Üblicherweise generiert die Mafia ihre Profite und das Kapital für Investitionen über den Drogenhandel oder Eigentums- und Vermögensdelikte. Kapital wird dann in
Sektoren der Immobilienwirtschaft, der Gastronomie, in Abfallentsorgungs-unternehmen und dergleichen investiert. Auch als Kreditgeber ohne Bankerlaubnis ist die Mafia tätig (von mafianeindanke auch für Deutschland beschrieben): Sie vergibt illegal Kredite, wofür sie oft Wucherzinsen verlangt. Sie schafft damit nicht nur ökonomische Abhängigkeiten bei den Kreditnehmern, sondern bindet diese oft mit physischem Druck in das Spinnennetz der Mafia ein.
Ermittler:innen in Italien sind nun auf eine Finanzierungsvariante gestoßen, die bisher nicht auf dem Radar der Staatsanwalt-schaften war: Die Mafia, hier die ‘ndrangheta, besorgte sich Kredite bei einer Bank, wobei die Kredite pikanterweise durch eine staatliche Garantie abgesichert waren. Im Ergebnis wurden aus staatlichen Garantiefonds Unternehmen finanziert, die mit der ‘ndrangheta verbunden gewesen sein sollen. Profiteur:in der Kredite waren nicht die als Kreditnehmer:innen aufgetretenen Personen. Das tatsächliche Sagen über die Verwendung der an diese Unternehmen ausbezahlten Gelder hatten Mafiosi in der Lombardei. Die Staatsanwaltschaft vertritt die Auffassung, dass die Bank die Verbindungen zu den Mafiosi bei einer ordnungsgemäßen Kreditabwicklung hätte erkennen können. Maurizio Ponzoni, der einem Clan der ‘ndrangheta zugerechnet wird, hat seit seiner Verhaftung im März 2023 in Vernehmungen die Bank entsprechend belastet. Ponzoni gilt zusammen mit dem ebenfalls inhaftierten Vincenzo Rispoli als der Motor, der der ’ndrangheta im italienischen Norden, in der Lombardei, ein Standbein geschaffen hat.
Die Mailänder Staatsanwaltschaft hat im Oktober 2024 die Banca Progetto mit Sitz in Rom und Mailand auf ihren Antrag hin unter gerichtliche Zwangsverwaltung gestellt. Die Bank soll über mehrere Jahre Unternehmen aus dem Einflussbereich der Mafia Kredite von insgesamt mehr als zehn Millionen Euro gewährt haben. Solche staatlichen Zwangsverwaltungen wurden in der Vergangenheit schon mehrfach gegen Unternehmen wegen einer Mafiaverstrickung von den Gerichten angeordnet; jedoch nie gegen eine Bank.
Angeordnet wurde jedoch im konkreten Fall lediglich eine moderate Form der Zwangsverwaltung. Laut Gerichtsbeschluss wurde ein Verwalter eingesetzt, der nur die Aufgabe hat, die Kontrollsysteme der Bank neben den internen Abläufen und Strukturen zu überprüfen. Mit weiteren Exekutivbefugnissen des Zwangsverwalters ist dies nicht verbunden. Die Bank ist also weiterhin durch ihre eigenen Organe uneingeschränkt handlungsfähig und kann den Geschäftsbetrieb fortsetzen.
Die Banca Progetto ist auf staatlich garantierte Finanzierungen spezialisiert. Die staatlichen Bürgschaften und die von einem staatlichen Garantiefonds gespeisten Kredite waren für kleine unter mittlere Unternehmen im Zuge der Covid Pandemie und des Ukrainekrieges vorgesehen. Die Gelder werden von der staatlichen Bank Mediocredito Centrale für das italienische Handels- und Wirtschafts-ministerium verwaltet. Die aufsichtlichen und geldwäscherechtlichen Sorgfaltspflichten müssen jedoch primär von der Vertragspartnerin des Kunden, der den Kredit vergibt, mithin der Banca Progetto, erfüllt werden, da sie den unmittelbaren Kundenkontakt hat und dessen wirtschaftliches und tatsächliche Umfeld kennen muss.
