Mafianeindanke ist im Rahmen seiner Tätigkeit immer wieder auf Fälle von missbräuchlicher Verwendung des Attributs „mafioso“ (dt: mafiös) gestoßen: In der Gastronomie wird der Begriff „Mafia” romantisiert. Das Problem hat eindeutig eine europäische Tragweite: Denken Sie an die spanische Restaurantkette „La mafia se sienta a la mesa“ (die Mafia sitzt am Tisch) oder das Pariser Restaurant „Corleone by Lucia Riina“. Und nun denken Sie noch einmal an die Gerichte derselben Restaurantketten, mit denen das Adjektiv „mafiös“ spielerisch assoziiert wird1. Auch in Deutschland findet die Hommage an die Mafia-Folklore viel Zustimmung. Nicht umsonst hat Mafianeindanke mit der Initiative „Was tun gegen Mafia-Werbung?“ Stellung bezogen. Die Initiative ruft dazu auf, dem Verein die Namen von kommerziellen Aktivitäten mitzuteilen, die mit ihrem Branding und ihren Produkten auf Mafia anspielen.
Ob es sich um eine präzise Marketingentscheidung von Mafia-Clans handelt oder um den naiven Versuch von unbeteiligten Gastronom*innen: Selbst wenn es dazu dient, sich in einem hart umkämpften Markt durchzusetzen, bringt die Anspielung auf die Mafia verschiedene Probleme mit sich. Um die Konsequenzen eines solchen Trends hervorzuheben, halten wir es für sinnvoll, die Ursachen zu untersuchen, die der Trivialisierung des „Mafioso“ und aller ihn betreffenden Bilder zugrunde liegen. Zusätzlich zu den allgemeinen Fehlinformationen über die Mafia fragen wir uns, ob ihre Romantisierung, insbesondere im gastronomischen Bereich, nicht mit einem fehlerhaften kulturellen Rahmen zusammenhängt: einer allzu oft erfolgten Verzerrung des Bildes von Italien und seiner Kultur. Diese wird leichtfertig mit Mafia identifiziert. Über diese Themen hat Mafianeindanke mit Cettina Vicenzino gesprochen, einer sizilianischen Autorin von Kochüchern über die kulinarischen Traditionen Italiens. Bei dem Versuch, ein authentisches Bild der italienischen Kultur – nicht nur der Küche – in Deutschland zu verbreiten, musste sie sich mit der verbreiteten Stereotypisierung der Kultur sowie deren unangemessener Assoziation mit einer romantisierten Mafia-Bilderwelt auseinandersetzen.
Mnd: Sie sind schon in jungen Jahren nach Deutschland gezogen. Warum haben Sie sich nach Ihrem Studium entschieden, Ihre tief in der italienischen Tradition verwurzelte Kochkunst hier auszuüben?
Cettina Vicenzino: Meine Eltern hatten lange Zeit ein italienisches Restaurant, in dem ich aufgewachsen bin und mitgeholfen habe. Dennoch wollte ich weder Köchin werden noch Kochbücher schreiben. Ich ging stattdessen nach Hamburg und studierte Modedesign. Mein Modestudium wurde aber immer künstlerischer in Form von Fashion-Art und meine Kunst immer essbarer in Form von Eat-Art. Ich verband Mode mit Kunst und mit Essen. Zusätzlich noch mit sozialen und philosophischen Themen und landete damit auch wieder bei meinem italienischen Ursprung und bei den wunderbaren Rezepten meiner Mutter Maria. Die Idee ihre Rezepte aufzuschreiben war geboren. Aber erst ab diesem Moment fiel mir auf, wie sehr die italienische Küche in Deutschland von Deutschen, Engländern und Amerikanern erzählt und geprägt wird. Es gab fast gar keine Kochbücher von in Deutschland lebenden Italienern. Auch in den anderen Medien kamen sie selten bis gar nicht vor. Und wenn ja, dann musste der Lieblingsitaliener bestimmte Klischees erfüllen.
Nicht nur die italienische Küche und Kultur wurde mir als Italienerin in den Medien überwiegend aus der Sicht der Deutschen erklärt, sondern auch, wie ich als italienische Frau zu sein habe. Auf alle Fälle sollte ich gebrochen Deutsch reden, dabei sexy und temperamentvoll wirken und meine einzigen Vorlieben pasta, amore und bambini sein. Auf keinen Fall leise und intellektuell sein. Das Bild hat sich bis heute nicht geändert und entspricht dem Bild, das Nadia Caterina Munno als „The Pasta Queen“ überspitzt vermarktet und für das sie weltweit gefeiert wird.
