Bundesfinanz- und Justizminister mauern bei einer substantiellen Verbesserung der Regelungen zur Ermittlung und Einziehung von Vermögen illegaler Herkunft

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mafianeindanke bezieht zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen für ein Vermögensverschleierungsbekämpfungsgesetz (VVBG) Stellung.

1. Sachstand

Am 23. April 2024 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) den (Referenten-) Entwurf eines „Gesetzes zum Schutz des Wirtschafts- und Finanzsystems vor der Verschleierung und Einbringung bedeutsamer inkriminierter Vermögenswerte (Vermögensverschleierungsbekämpfungsgesetz- VVBG)“ veröffentlicht.[1] Dieser Entwurf soll den bereits im Deutschen Bundestag anhängigen Gesetzesentwurf „zur Verbesserung der Bekämpfung der Finanzkriminalität“ (FKBG)“ [2] vom 6. 12. 2023 ergänzen. Zu einer Verabschiedung des Entwurfs zum FKBG kam es bisher nicht, weil  die Bundestagsfraktionen der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen Verbesserungen verlangen. Verbesserungen werden von beiden Fraktionen u. a. bei der Ermittlung, Sicherstellung und Einziehung von Vermögensgegenständen illegalen Ursprungs gefordert. Auch eine Zustimmung des Bundesrats zum FKBG ist nicht sicher. Der Bundesrat hält das Gesetz, anders als die Bundesregierung, für zustimmungspflichtig.[3]

Mafianeindanke hat den FKBG-Regierungsentwurf wegen seiner Kompetenzüberschneidungen mit den Ermittlungsbehörden der Länder bzw. dem Zoll und der dadurch verursachten Doppelarbeit und von Informationsverlusten kritisiert. Der Entwurf führt nicht zu einer Bündelung der Kräfte bei der Aufklärung von Strukturen der Vermögensverschleierung. Die FKBG-Regelungen sind ohne Stärkung des Rechts der Vermögensermittlung und Vermögensabschöpfung nach dem Recht der Gefahrenabwehr jenseits des Strafrechts eine Ressourcenverschwendung ohne Mehrwert für die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und der Geldwäsche.[4]

Sollte der nun vorgelegte Referentenentwurf für ein Vermögensverschleierungsbekämpfungsgesetz (VVBG) in Kraft treten, hätte dies ebenfalls keine substantiellen Verbesserungen in der praktischen Ermittlungsarbeit zur Folge. Dem Entwurf kann nicht einmal Symbolcharakter zugesprochen werden. Er macht die Bekämpfung der Organisierten Finanzkriminalität zum Teil sogar zur Karikatur (vgl. IV.). Die geplanten Regelungen im VVBG, die der zuständigen Behörde kaum Ermittlungskompetenzen an die Hand geben, untermauern die Kritik von mafianeindanke, dass BMF mit dem FKBG ein totes Pferd reitet. Selbst wenn das FKBG mit Änderungen in Kraft treten würde, wäre das mit diesem Gesetz eingerichtete „Bundesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität (BBF)“ jahrelang nicht operabel, weil fachlich geeignetes Personal in ausreichender Zahl nicht rekrutiert werden kann und BMF kein Konzept vorgelegt hat, wie und in welchem Zeitraum qualifiziertes Personal gewonnen werden kann. Finanzermittler:innen fehlen bereits in den Behörden des Bundes und den Ländern, die bisher für diese Aufgabe zuständig sind.

Der erste Referentenentwurf zum FKBG vom 21.7.2023, einem Artikelgesetz, enthielt zunächst auch einen Entwurf für ein Vermögensermittlungsgesetz, der Lücken bei der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung mit dem Nukleus einer administrativen Vermögensermittlung schließen sollte. Dieser in Ansätzen positive Teil des Entwurfs wurde aufgrund der Intervention des BMJ und der Leitung des BMF nicht in den zweiten Referentenentwurf vom 8.9.2023 und den Kabinettentwurf zum FKBG[5] übernommen. BMF kündigte jedoch an, einen separaten Vorschlag zur Vermögensermittlung nach Einbringung des FKBG in den Deutschen Bundestag nachzuschieben.