Die Bank wird derzeit noch von der amerikanischen Gruppe Oaktree Capital Investment kontrolliert, die im September eine Vereinbarung für den Verkauf ihres
Anteils von 99,82 Prozent an von Center bridge Partners verwaltete Fonds unterzeichnet hat. Oaktree Capital Management gehört zu den größten international tätigen Investmentgesellschaften, die sich auf „alternative Anlagen“ spezialisiert haben. Seit Mai 2023 kontrolliert die US-amerikanische Investmentgesellschaft auch den italienischen Fußballclub Inter Mailand. Die Europäische Kommission hat inzwischen den Erwerb der alleinigen Kontrolle über das italienische Kreditinstitut Banca Progetto S.p.A. Durch Centerbridge Partners, L.P. (USA) nach der EU-Fusionskontrollverordnung genehmigt. Die Übernahme ist aber damit noch nicht in trockenen Tüchern.
Der Banca Progetto wird von der Mailänder Staatsanwaltschaft vorgeworfen, dass sie Unternehmen Gelder geliehen hat, ohne eine angemessene Prüfung der Eigentümerstruktur der Kreditnehmer:innen sowie der wirtschaftlich Berechtigten und eine korrekte Kreditabwicklung durchzuführen. Im Fokus der Ermittlungen steht die Frage, ob die internen Kontrollmechanismen der Bank, insbesondere in Bezug auf zehn problematische Kredite ausreichend waren und geldwäscherechtliche Sorgfaltspflichten ordnungsgemäß erfüllt wurden. Gegenüber der Bank wurden bereits in der Vergangenheit Bußgelder durch die italienische Zentralbank wegen aufsichtsrechtlicher Verstöße gegen die Pflicht zur Schaffung angemessener Kontrollverfahren verhängt.
Diese Verstöße stehen wohl auch damit im Zusammenhang, dass während der Corona-Pandemie das Kreditvolumen der Bank von bescheidenden 50 Millionen Euro auf rund 7,6 Milliarden Euro angestiegen ist. Allein 2023 hatte sie 2,8 Milliarden Euro an neuen Krediten an kleine und mittlere Unternehmen ausbezahlt. Die internen Kontrollverfahren haben diesem rasanten Wachstumsprozess offensichtlich nicht Rechnung getragen.
Man sollte nicht glauben, dass es sich bei dieser Fallkonstellation um einen raren Einzelfall handelt. Vergleichbare Fälle sind auch in anderen Regionen Italiens und außerhalb seiner Landesgrenzen durchaus denkbar. Die Typologie des Missbrauchs von durch Förderinstitutionen verbürgte Kredite oder von Krediten, wo die Kreditgeberin lediglich als Verteilerin staatlicher Fördermittel fungiert, ist deshalb so vulnerabel für Geldwäsche, weil die kreditgebende Bank in Bezug auf die Kund:in und deren wirtschaftliches Umfeld bei der Vergabe und ebenso bei der Kreditabwicklung trotz aller gesetzlichen Vorgaben weniger genau hinschaut. Kreditausfallrisiken hat die Bank nämlich keine, weil insoweit das Risiko beim Staat liegt, und Rechtsrisiken hat sie in der Regel auch nicht. Also im Kern eine ideale Spielwiese für Geldwäscher und Mafiosi.
Spricht man in Deutschland Ermittler:innen auf das Thema Bankkredite und Mafia an, sprechen auch sie hinter vorgehaltener Hand über Missbrauch, etwa beim Kauf von Immobilien. Mangelnde Kontrollen werden auch hierzulande bemängelt. Zudem ist zu vernehmen, dass von Mafiosi Kredite bei Geldinstituten und zugleich von privaten Unternehmen aufgenommen werden sollen. Die Mafiosi lassen sich dann eine Grundschuld eintragen, die zügig mit dem privat geliehenen Geld abgetragen wird, im Grundbuch aber stehen bleibt. Auf diese Art lassen sich Geldflüsse verschleiern.
Mafianeindanke hat eine Broschüre mit Vorschlägen zur Bekämpfung von Mafia und Finanzkriminalität erarbeitet. Die Broschüre „Was gegen Organisierte Kriminalität und Geldwäsche zu tun ist“ ist auf der Webseite von mafianeindanke abrufbar.