Mit vielem, was vor allem Journalisten, die sehr in Italien verliebt sind, über Italien und Italiener schreiben, konnte ich mich als Italienerin und vor allem als Sizilianerin noch nie identifizieren. Die sizilianische Küche wurde auf Zitronen, Mafia und Arme-Leute-Küche reduziert, über die man kein eigenes Kochbuch zu schreiben braucht. Italien bestand nicht aus 20 völlig unterschiedlichen Regionen, sondern bestand – und das tut es in vielen Köpfen immer noch – aus nur einer einzigen Region, in der alle nur Pizza, Pasta und Tiramisù essen. Ich beobachte seit Jahren, dass überwiegend italophile deutsche Journalisten Italien und Italiener immer wieder subtil abwerten und sehr verzerrte Bilder, die auch vor Mafiaromantisierung nicht halt machen, verbreiten.
Im Jahr 2009 kam dann mein erstes Kochbuch heraus mit dem Titel „Mamma Maria – Familienrezepte aus Sizilien“. Ich war naiv genug zu glauben, es könnte interessant sein, wenn auch Italiener, die in Deutschland leben, ihre Kultur vorstellen und man Italiener selbst erzählen lässt. Leider blendeten vor allem deutsche Journalisten eine andere Sicht auf Sizilien und Italien aus und das Buch wurde von der Presse zum großen Teil ignoriert oder unverhältnismäßig unfair besprochen. Aber auch ohne Presse wurde das Buch zu einem der meistgekauften Kochbücher über die sizilianische Kochkunst im deutschsprachigen Raum. Ich konnte mit dem Buch dazu beitragen, das Bild über Sizilien als Sizilianerin, also als Einheimische dieser Kultur, mitzugestalten. Einige Sizilianer bedankten sich sogar bei mir dafür, dass es in diesem Buch mal endlich keinen Mafiakult gab und sie und ihre Kultur fühlten sich zum ersten Mal gesehen. Seitdem hat sich das Bild über die sizilianische Küche auch etwas zum Positiven geändert.
Mnd: In Deutschland wird die italienische Küche oft fälschlicherweise mit der Mafia in Verbindung gebracht, obwohl die öffentliche Debatte das Thema Mafia weitgehend vernachlässigt. Wie interpretieren Sie diesen Widerspruch?
Ich glaube, es gibt einige Gründe dafür. Eines ist mit Sicherheit auch das Wort „Mafia“ an sich. Ich fände es daher besser, wenn man ein ganz anderes Wort verwenden würde, damit man endlich versteht, um was es wirklich geht. Das Wort Mafia hat, geprägt von der amerikanischen „Der Pate“-Filmreihe, eine deutlich lustige bis supercoole Konnotation in Deutschland. Mit einem Mafioso verbindet man eher fiktionale, gute Unterhaltung als eine reale, böse Gefahr. Man verbindet auch nicht nur einen coolen oder auch lustigen Macho damit, der so interessante Handbewegungen macht, so originell gebrochen Deutsch redet und damit so unglaublich witzig rüberkommt, sondern auch Bella Italia, also auch Sonne, Strand und Meer und das italienische Essen!
Italiener und auch Mafiosi werden mit gutem Essen in Verbindung gebracht, aber nicht mit der Fähigkeit gut zu organisieren. Deshalb muss man organisierte Kriminalität durch Italiener nicht fürchten. Das zweite Problem ist in der Tat das Bild, das sich viele Deutsche von Italienern gemacht haben. Sie sind lustig, aber nicht besonders intelligent, kriegen nicht viel auf die Reihe und vertrödeln den Tag mit „dolce far niente“ oder stundenlangem Essen. Und wenn man sie nachäfft, diskriminiert oder marginalisiert, regen sie sich nicht mal auf. Italiener sind pflegeleicht und machen keine Probleme. Wo soll da die Gefahr herkommen? So die Vorstellung. Auf Grund dieses Bildes muss man Italiener grundsätzlich nicht ernst nehmen. Das ist struktureller Rassismus, der nicht gesehen werden will, leider aber ist das ein guter Nährboden für die Mafia.
Mnd: Wie sind Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn mit dem Klischee umgegangen, das die italienische Küche mit der Mafia in Verbindung bringt? Können Sie uns einige wichtige Ereignisse schildern und wie Sie mit solchen Situationen umgegangen sind?
