Die Schweiz und die Mafia: Komplizierte Verhältnisse

Eigentlich liegt die Polizeioperation schon lange zurück, über die der Autor Frank Garbely jetzt in schweizerischen Meiden berichtet. Im Jahr 2006 hatte die italienische Nationale Antimafiabehörde DIA in Abstimmung mit der Bundesanwaltschaft in der Schweiz einen Bocciaclub überwachen lassen, weil sich dort vier Mafia-Verdächtige regelmäßig trafen. Die mutmaßlichen Mafiosi, Fortunato M. Francesco R. , Antonio M. und Bruno P., saßen meist am selben Tisch. Die Schweizer Behörden hatten der Observation unter Auflagen zugestimmt. So durfte Garbely zufolge nur dieser Bereich gefilmt werden. Bei den Überwachungsmaßnahmen ging Vieles schief: Es kam zu mehreren technischen Ausfällen, schließlich musste das Material gelöscht werden, weil die Aufnahmen nicht nur die vier Verdächtigen zeigte, sondern auch Richter, Journalisten und Beamte. Nach drei Monaten wurde die Überwachung beendet, heißt es in dem Artikel, „aus technischen Gründen“.

Installiert habe die Technik ein italienisches Unternehmen, eine Tarnfirma der DIA. In der Folge wurde Fortunato M. festgenommen und ausgeliefert.

In mehreren Artikeln wird die gesamte Operation jetzt skandalisiert, unter anderem, weil keine schweizerische Abhörtechniker am Werk waren. Zugleich sind vermehrt Berichte über schwere Erkrankungen des inhaftierten Fortunato M. veröffentlicht worden. Und natürlich fehlte es auch nicht an Kommentaren, die meinten, M., ein Maler, könne kein Mafioso sein, weil er ein so freundlicher Mensch oder Kollege sei und ein Handwerker.

Was interessant dabei ist: Offensichtlich sind interne Unterlagen nach außen getragen worden. Dies wird die italienischen Behörden wenig freuen, die seit Langem ein äußerst schwieriges Verhältnis zu den Schweizerischen Behörden pflegen. Ähnlich wie in Deutschland sind die Gesetze für die Bekämpfung der Mafia in der Schweiz mangelhaft. Zugleich haben italienische Fahnder ein Video mit Aufnahmen aus dem Bocciaclub veröffentlicht, ohne Rücksprache mit ihren schweizerischen Kollegen.

Bundesanwalt Michael Lauber gab auf einer Konferenz Ende Februar Einblicke in die Strafverfolgung: Zwanzig offene Fälle gebe es derzeit ihm zufolge in der Schweiz, das Land sei vor allem als Ort für Geldwäsche interessant und sei auf dem „Finanzplatz am verletzlichsten“. Lauber will künftig verstärkt auf Kronzeugen zurückgreifen. «Wir müssen herausfinden, was im Innern der mafiösen Kreise vor sich geht», begründete Lauber. Allerdings hat die Schweiz dafür bisher keine ausreichenden Gesetze.

Dies sind insofern überraschende Töne, wie Lauber in der Vergangenheit auch schon andeutete, keine weiteren Mafiaermittlungen führen zu wollen wegen mangelnder Erfolgsaussichten.

Hoffen wir, dass in den schweizerischen Behörden ein Umdenken sich durchsetzt. Die Gefahr von mafia-Infiltrationen ist auch in Helvetia dauerhaft gegeben. Erst vor Kurzem war etwa bekanntgeworden, dass ein dubioses Bauunternehmen in der Schweiz einen Großauftrag für den Bau eines Tunnels über eine Milliarde Franken erhalten hat. Dem italienischen Mutterhaus ist das Antimafia-Zertifikat entzogen worden und fünf Mitarbeiter wurden wegen Mafia-Zugehörigkeit verhaftet. Auch Korruptionsvorwürfe stehen im Raum.