2. Der Entwurf zum Vermögensermittlungsgesetz ist zahnlos

Ausweislich des nun vorliegenden Referentenentwurfs zum Vermögensermittlungsgesetz (VVBG), das einen Artikel für ein Vermögensermittlungsgesetz (VermG) enthält, soll im BBF ein „Ermittlungszentrum Vermögensverschleierung“ mit insgesamt 102 Planstellen geschaffen werden (§ 1 Abs. 3 E). Qualitativ neue administrative Ermittlungskompetenzen, etwa Befragungs- und Anordnungsbefugnisse, die die zuständige Behörde mittels Verwaltungsakts über den Verwaltungszwang durchsetzen kann, soll diese Behörde jedoch nicht bekommen.

Der Entwurf lässt den seit 2017 bestehenden, defizitären Status quo bei der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung und damit die Regelungen der §§ 73 bis 76a Abs. 4 StGB unverändert. Er nimmt nicht einmal dringend benötigte Ergänzungen und Konkretisierungen der Leitlinien für die Beweiswürdigung bei der erweiterten selbständigen Einziehung (§ 76a Abs. 4 StGB) in § 437 Strafprozessordnung vor. Die nach wie vor verfahrensmäßig unangetastete Verzahnung des Rechts der Vermögensabschöpfung mit dem Strafrecht, die damit einhergehende Ankoppelung an das Strafprozessrecht, was bis heute zu Unklarheiten bei der Anwendung der Beweisregel des § 437 StPO führt, und damit der Verzicht bei der Vermögensabschöpfung auf ein eigenständiges Gesetz im Verwaltungsrecht nach dem Recht der Gefahrenabwehr in Deutschland sind die Hauptgründe für diese Ineffektivität. Mafianeindanke hat auf die rechtlichen Fragen und die Anwendungsprobleme bei § 76a Abs. 4 StGB bereits früher im Detail hingewiesen.[6] Italien ist hingegen durch ein polizeirechtlich-präventives Verfahren im Codice Antimafia von 2011 bei der Vermögensabschöpfung von Mafia-Vermögen erfolgreich und hat bei der Vermögensabschöpfung Vorbildfunktion – in der ganzen Europäischen Union.[7]

Handlungsbedarf sieht BMF im Referentenentwurf lediglich bei einer Optimierung der Aufklärung der wirtschaftlich Berechtigten von verdächtigen Vermögensgegenständen oder der Herkunft der für den Erwerb solcher Gegenstände aufgewendeten Mittel „im Vorfeld“ eines Strafverfahrens. Dadurch sollen über die Schaffung des Ermittlungszentrums Vermögensverschleierung Schlupflöcher bei der Ermittlung und Transparenz der wirtschaftlich Berechtigten geschlossen werden[8], um durch Datenabklärung auf Fälle unterhalb eines strafprozessualen Anfangsverdachts zu stoßen. Diese sollen dann ggf. mit Fakten angereichert und damit nach Erreichung der Schwelle eines strafprozessualen Anfangsverdachts in ein strafprozessuales Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft überführt werden können.

Die Mitarbeiter:innen des Ermittlungszentrums sollen sich jedoch im Wesentlichen auf Datenabklärungen beschränken, etwa durch Einsichtnahme in von öffentlichen Stellen geführte Register und als weiterer Nutznießer:innen des Kontenabrufverfahrens gem. § 24c KWG, an dem das BBF als Auskunftsberechtige und Nutzer teilnehmen soll (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 und 3 (E)). Es ist bemerkenswert, dass der Einblick der Mitarbeiter:innen in nach § 30 Abgabenordnung (AO) geschützte Steuerdaten nicht vorgesehen ist. Hierfür hätte der § 31b Abgabenordnung (AO) angepasst werden müssen.

Dieser Kompetenzminimalismus entspricht der Intention des BMF, dass nur „Befugnisse mit geringer Eingriffsintensität“ (!) dem Ermittlungszentrum eingeräumt werden sollen (S. 32 des Entwurfs). Bei einem Verlangen der Behörde zur Auskunftserteilung (Erklärungsanordnungen) hat der/die Betroffene keine Pflicht zur Mitwirkung. Es soll sich deshalb nicht um belastende Verwaltungsakte handeln (S. 33). Bei einem administrativen Verfahren ist dies unter Würdigung des Regelungsinhalts der Maßnahmen und aus der Sicht des/der Anordnungsgegners dogmatisch nicht vertretbar.