Als ich für ein Kochbuch sizilianische Rezepte für einen deutschen Autor konzipieren sollte, erhielt ich eine Liste mit Rezeptbeispielen. Darunter auch „Pasta Mafiosa“. Es ist den Menschen in der Besprechung, die der italienischen Kultur nicht angehörten, überhaupt nicht aufgefallen, dass dies eine Verunglimpfung bedeutet. Es gibt einfach keine „Pasta Mafiosa“. Nach meinem Einwand wurde dann auch die Idee, ein Mafiagericht für das Kochbuch zu konzipieren, herausgestrichen. Es wäre sonst selbstverständlich dringeblieben. Die Regel ist es aber nicht, dass Italiener Rezepte für italienische Kochbücher oder Magazine konzipieren, das ist leider die Ausnahme.
Oft kann ich aber nichts dagegen tun, wenn z.B. deutsche Journalisten, die sogar italienische Literatur studiert haben, nachdem sie mein Kochbuch „Sizilien in meiner Küche“ rezensieren, zum Schluss den Film „Der Pate 2“ empfehlen, und das, obwohl ich mich in meinem Buch explizit gegen diesen Mafiakult ausspreche. Die gleiche Journalistin aber empfand den Buchtitel meines ersten Kochbuches „Mamma Maria!“ als Klischee, obwohl meine Mutter nun mal so heißt. Verrückte Welt! Und hier wird klar, dass man in Deutschland italienische Küche und Kultur nicht mit echten Menschen, die in dieser Kultur wirklich leben, verbindet, sondern Italien und Italiener als ein Konstrukt, eine Marketingidee oder ein Lifestyleprodukt sieht.
Eine andere Journalistin, die eine Doku über das sizilianische Essen gedreht hat und sich als Inspiration auch mein Buch „Sizilien in meiner Küche“ kaufte, stellte, nachdem ich ihr sogar schrieb „Bitte kein Mafiakult“, in ihrer Doku dann doch die Pate-Touri-Tour vor. Sie rechtfertigte sich damit, dass der „Pate“ kein Mafiakult sei, sondern ein Filmklassiker. Mich macht sowas sprachlos, denn auch in Deutschland muss man mittlerweile wissen, dass diese Filme von Mafiabossen als gute Werbung für ihre Organisation betrachtet werden.
Als Italienerin ist es unmöglich gegen diese Stereotype anzukämpfen, weil leider zu viele Journalisten den Mafiakult unterstützen, das Verunglimpfende darin nicht erkennen und nicht einmal verstehen. Als ich mal in einem Interview mit dishes-delicious.de sagte, dass „es schwierig sei in Deutschland authentische italienische Küche zu verbreiten“, meinte ich auch das damit. Unter dieser Zeile aus meinem Interview schrieb dann eine weitere Foodjournalistin, dass es einem deutschen Autorenpaar, das sehr erfolgreich italienische Kochbücher herausbringt, sehr gut gelingen würde authentische italienische Küche zu verbreiten! Damit meinte sie das Paar, das in ihrem Kochbuch Caponata mit Al Capone in Verbindung bringt und genau dieses Kochbuch wird von vielen deutschen Journalisten als echt italienisch empfunden.
Dass „Mafiakult“ und „echt italienische Küche“ für viele zusammengehört, zeigt sich leider auch an den vielen Mafia-Kochbüchern. Die dazugehörigen positiven Rezensionen sind nicht weniger verunglimpfend. So steht auf amazon unter dem Kochbuch: Der Pate: Das Kochbuch der Corleone-Familie von 2020 zum Beispiel: „ein fantastisches Kochbuch der traditionellen italienischen Küche.“ oder „Das passende Geschenk für jeden Italiener“.
Mnd: Welchen Einfluss hat Ihrer Meinung nach die Verwendung dieser Stereotype auf die Art und Weise, wie die Deutschen die Mafia sehen und wahrnehmen?
Solange Deutsche das Italienbild der Amerikaner und im speziellen der amerikanischen Filmindustrie übernehmen und reproduzieren und sie noch zusätzlich mit der eigenen Sehnsuchtsromantik überziehen, statt genau hinzusehen, um zu erkennen, dass das alles weder mit Italien noch mit Italienern etwas zu tun hat, wird sich da nichts ändern. Im Gegenteil, sie spielen dem organisierten Verbrechen in die Hände. Denn für das organisierte Verbrechen gibt es nichts Besseres als romantisch-verklärte Menschen um sie herum, die zu willigen Mithelfern werden, indem sie diese Italo-Stereotype verbreiten und am Leben halten. Stereotype und Sehnsuchtsromantik verharmlosen die reale Gefahr und verhöhnen die Opfer der Mafia.
