Corona-Kredit von der Mafia

Bild Mafia Kreditwucher In Augsburg

Es ist kaum bekannt in Deutschland, dass Augsburg für die ’ndrangheta eine gewichtige Rolle spielt. Ein Blick in Corona-Zeiten nach Bayern zeigt nun auch, dass die Clans aus Italien strategisch genauso wie in ihrer Heimat agieren: Auch hierzulande bieten mutmaßliche Mafiosi Gastwirten, die wegen der Pandemie in Schwierigkeiten geraten sind, Kredite an. Seit langem warnen Ermittler*innen in Italien und mafianeindanke in Deutschland vor dieser Gefahr (siehe auch der Artikel vom April 2020). Die Alarmglocken sollten schrillen.

Dass die Mafia in Augsburg seit Langem heimisch ist, ist den Sicherheitsbehörden bekannt. Analysen des BKA über die ’ndrangheta in Deutschland, die die Behörde nach dem Duisburger Sechsfach-Mord erstellt hat, listeten schon 2008 mehrere Familien in der schwäbischen Stadt auf. Einige der erwähnten Personen sind in der Gastronomie tätig. Auch in der jüngeren Geschichte finden sich zahlreiche Belege: Ein Boss des Clans Farao wurde laut Ermittlungsakten zur Operation Stige auch in Augsburg lokalisiert. Die Aktion gegen die ’ndrangheta führte im Januar 2018 zur Verhaftung von rund 170 Mitgliedern und Unterstützern der ’ndrangheta, die Ermittler legten dabei einen der Schwerpunkte auf Deutschland.

Ein weiterer massiver Schlag gegen die ’ndrangheta, die italienische Operation Aemilia, und deren gerichtliche Aufarbeitung wiesen erneut nach Augsburg – und auf mehrere Personen, die dort leben. In den Akten wird beispielsweise berichtet, wie eine hochrangige Mafia-Abordnung aus Italien in einem Kleinbus zur Hochzeit des Sohnes eines Mannes anreiste. Kalabrisches Süßgebäck sollten die Männer mitbringen. Über den Vater des Bräutigams schreiben italienische Ermittler, er sei eine wichtige Person der Gruppe aus Cutro, die sich in Augsburg angesiedelt hat (Cutro ist ein Ort im Süden Kalabriens) und fungiere als Verbindungsglied der deutschen Mafia-Gruppe mit Italien. Der Mann stehe in Verbindung mit dem Leitungsgremium der ’ndrangheta in Deutschland, ist zu vernehmen, der so genannten Camera di Controllo. Da die Person in Augsburg in der Szene bekannt ist, ist es uns aus rechtlichen Gründen nicht möglich, sie genauer zu beschreiben. Ihr Name und weitere Details sind der Redaktion des Antimafia-Newsletters aber natürlich bekannt.

Die Familie dieses Mannes betreibt ein Restaurant. Er selbst verfolgt eine andere Arbeit, deren Honorierung im eher niedrigen Bereich angesiedelt ist. Reich dürfte er damit kaum werden. Quellen berichten, dass er dennoch mehrere Wohnungen in Augsburg erworben hat und auch Restaurants vermittelt, wie im Falle eines festgenommenen und nach Italien ausgelieferten Mannes. Aus Italien ist auch bekannt, dass er ein landwirtschaftliches Grundstück besitzt. In Augsburg verkauft der Mann Oliven, Olivenöl und andere Produkte an Gastwirte in der Region.

Gesichert ist, dass er Gastwirten schon seit längerer Zeit auch Kredite anbietet. Wie all dies mit seinem Einkommen möglich ist, ist mehr als fraglich. Die Vermutung liegt nahe, dass das Clan-Mitglied nicht selbst erwirtschaftetes Vermögen verleiht, sondern Mafia-Geld. Nun, seit der Corona-Pandemie, macht er verstärkt seine Runden und bietet „seine Hilfe“ an. Er spricht Gastwirte an, verweist auf nur zögerliche gezahlte Hilfsleistungen in der Corona-Pandemie vonseiten des deutschen Staates. Auch wenn Banken keine Kredite gewähren würden, stünde er bereit, allerdings zu einem höheren Zinssatz.

Dieses Vorgehen ist eindeutig illegal, außer, der Mann besitzt eine schriftliche Erlaubnis der BaFin. Davon ist nicht auszugehen. Für eine Strafverfolgung müssten allerdings Kreditzahlungen belegt werden können. Ob aber Kreditnehmer die Zahlungen bestätigen, sei dahingestellt. Denn die Gruppe der Italiener in Augsburg ist überschaubar, der Mafia-Hintergrund des Geldgebers vermutlich den allermeisten bekannt.

In Italien waren Antimafia-Ermittler seit langem davor, dass die Mafia-Clans die Notlage von in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Unternehmen für sich nützen. Eine dort bekannte Masche der Kriminellen ist, die betroffenen Unternehmen mit Kapitalspritzen zu unterstützen. Können diese Gelder dann nicht mehr zurückgezahlt werden, wechselt das Unternehmen den Eigentümer. Von außen ist das kaum zu erkennen, denn sowohl der Name der Unternehmen wie auch die beschäftigten Personen bleiben die gleichen. Lediglich der wirtschaftlich Berechtigte wechselt, also die Person, die von den Geschäftserlösen profitiert. Den Clans bietet das dann die Möglichkeit, diese Unternehmen für ihre Zwecke zu nutzen, etwa für die Geld-„Wäsche“.

In Deutschland ist ein solches Vorgehen bisher nicht bekannt geworden. mafianeindanke hat nun Kenntnis davon erhalten, dass auch in Deutschland die Mafia versucht, aus der Corona-Pandemie Profit zu schlagen. Wir konnten die Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. Was in Augsburg Praxis ist, mag auch anderswo vorkommen, die Dunkelziffer ist wahrscheinlich hoch.

Gerade für Deutschland ist zu befürchten, dass die italienische Organisierte Kriminalität diese dank der Covid-Pandemie sich bietenden Chancen sich nicht entgehen lässt. Denn das Bewusstsein für mafiöse Investments ist hierzulande nur gering ausgeprägt. Entsprechende Kontrollmechanismen sind daher kaum vorhanden. In Italien können Präfekt*innen sogar die Prüfung der Rechnungslegung und Geldflüsse von Unternehmen anordnen, wenn mafiöse Umtriebe zu vermuten sind, um nur ein Beispiel zu nennen.

Die Gefahr in Deutschland abzuwenden, ist auf die Schnelle nicht einfach. Wichtig wäre es, alle staatlichen Stellen für diese spezielle Situation zu sensibilisieren. Auf lange Sicht sollten auch für Deutschland entsprechende Prüfmöglichkeiten geschaffen werden, wenn der Verdacht vorliegt, dass Akteur*innen der Organisierten Kriminalität in geschäftliche Veränderungen involviert sind.

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Zu diesem Thema empfehlen wir auch die Aufzeichnung der Veranstaltung „Mafia, bei uns?! Deutschland, Oase für Geldwäsche“ (Youtube) sowie die dazugehörige Zusammenfassung auf der mafianeindanke-Website.

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