Die geplante Anordnung des § 6 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 E ist, ohne dies im Entwurf zu erwähnen, fast wörtlich den Regelungen des § 44c KWG im Rahmen der Verfolgung unerlaubter Bankgeschäfte und Zahlungs- bzw. Finanzdienstleistungen nachgebildet, die unstreitig belastende Verwaltungsakte darstellen (vgl. auch § 8 ZAG). Von ihnen kann bereits dann Gebrauch gemacht werden, wenn Tatsachen vorliegen, die auf die Ausübung unerlaubter Geschäfte hindeuten.[9]

Kompetenzen, die die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bei der Aufklärung und Verfolgung von unerlaubt betriebenen Finanzgeschäften seit Jahrzehnten unbestrittenermaßen im Aufsichtsrecht hat und diese mit den Mitteln des Verwaltungszwangs auch durchsetzen kann, sollen dem Ermittlungszentrum nicht eingeräumt werden. Hierzu gehören nach dem Kreditwesengesetz (KWG) umfangreiche administrative Auskunfts- und Vorlegungsersuchen, Betretungs- Prüfungs- und Beschlagnahmerechte vor Ort, die der Untersagung des Geschäftsbetriebs und der Abwicklung von Unternehmen vorgeschaltet sind. Ohne solche Abklärungsrechte ist das Ermittlungszentrum ein Papiertiger.

Die Abklärung und Verfolgung unerlaubter Bankgeschäfte, Finanzdienstleistungen und Zahlungsdienste gem. § 44c KWG bzw. § 8 ZAG übersteigt, was ihre Eingriffsintensität anbelangt, bei weitem Eingriffe der §§ 4ff. des Entwurfs und betreffen den durch Art. 14 GG geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb. Die genannten Maßnahmen sind die Vorstufe von Untersagungsverfügungen zur Einstellung des Geschäftsbetriebs und der unverzüglichen Abwicklung dieser Geschäfte (§ 37 KWG). Sie verstoßen beim Vorliegen entsprechender Tatsachen jedoch einhellig nicht gegen das Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG). Gleichermaßen würde beim Vorliegen entsprechender gefahrenbegründender Maßnahmen gem. §§ 4 ff des Entwurfs entgegen der Auffassung des BMF eine solche Grundgesetzverletzung nicht vorliegen, wenn das Ermittlungszentrum mit solchen Rechten ausgestattet würde.

Die vom Ermittlungszentrum geführten Verfahren werden im Entwurf unzutreffend als „administrative Verfahren“ bezeichnet. Tatsächlich handelt das Ermittlungszentrum im geplanten BBF fast ausschließlich als Hilfsbeamtin und Zuarbeiterin für die Staatsanwaltschaft und ist damit der Strafprozessordnung unterworfen.

3. Zu hohe Schwellenwerte

Die Behörde soll nur verdächtiges Vermögen ermitteln, das nach der Definition des § 2 Abs. 1 E Vermögensgegenstände erfasst, deren Wert 100.000 Euro übersteigen und bei denen nach Abs. 2 Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie aus einer rechtswidrigen Straftat herrühren. In einem solchen Fall kann das Ermittlungszentrum Vermögensverschleierung von der Person nach § 3 E u.a. Auskunft über die Herkunft des Gegenstands verlangen und beim zuständigen Verwaltungsgericht dessen Einziehung nur dann unter der kumulativen Voraussetzung beantragen (§§ 11,12 E), dass der Vermögensgegenstand nach Überprüfung der Erklärung der Person aus einer rechtswidrigen Tat herrührt und der/die Anordnungsgegner in der Erklärung eingeräumt hat, dass der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt (sic!). Im Regelfall wird der Vorgang jedoch aufgrund der Datenabklärung nach Aktenlage an die Strafverfolgungsbehörden beim Vorliegen eines Anfangsverdachts abgegeben oder das Verfahren eingestellt. Der Verfahrensweg zum Verwaltungsgericht ist somit in der Praxis eine absolute Rarität.

