Die Fünfte EU- Geldwäscherichtlinie (Richtlinie (EU) 2018/843 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und zur Änderung der Richtlinien 2009/138/EG und 2013/36/EU) war von den Mitgliedsstaaten bis zum 10. Januar 2020 umzusetzen. Spanien, Portugal, die Niederlande, Rumänien, Ungarn, die Slowakei Slowenien und Zypern haben diese Richtlinie innerhalb der Frist gar nicht umgesetzt; andere EU-Staaten nur teilweise. Italien, Deutschland Finnland, Lettland und Bulgarien sind die einzigen EU-Länder, die diese Richtlinie nach Angaben der EU-Kommission vollständig implementiert haben. Das deutsche Umsetzungsgesetz ist zum 1.1.2020 in Kraft getreten. Einer gesonderten Prüfung bedarf jedoch auch bei diesen fünf Staaten die Frage, ob deren Umsetzungsgesetze dem Inhalt der Richtlinie materiell und vollständig entsprechen.
Allein die Nichteinhaltung der Umsetzungsfristen durch die säumigen Mitgliedsstaaten zeigt, welch geringe Bedeutung für die Exekutive und Legislative der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten trotz aller Beteuerungen und Sonntagsreden eine wirksame Geldwäscheprävention und ein harmonisierter Rechtsrahmen bei der der Verhinderung der Geldwäsche in allen Wirtschaftssektoren der Europäischen Union tatsächlich hat.
Mit verantwortlich für diese desolate Situation ist die Europäische Kommission selbst, die es bereits bei den vier Vorgängerrichtlinien zur Verhinderung der Geldwäsche versäumt hat, die Nichteinhaltung der Umsetzungsfristen bzw. eine materiell unzureichende Implementierung in den nationalen Umsetzungsgesetzen konsequent zu sanktionieren. Die Instrumente hierfür hätte die Kommission durch die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren. Die Kommission kann ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren einleiten, wenn ein EU-Land die Maßnahmen zur vollständigen Umsetzung einer Richtlinie nicht mitteilt oder einen mutmaßlichen Verstoß gegen das EU-Recht nicht behebt. Das Verfahren läuft in mehreren Schritten – in einem bestimmten Verfahrensstadium unter Einschaltung des Europäischen Gerichtshofs – ab, die in den EU-Verträgen festgelegt sind und jeweils mit einem förmlichen Beschluss enden, wobei sie in den Fällen, in denen die Kommission dem europäischen Gerichtshof zum zweiten Mal mit der Sache befasst, die Verhängung höchst einschneidender finanzieller Sanktionen in Form eines Pauschalbetrags und/oder eines täglich zu zahlenden Betrags vorschlagen kann.
Aktuell sind noch 17 Vertragsverletzungsverfahren wegen unzureichender Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie durch einzelne Mitgliedsstaaten anhängig. Diese Richtlinie hätte bereits 2017 implementiert werden müssen. Die Europäische Kommission ist aufgrund der desolaten Personalsituation in den für die Geldwäscheprävention zuständigen Arbeitseinheiten der Kommission nicht in der Lage, diese Verfahren eigenständig zu führen. Die für die Verfahren relevanten Prüfungen hat sie an den Europarat „outgesourct“; die anhängigen Verfahren wegen mutmaßlichen Verstößen gegen die Dritte Geldwäscherichtlinie wurden wegen dieser Personalsituation gänzlich eingestellt. Dadurch mutiert die Europäische Kommission in Sachen Geldwäschebekämpfung zum Papiertiger, den die Mitgliedsstaaten nicht fürchten müssen.