Mnd: Glauben Sie, dass einige Italiener trotz eines größeren Bewusstseins für die Mafia auch zur Verbreitung dieser Stereotype beigetragen haben?
Italiener sollten sich bewusst mit Stereotypen kritisch auseinandersetzen, bevor sie unbewusst mitmachen und sich und andere am Ende damit schaden. Bewusstsein ist immer der beste Schritt seine Kultur zu schützen. Leider tun es viele in Deutschland lebende Italiener aber nicht. Im ZEITmagazin-Gespräch vom 12.05.2022 mit fünf Italienern antwortet eine italienische Restaurantbesitzerin auf die Frage, ob es nicht anstrengend sei, eine Projektionsfläche für die Deutschen zu sein, dass es ihr egal sei, was Deutsche auf sie projizieren.
Einige machen aber tatsächlich auch bewusst mit, weil man am Mafiakult und am verzerrten Italokult mitverdienen kann. Es gibt tatsächlich ausländische Reisegruppen, die auf Sizilien einen Mafiosiabend organisieren, wo sie sich als Mafiosi verkleiden, um endlich auch mal mafiös zu sein. Warum machen die Hotelbesitzer mit, obwohl sie davon sogar angewidert sind? Bei dieser Perversion bin ich total überfordert den Schuldigen dabei ausfindig zu machen.
Andere wiederum sagen, dass sie sich in einem fremden Land, wo sie ein Niemand, ein Gastarbeiter sind, der in erster Linie die Drecksarbeit in Deutschland machen darf, mit diesem Stereotyp Respekt verschaffen konnten. Also spielten sie den Mafioso.
Andere machen sogar mit, weil sie sich genötigt fühlen. Vor kurzem sah ich auf der Seite einer wirklich guten Pizzeria plötzlich: Pizza Mafiosa. Ich war so enttäuscht und hab nachgefragt. Die Antwort war für mich etwas verwirrend. Weil die Gäste ihn ständig auf die Mafia ansprachen, gab es diese Pizza dann als Antwort. Das ist überhaupt gar keine gute Antwort.
Mnd: Was könnte Ihrer Meinung nach ein konstruktiver Ansatz sein, um Stereotype aufzubrechen und eine Umkehr anzustoßen? Wie können Sie in Ihrem Beruf gegen die Mafia vorgehen?
Kurz gesagt: Kulturaustausch (Respekt vor einer fremden Kultur und den Menschen dieser Kultur, verstehen, dass es Menschen sind und keine Marketingkonstrukte), statt Kulturaneignung (Kommerzialisierung und Verzerrung einer fremden Kultur auf Kosten der Menschen, die dieser Kultur angehören und die man für eigene Zwecke entwertet) würde das Problem lösen. Das ist einfach gesagt, wenn da nicht die Italien-Verliebtheit der Deutschen wäre, die genau das verhindert. Julia Hitz schreibt in ihrem Beitrag: “Sehnsuchtsland: Die verklärte Liebe der Deutschen zu Italien” sehr treffend dazu: „Die Deutschen sind verliebt – und das bereits seit fast zwei Jahrhunderten. Verliebtheit, nicht Liebe kennzeichnet die Beziehung der Deutschen zu Italien, denn es manifestieren sich deutlich die für Verliebtheit typischen kognitiven Verzerrungen: Einengung des Bewusstseins, positive Überhöhung, ausufernde Projektionen.“
Es handelt sich um ein großes Problem, das trotz Bildung auch 2024 noch nicht gelöst ist. Diese Verliebtheit lässt auch das Leiden der Italiener völlig außer Acht, die oft ausgeschlossen und an den Rand gedrängt werden, wenn es um ihre Kultur geht. Interessanterweise werden die italienische Küche und Kultur nicht mehr als etwas Fremdes, sondern als ein deutsches Kulturgut angesehen. Mir wird oft gesagt, was die italienische Küche ist – als ob ich als Italienerin das nicht wissen könnte.