Würde das BMF tatsächlich mit einem vorgeschalteten administrativen Verfahren und der Schaffung von über das Verwaltungsvollstreckungsrecht durchsetzbaren Kompetenzen des Ermittlungszentrums Vermögensverschleierung Ernst machen, würde sich auch die behauptete Notwendigkeit der Etablierung eines Schwellenwerts (§ 2 Abs. 1 Satz 1 (E)) nicht stellen. Die gesetzliche Verankerung eines Schwellenwerts ist ein falsches Signal gegenüber der organisierten Wirtschaftskriminalität und lädt geradezu zur Umgehung ein.

Benötigt wird dieser ohnehin nicht. Auch nicht aus arbeitsökonomischen Gründen. Im Verwaltungsverfahren gilt das Opportunitätsprinzip, das die Verwaltungsbehörde nicht zwingt, jedem auffälligen Sachverhalt, der einen Bagatellcharakter aufweist, nachzugehen. Die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes würde hier ein Übriges tun. Wenn das BBF jedoch die bescheidenen zusätzlichen Kompetenzen, die sie im Entwurf als in den meisten Konstellationen bloße Zuarbeiterin und damit Hilfsbeamtin der Staatsanwaltschaft in der Vorstufe eines Verfahrens hat, nutzt, gilt das Legalitätsprinzip, der die zuständige Behörde zwingt, jedem verdächtigen Sachverhalt nachzugehen.

Der Schwellenwert in Höhe von 100.000 Euro ist nach Sinn und Zweck einer effektiven Vermögensermittlung bzw. Vermögensabschöpfung nicht nur viel zu hoch, sondern würde auch in den Fällen des § 2 Abs. 2 Nr. 4 b und c) des Entwurfs mit der „Verordnung (EU) 2018/1672 vom 23. Oktober 2018 über die Überwachung von Barmitteln, die in die Union oder aus der Union verbracht werden, und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1889/2005“ kollidieren, der eine Barmittelgrenze von 10.000 Euro zugrunde liegt. Schon zur Vermeidung von Kollisionen mit dem EU-Recht muss dieser Schwellenwert gestrichen werden.

4. Realsatire im Gesetzesentwurf

Von einem „administrativen Verfahren“, dem der Gefahrenbegriff des Polizeirechts bzw. des Rechts der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zugrunde liegen müsste, kann nur bei den erwähnten, völlig irrelevanten Fällen gesprochen werden, bei denen „im Falle der geständigen Einlassung der Anordnungsgegnerin oder des Anordnungsgegners (sic!), dass der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt“, die zuständige Behörde einen Antrag beim zuständigen Verwaltungsgericht auf Einziehung des Vermögensgegenstandes stellen kann (§ 11 und 12 E).[10] „Geständige Einlassungen“ wird es jedoch in Verfahren, deren Hintergrund von Geldwäsche und Organisierter Kriminalität geprägt ist, nur bei den Dümmsten der Anordnungsgegner:innen geben, da diese den Verwaltungszwang bei der Durchsetzung von Verwaltungsakten überhaupt nicht befürchten müssen. Warum sollte ein:e Anordnungsgegner:in Auskunft geben, wenn er/sie hierzu nicht verpflichtet ist?  Derlei Auskunftsverlangen auf freiwilliger Basis würde die Anordnungsgegner:innen im Übrigen nur vorwarnen und sie dazu motivieren, Vermögensgegenstände zu verbergen oder auf Dritte zu übertragen. Wer als Regulator:in für solche praxisfernen „geständigen Einlassungen“ spezielle Regelungen für die Beendigung des Verfahrens schafft, verniedlicht das Problem der Finanzkriminalität und die Gefährlichkeit der Anordnungsgegner:innen, mit denen die deutsche Gesellschaft und Wirtschaft zu tun hat. Finanzkriminelle sind keine Eierdiebe. Dieses Beispiel zeigt, dass BMF und BMJ von einer ernsthaften und zielführenden Finanzkriminalitätsbekämpfung meilenweit entfernt sind.

