Don Luigi Ciotti, ein sozial engagiertes Leben

2709af39 F9f1 473a Aba9 83075b336a69

Am Freitag dem 8. Juni hat der italienische Sender RAI-3 einen Dokumentarfilm von Paolo Santolini mit dem Titel „So auf Erden“ über das Leben von Don Luigi Ciotti gezeigt, eine der wichtigsten Figuren des sozialen Engagements in Italien. Er ist Priester, Gründer von “Libera” und steht wegen seines täglichen Kampfes gegen die organisierte Kriminalität seit über zwanzig Jahren unter Personenschutz. Don Ciotti gilt in Italien als ein herausragendes Beispiel des persönlichen Engagements gegen jegliche Art der Ungerechtigkeit.

Der Regisseur hat Don Ciotti und seine Personenschützer über mehr als zwei Jahre sowohl auf öffentliche als auch auf private Anlässe begleitet und wechselt so in seiner Dokumentation zwischen Momenten der Gemeinsamkeit und Momenten des Rückzugs und des Nachdenkens. So alternieren die Bilder und Töne zwischen dem öffentlichen Leben auf den Piazzas und intimen, einsamen Momenten im Auto, immer in Bewegung von der einen zur anderen Seite Italiens. Der rote Faden des Dokumentarfilms ist eine Reise, nicht allein eine physische unter den Gegebenheiten mit denen Don Ciotti konfrontiert ist, sondern auch eine persönliche Reise des Priesters zwischen den Entscheidungen und den Menschen, welche er trifft und täglich hilft.

Was sich aus Santolinis Dokumentarfilm ergibt, ist die Stärke eines Mannes, der sein Leben als eine tägliche Verpflichtung zur ständigen Reflektion der Realität in der man lebt und in der man sich selbst engagiert betrachtet, um so eine tatsächliche Veränderung zu bewirken: “Die erste große Reform ist die Selbstreform: ist die Reform unseres Gewissens, ist das Erwachen unseren Gewissens. Die Veränderung braucht jeden von uns”.

Wer ist Don Ciotti?

Don Ciotti wurde 1945 in Pieve di Cadore, in der Nähe von Belluno geboren, zog dann während seiner Kindheit mit seiner Familie nach Turin. Dort beginnt das soziale Engagement, dass sein Leben prägt. Im Jahr 1965 gründet er zusammen mit anderen eine Hilfsorganisation für Süchtige, die auf der Straße leben und jene, die in Not sind. Aus diesem Projekt wird später die sogenannte Gruppo Abele, heute noch aktiv und als Verein in der Umgebung präsent. Einige ihrer ersten Aktivitäten waren die Gründung von Jugendgemeinschaften als Alternative zum Gefängnis und die Organisation von Bildungsangeboten in Jugendstrafanstalten. (Link Gruppo Abele: https://www.gruppoabele.org/)

Sobald er 1972 seine priesterlichen Gelübde abgelegt hatte, wurde die „Straße“ zu seiner Gemeinde, wo er die soziale Befangenheit anging, die in jener Zeit explodiert: das Problem der Drogen. Um den drogenabhängigen Jugendlichen, die er täglich auf der Straße traf zu helfen, eröffnet er eine Kontakt- und Anlaufstelle, um dann 1974 schließlich die erste italienische “comunità” (Rehabilitationsklinik für Drogensüchtige) zu gründen. Auch politisch aktiv, trug er zur politischen Debatte bei, die sich in der Zeit heftig um die Annahme des Gesetz n685, das erste nicht- repressiven Drogengesetz Italiens, drehte.

Das Thema des Kampfes gegen Drogen wird Don Ciotti auch in seiner späteren Zeit begleiten, hinzu kamen Einladungen zu Treffen und Debatten zu diesem Thema aus verschiedensten Orten der Welt. In den 80er Jahren trägt er zu zwei neuen Gründungen bei. Im Jahr 1982 die Nationale Koordination der Anlaufstellen, und im Jahr 1986 die italienische Liga für den Kampf gegen AIDS (LILA), einem wichtigen italienischen Verband, der an AIDS erkrankte Patienten unterstützt und die Ausbreitung von HIV bekämpft.

Nach den Anschlägen von Capaci und Via d’Amelio im Jahr 1992 (bei denen jeweils die Richter Falcone und Borsellino umkamen, Falcone zusammen mit seiner Frau und einigen Leibwächtern), gewann für Don Ciotti das Thema der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Mafia an Bedeutung. Im Jahr 1993 gründete er die monatliche Zeitschrift „Narcomafie“ deren Verleger er sein wird: die Zeitschrift beschäftigt sich mit dem Phänomen der Mafia und des Drogenhandels (Link für weitere Infos).

Im Jahr 1995 gründete er als Ergebnis dieses Engagements den Verein “Libera. Vereine, Namen und Zahlen gegen die Mafias” (Link: https://www.libera.it/), mit dem Ziel nicht nur die Zivilgesellschaft über das Thema Mafia zu sensibilisieren, sondern auch um eine alternative und aktive Community zu schaffen, um die Mafia selbst zu kontrastieren und dabei die Legalität und die Gerechtigkeit zu fördern. Im Laufe der Jahre hat der Verein zunehmend an Bedeutung gewonnen, nicht nur auf einer zivilen Ebene sondern auch um entscheidende Maßnahmen für die Politik anzustoßen: Eine Million Unterschriften wurden gesammelt um von der Mafia konfisziertes Eigentum an soziale Projekte zu übertragen. Der Gesetzesvorschlag wurde vom Parlament am 7. März 1996 genehmigt. Im Januar 2013 begann zusammen mit der Gruppo Abele seine Kampagne „die Zukunft startet neu“, die im selben Jahr die Änderung des §416 des Strafgesetzbuches bewirkte, welcher eine Kooperation und Absprachen zwischen der Politik und der Mafia unter Strafe stellt. Seit dem 1. März 2017, dank der einstimmigen Wahl des Abgeordnetenhauses, wurde in Italien der 21. März als der offizielle „Tag der Erinnerung und Verpflichtung in Erinnerung an die Opfer der Mafia“ eingeführt.

Man kann Don Ciotti nicht mit nur einem Wort beschreiben. Er ist Aktivist, Priester, Journalist, Lehrer, Träger des Großkreuzes des Verdienstordens der Italienischen Republik, Präsident von zahlreichen Vereinen und Ehrenbürger diverser Städte. Aber um wirklich zu verstehen wer er ist und um, wenn auch nur ein kleines Bisschen, seinem Beispiel zu folgen, kann man sich einfach nach seinen Worte richten: „Ich bin nur ein Bürger, der das anmaßende Bedürfnis nach Gerechtigkeit in sich fühlt.“