Der Deutsche Bundestag doktert an Symptomen herum
Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, dem der Bundesrat im November 2019 zugestimmt hat, hat der deutsche Gesetzgeber diese Richtlinie implementiert. Damit kann das Umsetzungsgesetz im Januar 2020 in Kraft treten.
Diese EU-Richtlinie schließt einige Regelungslücken bei den geldwäscherechtlichen Sorgfaltspflichten, die in der Vorgängerrichtlinie unberücksichtigt geblieben sind. Was die neue, geldwäscherechtliche Regulierung von Kryptowährungen (Bitcoin, Ripple etc.) anbelangt, ist der deutsche Gesetzgeber korrekterweise über den Mindeststandard der Richtlinie hinausgegangen und hat ein tragfähiges Rahmenwerk für Verwahrer und Verwalter von Kryptowerten nicht nur gegen Geldwäsche, sondern auch für die Solvenzaufsicht geschaffen.
Problematisch und kritikwürdig ist jedoch, dass der deutsche Gesetzgeber die Gelegenheit vertan hat, mit diesem Umsetzungsgesetz offenkundige Einfallstore für Geldwäsche in Deutschland wirksam zu schließen. Diese betrifft insbesondere den Immobiliensektor, der selbst nach der vom Bundesministerium der Finanzen jüngst veröffentlichten Risikoanalyse für die Investition illegal im In- und Ausland erwirtschafteten Kapitals eine bedeutende Rolle bei der Geldwäsche in Deutschland spielt und als Hochrisikofaktor einzustufen ist. Dies wäre mit vergleichsweise einfachen Maßnahmen, worauf mafianeindanke in Stellungnahmen und Formulierungsvorschlägen sowie in öffentlichen Veranstaltungen immer hingewiesen hat, möglich gewesen (https://mafianeindanke.de/wie-man-die-investition-illegaler-gelder-auf-dem-immobilienmarkt-mit-zielfuehrenden-massnahmen-des-gesetzgebers-verhindern-kann/).
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) sieht durch das Gesetz eine „Verstärkung der Geldwäschebekämpfung im Immobilienbereich“ sichergestellt. Diese Bewertung steht auf tönernen Füßen. Bei näherer Analyse stellt sich heraus, dass es sich dabei um Marginalien handelt. Im Immobilienbereich bezieht das Gesetz den Immobilienerwerb durch öffentliche Versteigerungen in den Maßnahmekatalog gegen Geldwäsche mit ein. Auch Amtsgerichte als Versteigerer haben nunmehr die Sorgfaltspflichten des Gesetzes zu beachten. Soweit das BMF meint, dass die Verdachtsmeldepflichten für Notare im Gesetz „konkretisiert und geschärft“ wurden, ist dies reichlich übertrieben. Die Art und Weise der „Schärfung“ für Notare ist offen, weil diese nicht durch das Gesetz, sondern erst über eine Verordnung erfolgen soll, deren Inhalt noch gar nicht bekannt ist. Bereits nach gegenwärtiger Rechtslage (§ 43 Abs. 5 GwG) konnte die Financial Intelligence Unit (FIU) im Benehmen mit den Aufsichtsbehörden typisierte Transaktionen im Verordnungswege bestimmen, die (unabhängig von einem Verdacht) an die FIU von Notaren zu melden sind. Allerdings wurde von dieser Verordnungsermächtigung in der Praxis seit Jahren überhaupt kein Gebrauch gemacht. Also ein schlechtes Omen für die von BMF angekündigte „Schärfung“.