5. Eine wirksame Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, der Geldwäsche sowie anderer Formen der Finanzkriminalität steht und fällt mit einer optimierten Ermittlung, Sicherstellung und Einziehung illegal generierten Vermögens

Die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und der Geldwäsche setzt ein umfangreiches regulatorisches Maßnahmenbündel voraus, dessen Herzstück eine effektive Abschöpfung illegal generierten Vermögens ist. Die Einziehung illegal generierter Vermögenswerte entzieht Kriminellen unrechtmäßig erworbenes Vermögen und verhindert, dass sie es in weitere Straftaten investieren bzw. in die allgemeine Wirtschaft integrieren und so ihre wirtschaftliche und politische Macht festigen. Geldwäscher:innen können sich in der „legalen Wirtschaft“ ein Standbein schaffen. Das ist die Essenz des Gefahrenbegriffs der Ersten Geldwäscherichtlinie (EWG 91/308/EWG) vom 10. Juni 1991.[11]

Gegen legale Konkurrent:innen können sich kriminelle Markteilnehmer:innen durch ihre Finanzkraft, die auf illegal generierten Gewinnen beruht, durchsetzen. Folge dieser illegalen Praktiken sind nicht allein eine Verzerrung des Wettbewerbs oder die Störung der Integrität und Solidität der Märkte, sondern auch ein Zuwachs wirtschaftlicher und damit auch politischer Macht und das Entstehen intransparenter, antikonstitutioneller Strukturen, denen Exekutive und Legislative mit ordnungspolitischen Maßnahmen begegnen müssen.[12]

Die Höhe der sichergestellten Erträge ist in Europa nach wie vor bescheiden. Sie beträgt weniger als 2% der geschätzten jährlichen Erträge der Organisierten Kriminalität, wie aus einer von Europol im September 2023 durchgeführten Datenerhebung über sichergestellte Vermögenswerte hervorgeht.[13] Die Höhe der sichergestellten und eingezogenen Vermögensgegenstände sind in den Ländern der EU besonders niedrig, die wie in Deutschland einem ausschließlich strafrechtlichen Ansatz bei der Vermögensabschöpfung folgen und damit den Prozessmaximen des Strafprozessrechts unterworfen sind. Hierzu gehört auch, dass es eine Beweislastumkehr in einem solchen Verfahren nicht geben kann. Verbesserungen bei der Vermögenseinziehung kann es nur dann geben, wenn diese abgekoppelt vom Strafrecht in einem administrativen Verfahren wie in Italien (oder zivilprozessual wie in Großbritannien – allerdings mit geringerem Erfolg) regulatorisch erfolgen.

Verbesserungen bei der Ermittlung und Einziehung von Vermögenswerten illegalen Ursprungs lassen sich nur durch einen aus drei Elementen bestehenden Maßnahmenkatalog erzielen:

  • Aufstockung des für Finanzermittlungen und Einziehungen qualifizierten Personals

bei Polizei, Zoll und Staatsanwaltschaften

  • Schaffung von Transparenz bei Vermögenswerten

Wir brauchen mehr Maßnahmen und mehr Datenbanken in den unterschiedlichen wirtschaftlichen Sektoren zur besseren Feststellung wirtschaftlich Berechtigter und von bewusst undurchsichtig gehaltenen Konstruktionen – im Immobiliensektor und bei der Investition in Finanzprodukte. Wenn die notwendigen Informationen über Vermögenswerte und Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten fehlen, können Daten nicht wirksam miteinander verknüpft werden. Dadurch laufen Finanzermittlungen weitgehend ins Leere. Ohne den erweiterten Zugriff der Ermittlungs- und Aufsichtsbehörden auf Daten und deren Verknüpfung in einem Vermögensregister werden Finanzermittlungen auch in Zukunft eher eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen sein.

  • Schaffung eines Rechtsrahmens für eine administrative Vermögensabschöpfung außerhalb des Strafrechts

Bundesfinanzminister Lindner hatte im Jahr 2023 erklärt, mit dem FKBG die Täterinnen und Täter da treffen zu wollen, wo es ihnen weh tut: Beim illegal erlangten Vermögen.[14] Er griff damit einen rechtspolitischen Gemeinplatz auf: Die Bekämpfung der OK und Geldwäsche ist nur dann erfolgreich, wenn illegal akkumuliertes Vermögen abgeschöpft wird.

