Was ist die DIA (Direzione Investigativa Antimafia)?

Dia Archivio 11

“Bis jetzt haben wir in Palermo so hart wie möglich daran gearbeitet einen sauberen Raum zu bauen, ihn so fein wie möglich zu gestalten, wie es ein fähiger Maurer tut. Aber das reicht nicht aus, es kann nicht ausreichen. Leider sind wir uns bewusst geworden, dass es wenig bringt, an der Sauberkeit eines einzelnen Raums zu arbeiten. Das Problem kennt keine Grenzen. Was ist also zu tun? Ein ganzes Gebäude errichten? Ja, der Kampf gegen die Mafia muss das ganze Gebäude einschließen […] Ich gehe nach Rom, um dieses Gebäude zu bauen.” [1].

Diese Worte sprach Giovanni Falcone, bevor er als Generaldirektor der Strafbehörden des Justizministeriums nach Rom ging. Sie lassen die Grundabsicht verstehen, die zur Gründung der Antimafia- Behörde Direzione Investigativa Antimafia (DIA) führten: der Wille, den Kampf gegen die Mafia auf nationaler Ebene zwischen Polizei und Justizbehörden zu koordinieren. Tatsächlich stellte und stellt die DIA sowohl im ursprünglichen Plan Falcones als auch in ihrer späteren Entwicklung den operativen Arm der DNAA (Direzione Nazionale Antimafia e Antiterrorismo) dar. Die DNAA ist auf nationaler Ebene die koordinierende Justizbehörde für die verschiedenen Antimafia-Bezirksdirektionen (DDA) und für die Ermittlungen zur organisierten Kriminalität (die von der DIA ausgeführt werden).

Die DIA, die mit dem Gesetz 410 vom 30. Dezember 1991 gegründet wurde und seit Januar 1992 operativ tätig ist, ist eine Ermittlungsbehörde, die auf organisierte Kriminalität mafiöser Art spezialisiert ist. Da es sich um eine gemischte Polizeieinheit handelt, besteht das Personal aus der Polizia dello Stato, den Carabinieri und der Guardia di Finanza. Bislang beträgt die Stärke circa 1.400 Personen. Der Hauptsitz befindet sich in Rom, aber die DIA verfügt auch über verschiedene Einrichtungen und operative Abteilungen, die über das gesamte Staatsgebiet verteilt sind (aktuell insgesamt 23).  

Wie Falcone brillant vorweggenommen hat, bedeutete die Einrichtung der DIA in Italien einen großen Schritt nach vorne im Kampf gegen die organisierte Kriminalität mafiösen Wesens. Selbst bei einer kurzen Betrachtung der übertragenen Zuständigkeiten wird klar, wie die DIA eine Säule zur Bekämpfung der Mafia in Italien darstellt. Die Aktivitäten der DIA sind auf verschiedene Einsatzbereiche aufgeteilt:

  • Präventive Ermittlungen, die sich wiederum auf drei verschiedene Bereiche konzentrieren:
    • Geldwäschebekämpfung und Betrugsverdachtsmeldungen. Der DIA obliegt die Überwachung verdächtigen Finanzoperationen, die von der UIF (Unità di Informazione Finanziaria) der Banca d’Italia gemeldet werden. Wenn es sich aus den durchgeführten Ermittlungen ergibt, dass Verbindungen zur organisierten Kriminalität bestehen, so ist es Aufgabe der DIA, diese ihrerseits an den Generalstaatsanwalt zur Mafia- und Terrorismusbekämpfung weiterzuleiten.
    • Überwachung der öffentlichen Aufträge. Die DIA wacht darüber, die Unterwanderung öffentlicher Ausschreibungen zu verhindern, indem sie garantiert, dass alle beteiligten Firmen die vorgeschriebenen Gesetze einhalten; darüber hinaus hat die DIA die Befugnis, Kontrollen auf Baustellen durchzuführen, um krimineller Einflussnahme vorzubeugen und die Korrektheit der Arbeiten zu gewährleisten;
    • Persönliche und vermögensrechtliche Präventionsmaßnahmen. Liegt eine ernsthafte Gefährdungsannahme hinsichtlich gewisser Personen oder Güter vor, kann der Leiter der DIA Präventivmaßnahmen anfordern, um die Vermögenswerte der Mafiaorganisationen zu treffen;
  • Juristische Ermittlungen. In diesem Bereich koordiniert die DIA die Aktionen der Kriminalpolizei in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Polizeikräften und ihren regionalen Stellen. Im Speziellen ermittelt sie gegen Mafiamitglieder und analysiert das kriminelle Phänomen in seiner Gesamtheit und nicht nur bezüglich einzelner festgestellter Taten, sodass sich ein Gesamtlagebild des mafiösen Phänomens ergibt.
  • Internationale Kooperation: Die DIA fördert die internationale Kooperation, um transnationale Kriminalität auf europäischer und globaler Ebene zu bekämpfen. Sie arbeitet mit ähnlichen Organen anderer Staaten zusammen, knüpft Kontakte zu internationalen Behörden und teilt die Ermittlungsberichte mit den ausländischen Polizeibehörden. Sie koordiniert das Personal für Ermittlungen im internationalen Kontext und beteiligt sich an multilateralen Kooperationsforen. Darüber hinaus hat sie die Schaffung des operativen Netzwerks @ON gefördert (an dem auch das deutsche Bundeskriminalamt beteiligt ist), um die Kooperation zwischen den europäischen Polizeibehörden gegen die kriminellen, transnationalen Gruppierungen zu stärken. Das Netzwerk konzentriert sich auf Organisationen, die eine signifikante Gefährdung für die Sicherheit und die Wirtschaft der EU darstellen, z.B. die italienischen, albanischen, euroasiatischen und anderer Mafia-Organisationen. [2]

