 2021 hat das Saarland dem Staatsvertrag als 14. Bundesland zugestimmt. Allerdings mit schwersten Bedenken, mit offenem Widerwillen und gezwungenermaßen, wie alle Parteien öffentlich erklärten. Da vor dem Saarland bereits 13 Länder zugestimmt hatten, war das Quorum für die Ratifizierung erreicht. Hätte das Saarland dagegen gestimmt, hätte dies den Staatsvertrag nicht aufhalten können. Dann hätte das Saarland zudem ein eigenes Regionalgesetz zur Regelung des Glücksspiels bis Ende Juni verabschieden müssen. Das negative Beispiel Schleswig-Holstein und damit die Zweiteilung des Glücksspielmarkts in Deutschland hätte sich damit wiederholt. In diesem Bundesland ist das Online-Glücksspiel – anders als in den übrigen Bundesländern – seit 2011 nur für Landeskinder zugelassen – faktisch unbeaufsichtigt und pikanterweise mit einer höheren Anzahl von Spielern als Schleswig-Holstein Einwohner hat.
“Eigentlich hätten wir lieber an einem staatlichen Glücksspielmonopol festgehalten”, sagte der Abgeordnete Raphael Schäfer (CDU). “Wir werden dem Staatsvertrag zustimmen, wenn auch mit Bauchweh.” In zentralen Punkten sei man anderer Meinung als viele Kollegen in den anderen Bundesländern. Am deutlichsten haben die Regierungspartner SPD und die oppositionelle Linke im Saarland ihre Kritik am Staatsvertrag formuliert. SPD-Fraktionschef Commerçon fand es gegenüber dpa „fatal, wie leichtfertig hier mit dem Glücksspielbereich umgangen wurde, angefangen bei der Art und Weise, wie dieser Glücksspielstaatsvertrag ausgehandelt wurde. Mit wenig Sachverstand und Expertise sollte dieser Gesetzesentwurf schnell abgewickelt werden“. “Der Entwurf schützt nicht die Interessen der Menschen, er schützt die Interessen der Glücksspiel-Lobby und bietet keinen ausreichenden Schutz vor Geldwäsche”, sagte der Abgeordnete Dennis Lander (Linke). Anders als die übrigen Parteien wolle man mit einem „Nein“ ein Zeichen setzen.
Der Staatsvertrag kann damit am 1. Juli 2021 in Kraft treten. Die in Halle für die gesamte Republik zentralisierte Aufsicht über das Online-Glücksspiel soll jedoch erst 15 Monate später ihre Aufsicht aufnehmen und dann auch Lizenzen vergeben. Das heißt nicht, dass bis dahin die Aufsicht operabel sein wird. Es fehlt an allem: an qualifiziertem Personal und bis heute an einem tragfähigen Aufsichtskonzept. Gerade gegen den Schwarzmarkt im Online-Glücksspiel. Bis dahin herrscht ein rechtsfreier Zustand. Den Betreibern von Online-Glücksspielen kann es egal sein, dass die Lizenzen erst 2022 vergeben werden. Die Staatskanzleien dulden entgegen aller rechtsstaatlichen Prinzipien und entgegen der Praxis von Staatsanwaltschaften das von Betreibern ohne Erlaubnis betriebene und damit illegale Online-Glücksspiel, soweit sie „im Vorgriff“ den neuen Glücksspielstaatsvertrag einhalten. Recherchen der Tagesschau belegen jedoch, dass dies vielfach nicht der Fall ist und Verstöße nicht sanktioniert werden. Wildwest in deutschen Bundesländern – nach dem Geschmack der Glücksspiel-Lobby und mit dem Segen der Staatskanzleien.
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