Vermögensabschöpfung in Deutschland kommt jedoch mit den bisherigen Instrumenten nicht voran. Daran wird auch das VVBG nichts ändern. Eine Reform der Vermögensabschöpfung im Jahr 2017[15] hat die erhoffte Verbesserung ebenfalls nicht gebracht.  Dies gilt auch für das damals neu geschaffene Institut der selbständigen Einziehung (§ 76a Abs. 4 StGB). Diese Norm sollte es ermöglichen, die Entscheidung über die Vermögensabschöpfung von der Hauptsache im Strafverfahren (Schuld- und Straffrage) abzutrennen, indem die Abschöpfung in einem getrennten (nachträglichen) Verfahren erfolgen kann. Positive Entscheidungen nach § 76a Abs. 4 StGB haben bis heute Seltenheitswert. Die 77 Verfahren in Berlin gegen lokale Clan-Kriminelle, die bisher nur in 3 Verfahren zu einer Einziehung von Grundstücken geführt haben[16]  und die zu § 76a Abs.4 StGB veröffentlichten, in Bezug auf die Vermögenseinziehung für die Staatsanwaltschaften oft negativen  Entscheidungen (soweit sie in juris und anderswo veröffentlicht sind), belegen die komplexe Handhabung in der Praxis und die weitgehende Ineffektivität dieser Norm.[17]  Bis zum heutigen Tag ist in der Praxis die erweiterte selbständige Einziehung nicht nur mit einem Akzeptanzproblem, sondern auch mit einem Anwendungsproblem verbunden.[18]


Eine Verbesserung der Vermögensabschöpfung in Deutschland ist von den FDP-Ministern im BMF und BMJ nicht gewollt

Eine Neuausrichtung der Vermögensabschöpfung scheitert nicht an rechtlichen Hindernissen. Sie  ist politisch nicht gewollt, da die Leitung des federführenden Ressorts BMF und des BMJ ohne weitere Begründung und ohne empirischen Beleg davon ausgehen, dass der rechtliche Status quo der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung gem. §§ 73 ff StGB einschließlich der 2017 neu eingeführten erweiterten selbständigen Einziehung gem. § 76a Abs. 4 StGB nicht verbesserungsbedürftig sei und lediglich durch ein der weiterhin strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vorgeschaltetes Verfahren nach dem Vermögensermittlungsgesetz für Fälle angereichert werden müsse, in denen ein verdächtiger Vermögensgegenstand keiner Person zugeordnet werden kann.

Dem Entwurf liegt das Vorverständnis der FDP zugrunde, dass eine nicht verurteilungsbasierte selbständige Einziehung bei schweren Straftaten in einem ausschließlich administrativen Verfahren und damit in einem in rem-Verfahren (Verfahren gegen die Sache und nicht gegen die Person), das den Namen durch die vollständige Abkoppelung von den Maximen des Strafrechts bzw. Strafprozessrechts und dessen Ersetzung durch das Verwaltungsverfahrensrecht und der Verwaltungsgerichtsordnung wirklich verdient, nicht durch die Inhalts- und Schrankenbestimmung des Grundrechts auf Eigentum gem. Art. 14 GG gedeckt sei. Diese Position der FDP ist nicht neu. Die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag hat bereits die erweiterte selbständige Einziehung gem. § 76a Abs. 4 StGB bei den Beratungen dieser Norm im Jahr 2017 u. a. wegen Verstoßes gegen Art. 14 GG für verfassungswidrig gehalten.[19] Von der FDP-Fraktion wurde die Meinung vertreten, dass § 76a Abs. 4 StGB zu einer verbotenen Umkehr der Beweislast führe. Das Bundesverfassungsgericht hat sie jedoch in dieser Frage nicht angerufen.

Eine effektive Konfiskation kann in Deutschland über das Gefahrenabwehrrecht administrativ durchaus in einem eigenständigen Gesetz erfolgen. Vermögensabschöpfung verfolgt, wie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich betont,[20] keinen repressiven, sondern einen präventiven Zweck. Der deutsche Gesetzgeber müsste dabei auch kein Neuland betreten. Er könnte vielmehr an bestehende verwaltungsrechtliche Konfiskationsnormen anknüpfen, die nach Sinn und Zweck der Norm Parallelen zu den Aufgaben bei der Bekämpfung der Geldwäsche und der Organisierten Kriminalität aufweisen und in der Praxis prozessual den Weg zu den Verwaltungsgerichten und den im Verwaltungsprozess geltenden Prozessmaximen eröffnet haben (vgl. § 51 Bundesnaturschutzgesetz).[21]

Es stellt sich für den Fortgang des im Deutschen Bundestrag anhängigen Gesetzgebungsverfahrens „zur Verbesserung der Bekämpfung der Finanzkriminalität“ (FKBG)“ und für den ergänzenden Entwurf für ein Vermögensverschleierungsbekämpfungsgesetz nunmehr die Frage, ob die Fraktion der SPD und von Bündnis 90/die Grünen weiterhin bereit sind, die Blockadepolitik der FDP-Ministerien hinzunehmen oder aber auf substantielle Verbesserungen zu bestehen und hierzu im parlamentarischen Verfahren Änderungsvorschläge zu unterbreiten.


