Die Ergebnisse der parlamentarischen Anfrage zur Mafia in Bayern, die Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen im bayrischen Landtag, am Ende des Jahres 2017 vorgestellt hat, sind in einer Pressemitteilung als „alarmierend“ bezeichnet worden. Und tatsächlich wird das Land Bayern nicht nur als „Ruhe- und Rückzugsraum“ für Mitglieder und Freunde der italienischen Mafien beschrieben, sondern hier wird schon seit langem ökonomisches und soziales Kapital investiert. Bayern besetzt nach NRW den zweiten Platz unter allen Bundesländern, was Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft angeht. Mafiahochburg ist nicht nur die Hauptstadt München, zu dieser Kategorie gehören auch Augsburg und Nürnberg, genauso wie Oberbayern, wo man die Anwesenheit von Mitgliedern der `Ndrangheta registriert. Im Allgemeinen haben sich die Hauptaktivitäten der Mafien nicht geändert: Drogenhandel und die daraus folgende Geldwäsche. Doch im Lauf der Jahre haben die dort aktiven Gruppen gezeigt, dass sie sich hervorragend an neue wirtschaftliche, juristische und technologische Verhältnisse anzupassen verstehen. Auch in Deutschland ist es ihr Ziel, den Profit zu maximieren und das Entdeckungsrisiko möglichst gegen Null zu reduzieren. Seit 1994 ist neben der bayrischen Polizei das Bayrische Landesamt für Verfassungsschutz dafür verantwortlich, die Daten zur Tätigkeit der Organisierten Kriminalität in Bayern zu erheben.
Die zur Verfügung stehenden Daten (Sie beziehen sich auf den Zeitraum von 2007 bis 2016) zeichnen folgendes Bild: In Bayern leben 136 Personen, die mit italienischen kriminellen Gruppen zu tun haben. Alle haben ihren Wohnsitz in Deutschland, 80 von ihnen gehören zur kalabrischen `Ndrangheta, die in Bayern wenigstens seit den 70er Jahren ansässig und dort besonders aktiv ist. Ihre Zahl hat sich zwischen 2014 und 2016 um 10% vermehrt (Es wäre interessant zu wissen, ob dieser Trend in den vergangenen zwei Jahren konstant geblieben ist oder sich verändert hat). Was die Struktur der Clans in Deutschland betrifft, so wird vermerkt, sie seien ein Abbild der Strukturen, die sie in ihrer Herkunftsregion Kalabrien haben. Das gleiche gilt für ihre Vorgehensweise, für Regeln und Rituale. Die Camorra gibt es seit den 70er Jahren in Bayern. Heute kann sie sich fest verwurzelter Strukturen rühmen, die als operative Basis für verschiedene kriminelle Aktivitäten dienen, Hauptaktivität sind Fälschungen jeder Art. Bis heute gibt es 30 Angehörige der Camorra, die in 6 Gruppen organisiert sind. Cosa Nostra jedoch ist, was Zahl der Mitglieder und sie betreffende Ermittlungsverfahren angeht, weniger bedeutsam als Camorra und `Ndrangheta (Es handelt sich um 20 Personen, eine Zahl, die in den letzten Jahren gleich geblieben ist). Gleiches gilt für die Sacra Corona Unita, die Bayern vorrangig als Rückzugsraum genutzt hat. Im Augenblick sind es 6 Personen, die man zu dieser italienischen Mafia rechnet, eine Zahl, die im Prinzip seit Jahren unverändert ist. Abgesehen von der Sacra Corona Unita engagieren sich die oben zitierten drei italienischen Mafia-Organisationen in der Gastronomie, wo sie ihre Einkünfte teilweise auch investieren. Eine weitere interessante Erkenntnis, die man aus der Anfrage ziehen kann, ist, dass die italienischen Mafien gelegentlich mit anderen kriminellen Banden aus dem Ausland zusammenarbeiten, (vor allem mit russischen und eurasischen Banden), aber auch mit Rocker- und vergleichbaren Banden.
Leider fehlen verlässliche Zahlen über den Immobilienbesitz im Land, der mit dem Gewinn aus kriminellen Aktivitäten oder unter direkter Kontrolle durch die Mafia erworben wurde, noch findet sich eine Schätzung des gesamten Jahresumsatzes der italienischen Mafien. Trotzdem wird ein Bewusstsein für die wirtschaftliche Bedrohung durch die italienischen Mafien in Bayern sichtbar. Deutlich wird auch, dass die Behörden die Problematik mit zunehmender Aufmerksamkeit verfolgen. Keine ausreichende Aufmerksamkeit widmet man jedoch den Fällen von Korruption und Einflussnahme auf Politik, Medien, Behörden, Justiz. Es wäre wünschenswert, dass auch dieser Aspekt als Priorität behandelt wird, und dass auch solche Anzeigen gesammelt werden.
Schließlich hat die parlamentarische Anfrage auch das Thema der Kooperation zwischen deutscher und italienischer Polizei angesprochen: Es handelt sich jedoch jeweils um eine zeitlich begrenzte und rein deliktbezogene Kooperation. Das heißt, in Bayern gibt es kein ständiges deutsch-italienisches Ermittler-Team. Am Ende der Sitzung wird der Wunsch geäußert, dass man sich auch weiterhin intensiv mit dem Thema beschäftigen, die gesammelten Daten ständig aktualisieren und parlamentarische Anfragen zur albanischen, türkischen und russischen Mafia in Bayern stellen möge. Rainer Nachtigall, Sprecher der Gewerkschaft der bayrischen Polizei (DPolG), betont, man brauche nicht nur mehr Streifen auf der Straße, sondern auch mehr Experten in dieser Materie, dies gelte vor allem für das LKA.