Die auf Vorschlag der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche im Immobiliensektor greifen zu kurz, um diese hohen Risiken einzudämmen. Daran ändert auch die Schaffung einer Eintragungspflicht ausländischer Gesellschaften im Transparenzregister bei Immobilienerwerb in Deutschland nichts, die nachträglich auf Vorschlag des Bundesrates in den Gesetzesentwurf aufgenommen worden ist. Dies wird schon deshalb nicht ausreichen, weil der Kauf von Immobilien durch Käufer in Deutschland völlig ausgenommen worden und in der Vergangenheit vollzogene Grundstückskaufverträge gar nicht erfasst sind. Zumindest für Aufsichts- und Steuerbehörden sowie für die Kommunen hätte ein uneingeschränktes Auskunftsrecht gegenüber allen im Grundbuch erfassten Eigentümern über die wahren Eigner geschaffen und mit Verwaltungszwangsmaßnahmen (Grundstücksbeschlagnahme etc.) unterlegt werden müssen, um Wirkung zu entfalten. Dieser Vorschlag von mafianeindanke wurde lediglich von der Linken in den Berichterstattergesprächen übernommen.
Mit der Transparenz über Eigentümerstrukturen im Immobilienmarkt ist es deshalb auch in Zukunft nicht weit her. Nach den Recherchen von Christoph Trautvetter (Netzwerk Steuergerechtigkeit) ist die Eigentümerstruktur jedes zehnten bis zwanzigsten Gebäudes in Berlin vollkommen anonym. Aufsichts- Steuer- und Ermittlungsbehörden haben keine Möglichkeit, die tatsächliche Eigentümerstruktur abzuklären. Bei einem Gesamtwert der Berliner Wohnimmobilien von ca. 350 Milliarden Euro geht es also um Vermögenswerte von 15 bis 30 Milliarden Euro – allein in Berlin. Die zehn Millionen Euro des Clans, die 2018 in Berlin sichergestellt wurden, sind also nicht die Spitze des Eisbergs, sondern höchstens eine kleine Schneeflocke. Trautvetter bezog sich dafür bei einer Anhörung im Finanzausschuss auf ein beredtes Beispiel aus dem Berliner Immobiliensumpf: Eine libanesische Vermögensverwaltungsgesellschaft investierte 500 Millionen Euro in Berliner Immobilien. Diese kontrolliert über eine auf den Britischen Jungferninseln registrierte Gesellschaft die Immobilien in Berlin, darunter ein Gebäude, das von der Berliner Finanzverwaltung genutzt wird! In diesem Fall hat kein Notar eine Verdachtsmeldung gegenüber der FIU erstattet. Und im Transparenzregister finden sich zu dieser Gesellschaft nichts.
Nur mit Kopfschütteln oder Zynismus kann der Verzicht des Gesetzgebers auf eine Regelung zur Kenntnis genommen werden, die nach den üblichen EU-Standards vorsehen müsste, dass der Kaufpreis für den Erwerb eines Grundstücks nicht bar bezahlt werden kann, sondern aus Transparenzgründen über ein Notaranderkonto fließen muss. Dies war früher auch in Deutschland vor Änderung des Beurkundungsgesetzes zwingend. Es gibt seit seiner Abschaffung keine Kontrolle mehr über den genauen Geldfluss zwischen Käufer und Verkäufer bei Immobilientransaktionen. Eine Reaktivierung dieser gesetzlichen Vorgaben wurde von mafianeindanke gefordert, aber vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen, da jede Einschränkung der Bargeldnutzung in Deutschland bei Regierung und Teilen der Opposition aus ideologischen Gründen inzwischen einem Taboobbruch gleichkommt („Bargeld ist Freiheit“). Grundstücke können also in Deutschland weiterhin mit Bargeld aus dem Rindslederkoffer gekauft werden. Kein EU-Staat lässt so etwas zu, in Bananenrepubliken schon.
Das Ergebnis in Sachen wirksamer Geldwäschebekämpfung ist somit in Bezug auf dieses Gesetzgebungsverfahren ernüchternd. Aber es gibt keinen Grund, hier gegenüber der Bundesregierung locker zu lassen. Die Umsetzung der 6. EU-Geldwäscherichtlinie steht in Deutschland im nächsten Jahr an. Mafianeindanke wird diese eklatanten Lücken im deutschen Anti-Geldwäscheregime dann wieder öffentlichkeitswirksam zur Sprache bringen werden.