Sehr auffällig ist es bei deutschen Kochbuchwettbewerben, die auch italienische Kochkunst und Kultur bewerten. In der Jury gibt es nur Deutsche, keine Italiener. Den meisten Deutschen fällt dieser Alltagsrassismus gegenüber Italienern leider gar nicht auf. Auch in Zeitungen beobachte ich das immer wieder. Im bekannten Merian-Magazin durften zum Thema sizilianisches Essen vier Köche diese vorstellen und erklären. Alle vier waren Deutsche, keine Sizilianer. Die einzigen Sizilianerinnen waren Anna Sgroi und ich, aber wir wurden nur notgedrungen erwähnt, weil von mir ein Foto aus einem Kochbuch von einem deutschen Autor verwendet wurde, für den ich die sizilianischen Rezepte erstellt hatte, und Anna Sgroi, weil einer der vier deutschen Köche, die über sizilianisches Essen erzählen durften, bei ihr gelernt hatte. Kulturelle Aneignung hat mit Kapitalismus und Kolonialismus zu tun. All das, was auch das organisierte Verbrechen auszeichnet.
Das Ausschließen von Italienern, wenn es um ihre Kultur geht, ist nicht nur diskriminierend, sondern fördert Stereotype, Verunglimpfungen und Mafia-Romantisierung. Deshalb ist es so wichtig, dass, wenn man Texte oder Kochbücher über die italienische Kultur schreibt oder sogar bewertet, sich „Sensitivity Reader“, die dieser Kultur angehören, mit ins Boot holt. Es hat mich also nicht groß gewundert, dass auch im oben erwähnten Merian-Magazin die Einleitung für die sizilianischen Cannoli mit dem Pate-Film beginnt.
Auch wenn es Italiener gibt, die diese Stereotype mit aufrecht erhalten, so kenne ich persönlich genug Italiener, die diesen Mafiakult zutiefst verabscheuen, aber in Deutschland nichts verändern können, weil italienverliebte Food-Journalisten extrem mauern. Diese muss man als Erstes dazu bringen, ihre romantisierte Italosicht, die oft auch mit einer strukturellen Diskriminierung von Italienern einhergeht, zu erkennen und aufzulösen.
Ich bin ein großer Fan der Ansätze von Leoluca Orlando, dem Ex-Bürgermeister aus Palermo, den ich sogar persönlich getroffen habe. Er konnte in seiner langen Amtszeit seinen Bürgern vermitteln, dass man sich die Stadt von der Mafia nur zurückzuerobern kann, wenn man sich der eigenen wahren Identität und Kultur bewusst wird, die nichts mit der Mafia zu tun hat. Die Mafia hat sich die sizilianische Kultur angeeignet und pervertiert. Und die verzerrte Italo-Sehnsucht füttert sie.
Wie Cettina Vicenzino hervorhebt, lässt sich das Ausmaß des Problems leicht mit einer Suche auf Amazon oder einem kurzen Blick in die deutschen Medien erkennen. Eine romantisiertes Mafia-Bild, das leicht ironisch und harmlos wirken kann, wirft ernste Probleme auf: die Verspottung der Opfer der organisierten Kriminalität, die Trivialisierung der Anti-Mafia-Bewegung sowie die Verbreitung von irreführenden Stereotypen, die die Rolle der Mafia-Organisation in der heutigen Wirtschaft und Gesellschaft verschleiert. Die Verbreitung der genannten Stereotype erleichtert die Tarnung der Mafias, die ihre Gefährlichkeit und ihre Mitstreiter:innen gerne hinter appetitlichen Rezepten oder einladenden Restaurants verstecken.
„Sprecht über die Mafia! Redet über sie, im Radio, im Fernsehen, in den Zeitungen. Aber sprecht darüber.“ Zu diesen weitsichtigen Worten von Paolo Borsellino möchten wir eine Einladung hinzufügen. Reden wir kritisch darüber und vermeiden wir es, in Trivialisierungen zu verfallen und ein unrealistisches Bild zu verbreiten, das nicht das widerspiegelt, was die Mafia wirklich ist: ein Treiber von Korruption und Instabilität für Zivilgesellschaft und Demokratie.
Aus diesen Gründen setzt sich Mafianeindanke neben der Kampagne gegen Mafia-Werbung für die Einrichtung einer Beobachtungsstelle für organisierte Kriminalität (BOK) ein. Unserer Meinung nach würde die Einrichtung einer solchen Beobachtungsstelle dazu beitragen, realistische Kenntnisse zu verbreiten, Daten zu sammeln und sie der Zivilgesellschaft leicht zugänglich zu machen. Fehlinformationen und die daraus resultierende Stereotypisierung gilt es, entschieden zu bekämpfen.