Die Rolle der Zivilgesellschaft im Kampf gegen die Mafia: Antimafia auf Ideenfindung

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„Mafia? Nein, Danke!“ war in den Reihen der europäischen Libera-Delegation bei der vierten Auflage der Konferenz „Contromafie“ dabei, dieses Jahr unter dem Titel „Contromafiecorruzione“ („Gegen Mafien und Korruption“, Anm.d.Ü.); die Initiative fand vom 2. bis 4. Februar 2018 in Rom statt und brachte Vertreter regionaler Antimafia-Grupen aus ganz Italien an einen Tisch mit den europäischen und lateinamerikanischen Delegationen. Das Ziel war, gemeinsam über Legalität sowie über den Kampf gegen Mafia und Korruption zu sprechen. Mit dem langen Zungenbrechertitel sollte die immer engere Verbindung zwischen mafiösen Machenschaften und Bestechung hervorgehoben werden – ein Phänomen, das auch als „die Hand, die in weißen Handschuhen würgt“ bekannt wurde. Der rote Faden, der sich durch die drei Tage zog, war die aktive und konstruktive Rolle der Zivilgesellschaft; zum Abschluss wurden konkrete und nachhaltige Vorschläge präsentiert, um das System aus Mafia und Korruption in verschiedenen Feldern zu bekämpfen.

Besonders ein Seminar über die internationale SIchtweise auf organisierte Kriminalität stellte sich als interessant für die Arbeit unseres Vereins heraus; unter den Rednern befand sich auch Claudio Clemente, seit 2013 Direktor der italienischen „Unità di Informazione Finanziaria“ (UIF).

Die UIF ist diejenige Einheit der italienischen Zentralbank, die für den Kampf gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung zuständig ist: Sie erwirbt und analysiert Geldflüsse, welche sie von Mittelmännern aus dem Sektor übermittelt bekommt und die unter dem Verdacht der Geldwäsche stehen. Warum ist es so wichtig, die Verbindung zwischem Geld und Mafia zu verstehen? Weil, wie Falcone es ausdrückte, man den Spuren des Geldes folgen muss, um die organisierte Kriminalität abzufangen. Tatsächlich wird jemand, der beträchtliche Summen Geld aus illegalen Geschäften gewonnen hat, diese in der rechtmäßigen Wirtschaft unterbringen, um sie erfolgreich zu „waschen“. Interessant auch die Tatsache, dass derartige Anzeigen bei den Behörden von 2007 bis heute von 12.000 auf über 100.000 angestiegen sind. Von diesen wurden im Jahr 2016 ungefähr 14.000 auf verschiedenen Wegen mit der organisierten Kriminalität in Verbindung gebracht. Hinzu kommt der wachsende international Zweig des Phänomens; die italienische Mafia hat sich eindeutig zum Exporteur illegaler Einnahmen ins Ausland entwickelt – präsent auf der ganzen Welt, besonders aber in Nordamerika und in einigen Regionen Südamerikas. In Europa verteilen sich die illegalen EInnahmen auf viele Länder, darunter in relevantem Maße auf die Schweiz, Malta und Deutschland. Warum Deutschland? DIe organisierte Kriminalität wählt das Land, in das es sein schmutziges Kapital ausführt, auf Grundlage einer Risikenanalyse aus; in diesem Fall sind die ans RIsiko gebundenen Kosten vergleichsweise niedrig. Die deutsche UIF und das Abwehrsystem, das sie geschaffen hat, besitzt kaum Möglichkeiten, dieses Kapital abzufangen und das Problem in Angriff zu nehmen. Dieses Vakuum nutzen die Mafien aus. Deshalb braucht es eine gemeinschaftliche Aktion, um der Geldwäsche entgegenzutreten. Die Zusammenarbeit der jeweils zuständigen Behörden aus den verschiedenen Ländern wird durch die unterschiedlichen Norm- und Referenzsysteme erschwert, aber an einer Ausweitung der Kooperation wird gearbeitet.

ALAS, Netzwerk für Südamerika

In einer anderen Begegnung am Montagmorgen waren Beziehungen und Zivilcourage das Hauptthema, mit dabei waren Vertreter des Netzwerks „America Latina Alternativa Social“ ALAS. Das Netzwerk umfasst über 50 Vereine aus elf Ländern in Süd- und Mittelamerika. In Rom waren Mitglieder aus Brasilien, Kolumbien, Mexika und Argentinien anwesend, die allesamt Zeugen des zivilen Engagements in ihren Gemeinden sind. Besonders berührend war der Beitrag von Yolanda Morán Isais, Gründerin von „Fuerzas Unidas por Nuestros Desaparecidos en México“ („Vereinigte Kräfte für unsere Verschwundenen in Mexiko“; Anm.d.Ü.) und Mutter eines verschwundenen Jungen. Sie erzählt, gemeinsam mit 605 anderen Familien, vom inneren Krieg zwischen Drogenhändlern und Behörden, den der Staat nicht wahrhaben will und dem er mit dem Militär beikommt – die auffällligste Folge dessen sind die Millionen verschwundener Jugendlicher. Laut offiziellen Angaben sind zwischen 2006 und 2017 33.000 Personen verschwunden, doch nur jede sechste Familie zeigt das Verschwinden eines Familienmitglieds an – aus Angst und aufgrund der Kriminalisierung der Opfer durch die mexikanischen Behörden. Deshalb haben sich Mütter und Familien über die Jahre zusammengetan und auf die Suche nach Angehörigen spezialisiert und drängen die Regierung zum Handeln. Eines der Endziele dieser Bewegung ist es auch, die mexikanischen Rechtsvorschriften um ein Gesetz zum sozialen Gebrauch konfizierter Güter zu erweitern, das auch den Angehörigen der „desparecidos“ zugute kommt. Denn oftmals geben die Familien bei dem Versuch, ihre Kinder wiederzufinden, alles auf und verlieren ihren Job und ihr Heim. Aus den Berichten der anwesenden Vereinen ist hervorgegangen, wie wesentlich die Zusammenarbeit von ALAS und Libera sowie die Auseinandersetzung miteinander für den Aufbau eines sozialen Netzwerks sind. Dieses soll, ständig wachsend, eine Austauschmöglichkeit über bewährte Methoden im Umgang mit Mafien und Korruptionsfällen bieten, welche sich zunehmend auf internationaler Ebene bewegen.

Wer sich eingehender mit den Ergebnissen des dreitägigen Zusammenkommens beschäftigen will, findet unter folgendem Link die Zusammenfassungen, aufgegliedert in vier Themenbereiche (auf Italienisch).