Die Stellungnahme wurde von Ministerialrat a.D. Michael Findeisen für mafianeindanke verfasst. Michael Findeisen ist Mitglied von mafianeindanke und Fellow der Bürgerbewegung Finanzwende e.V.


[1]https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_III/20_Legislaturperiode/2024-04-23-VVBG/0-Gesetz.html.

[2] https://dserver.bundestag.de/btd/20/096/2009648.pdf.

[3] https://dserver.bundestag.de/brd/2023/0506-23.pdf.

[4] Zu unserer Kritik an diesem Gesetzesentwurf vgl.: https://mafianeindanke.de/de/mafianeindanke-fordert-ein-vollstaendiges-umsteuern-beim-finanzkriminalitaetsbekaempfungsgesetz/.

[5] https://dserver.bundestag.de/btd/20/096/2009648.pdf

[6] Vgl. hierzu eingehend  https://mafianeindanke.de/wp-content/uploads/Mafianeindanke_Was-gegen-Organisierte-Kriminalitaet-und-Geldwaesche-zu-tun-ist-5.pdf, S. 32ff.

[7] Bettels, Gewinnabschöpfung zur Bekämpfung Organisierter Kriminalität am Beispiel Italiens (2016), 176ff.

[8] Entwurf A I. S. 28

[9] Vgl. für Viele: Beck/Samm/Kokemoor, KWG, § 44c, Rn 1ff.

[10] Vgl. Option 4. bei der Beendigung des Verfahrens (S. 33 des Entwurfs)

[11] Erwägungsgrund 1.

[12] Altvater/Mahnkopf, Globalisierung der Unsicherheit – Arbeit im Schatten, Schmutziges Geld und informelle Politik (2002); Findeisen in: Derleder/Knops/Bamberger (Hrsg.), Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, 3.Aufl. 2017, § 85,1783.

[13] https://www.europol.europa.eu/media-press/newsroom/news/new-europol-report-shines-light-multi-billion-euro-underground-criminal-economy

[14] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/lindner-zoll-organisiertekriminalitaet-100.html.

[15] BGBl. I 2017, S. 872ff.

[16] https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/clankriminalitaet-gericht-spricht-mitglied-der-remmo-familie-immobilien-zu-19365294.htmlhttps://www.tagesspiegel.de/berlin/geldwasche-ermittler-sehen-fatales-signal-berliner-gericht-spricht-remmo-mann-eingezogene-clan-immobilien-zu-10886509.html#:~:text=Im%20Rechtsstreit%20um%20Immobilien%2C%20die,der%20deutsch%2Darabischen%20Gro%C3%9Ffamilie%20ab.

[17] Die nach § 76a Abs. 4 StGB eingeleiteten bzw. abgeschlossenen Verfahren zur erweiterten selbständigen Einziehung werden statistisch in der Strafverfolgungsstatistik bei der Vermögensabschöpfung nicht getrennt von den Verfahren gem. §§ 73 bis 76a Absätze 1-3 StGB erfasst. Es gibt mithin keine belastbaren Zahlen, die den Erfolg des § 76a Abs. 4 StGB belegen könnten. Bund und Länder sind aus Kostengründen (personeller Mehraufwand in der Rechtspflege der Länder) nicht bereit, dies zu ändern und insoweit Transparenz herzustellen

[18] Vgl. hierzu eingehend  https://mafianeindanke.de/wp-content/uploads/Mafianeindanke_Was-gegen-Organisierte-Kriminalitaet-und-Geldwaesche-zu-tun-ist-5.pdf, S. 32ff.

[19] Vgl. BT-Drs. 19/8308, 1.

[20] BVerfGE 110, 1, 15ff.

[21] Vgl. hierzu VG München, Urteil vom 20.3.2014 – M 10 K 12.1546.