Es ist völlig klar, dass allein der Buchstabe des Umsetzungsgesetzes und dessen Übereinstimmung mit den Vorgaben der jeweiligen Richtlinie noch nichts darüber aussagen, wie wirksam die jeweiligen Maßnahmen gegen Geldwäsche in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten sind und wie die Umsetzungsgesetze in den einzelnen EU-Staaten tatsächlich gelebt werden. Zwischen dem in der Richtlinie bzw. dem einzelnen Umsetzungsgesetz formulierten Anspruch und der Rechtwirklichkeit in den einzelnen EU-Staaten klafft ein tiefer Graben. Belege über Implementierungsdefizite in den Mitgliedsstaaten Dänemark, den baltischen Staaten, den Niederlanden, Malta, Zypern gibt es genug. Auch Deutschland ist hierfür ein beredtes negatives Beispiel. Obwohl Deutschland bei der formellen Umsetzung der EU-Geldwäscherichtlinien zu den Musterschülern gehört, ist die tatsächliche Umsetzung im föderalen System, nicht zuletzt durch Personalmangel bei den für den Nicht-Finanzsektor zuständen Länderbehörden und dem Fehlen des politischen Willens der Länderregierungen, eine Farce. Zum Teil haben die Länder Jahre nach dem Inkrafttreten der gesetzlichen Vorgaben noch überhaupt keine Anstalten gemacht, in einzelnen Aufsichtsbereichen mit der Umsetzung zu beginnen. So werden etwa die Regelungen zur geldwäscherechtlichen Aufsicht über Notare durch die Präsidenten der Landgerichte in den Bundesländern sehenden Auges negiert.
Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch nicht, dass der von der Richtlinie intendierte harmonisierte Rechtsrahmen für die Verhinderung der Geldwäsche in der Europäischen Union unbeachtlich wäre. Im Gegenteil. Ein zersplitterter Regelungs- und Aufsichtsrahmen im Bereich der Geldwäscheprävention ist Gift für eine wirksame Aufsicht bei grenzüberschreiten Sachverhalten. Geldwäschefälle von Relevanz wie der Fall Danske Bank mit einem Volumen von 200 Mrd. Euro haben in der Regel einen solchen grenzüberschreitenden Hintergrund. Ohne einen harmonisierten Rechtsrahmen kann es keinen reibungslosen Informationsaustauch und keine wirkungsvolle Koordinierung der zuständigen Stellen in der Europäischen Union geben. Auch zur Wahrung der Integrität des EU-Binnenmarkts bedarf es in Bezug auf Drittstaaten mit hohem Geldwäscherisiko eines harmonisierten, konzertierten Vorgehens der Aufsichtsinstitutionen in den EU-Staaten.
Was tun?
Diese Probleme werden auch in Zukunft bei der Regulierung im Bereich der Geldwäscheverhinderung fortgeschrieben, wenn die Europäische Kommission sich nicht endlich für einen alternativen Regulierungsweg entscheidet. Die 6. EU-Geldwäscherichtlinie vom 12.11.2018, die bis zum 3. 12.2020 von den EU-Staaten umzusetzen ist, ist noch nach dem alten Harmonisierungmuster, nämlich der Schaffung von Mindeststandards in Form einer Richtlinie und deren Umsetzung durch nationale Umsetzungsakte verabschiedet worden. Das EU-Recht hindert die Kommission nicht, sich in Zukunft für den Weg der Vollharmonisierung über den Erlass einer EU-Verordnung zu entscheiden. Dieser Lösungsansatz wird von der Kommission im Einverständnis mit dem Rat und dem Europäischen Parlament verstärkt in der Finanzmarktregulierung beschritten. Es gibt keinen triftigen Grund, warum dies nicht bei der Geldwäscheprävention genauso gemacht werden könnte. Die Gesetzgebungsverfahren könnten sich dadurch erheblich beschleunigen, um auf erkannte Risiken sofort reagieren zu können. Mit dem Erlass der Verordnung wäre der Regelungsinhalt auch sofort rechtskräftig; inhaltlich zersplitterte Umsetzungsgesetze in den Mitgliedsstaaten wären gar nicht mehr nötig.