Um Transparenz und einen relativ beständigen Informationsfluss zwischen den Institutionen zu gewährleisten, ist vorgesehen, dass das italienische Innenministerium dem Parlament die Aktivitäten und Resultate der DIA halbjährlich vorträgt. Die halbjährlichen Berichte sind auch auf der offiziellen Webseite der DIA verfügbar, sodass alle Interessierten sie frei abrufen können. Auf der Webseite von mafianeindanke finden Sie die Übersetzungen der Kapitel über Deutschland, Österreich und die Schweiz aus den DIA-Berichten!

Ein konkretes Indiz für die Effizienz einer solchen Organisation bei der Bekämpfung der Mafia-Organisationen lässt sich aus den Daten über Untersuchungshaftanordnungen sowie Beschlagnahme- und Einziehungsanordnungen ableiten, die über die DIA ausgestellt wurden. Aus den Daten, die für jede kriminelle Organisation (Cosa Nostra, Camorra, Ndrangheta, organisierte Kriminalität aus Apulien und weitere) einzeln ermittelt werden, geht hervor, dass die Gesamtzahl der seit 1992 bis zum ersten Halbjahr 2024 ausgesprochenen Haftbefehle sich auf gut 11.174 beläuft; im selben Zeitraum bestätigen die verfügbaren Daten Beschlagnahmen mit einem Gesamtwert der Güter, die der Mafia entzogen werden konnten, von circa 30,52 Milliarden Euro. Es fällt sofort auf, dass es sich um beträchtliche Summen handelt, und dass diese Daten nicht den Wert der Güter, die der Mafia durch andere Formen entzogen werden, berücksichtigen!  Und genau wie Falcone gehofft hatte, ermöglicht es die Existenz einer spezialisierten Ermittlungsbehörde, die Spur des Geldes wirksam zu verfolgen und die Mafia an ihrer Achillesferse zu treffen: ihrem immensen Vermögen.

Wir als Verein fragen uns: Welche Auswirkungen könnte die Einführung einer vergleichbaren Ermittlungsbehördein Deutschland haben? Ein guter Ausgangspunkt könnte sicherlich die Möglichkeit sein, die Phänomene der organisierten Kriminalität auf systemische Weise und nicht nur episodenhaft zu analysieren, so wie es leider heutzutage passiert.

Um dieses Ziel zu erreichen, wäre die Existenz einer Stelle entscheidend, die für die Sammlung aussagekräftigerer Daten über die organisierte Kriminalität zuständig ist (die vom BKA im jährlichen “Lagebild Organisierte  Kriminalität” bereitgestellten Zahlen zeigen eine wenig detaillierte Situation von Deutschland). Ein weiterer wichtiger Zuständigkeitsbereich der DIA, von dem man sich sicherlich anregen lassen könnte, ist derjenige, der sich mit  Geldwäschebekämpfung und Betrugsverdachtsmeldungen beschäftigt. Die Financial Intelligence Unit (FIU) würde bei ihren Ermittlungen stark von der Unterstützung durch eine für organisierte Kriminalität zuständige Ermittlungsstelle profitieren. Die Beratung durch eine Organisation, die für spezifische Ermittlungen zuständig ist und dazu berechtigt ist, die FIU in ihren Operationen zu unterstützen, würde die Zuordnung der Fälle der Finanzkriminalität, die der Organisierten Kriminalität zuzurechnen sind, wesentlich erleichtern, und auch die repressive Gegenmaßnahme beschleunigen.


[1] Zitiert aus dem Interview an Attilio Bolzoni für la Repubblica, “Falcone: Non me ne vado per paura”, veröffentlicht am 1. März 1991.

[2] https://direzioneinvestigativaantimafia.interno.gov.it/competenze/