Von versteckter Schutzgelderpressung und Kokain-Großhandel | mnd in Wiesbaden

Wiesbaden

Am 17. Oktober 2024 war Sandro Mattioli von mafianeindanke bei der Jungen Union in Wiesbaden zu Gast bei der Veranstaltung “Mafiakriminalität in Deutschland und Hessen“. Im Folgenden die Zusammenfassung der Jungen Union Wiesbaden:

“Offiziell befinden sich ca. 1000 Mafiosi in Deutschland, italienische Experten gehen allerdings von einer weitaus höheren Zahl aus. Fest steht allerdings, dass es in den letzten 10 Jahren zu einer Verdopplung gekommen ist.“ Mit dieser drastischen Einschätzung eröffnet Sandro Mattioli den Themenabend der Jungen Union Wiesbaden, die unter dem Namen #JUtalk zur Podiumsdiskussion „Mafiakriminalität in Deutschland und Hessen“ eingeladen hatte.

Rund 50 Gäste folgten der Einladung in das Café Nizza der Obermayr Business School in Wiesbaden. „Das Thema Mafia ist in Deutschland enorm romantisiert und meine Generation kennt es vor allem aus Filmen oder noch mehr aus Videospielen. Wir wollten mit diesem Abend eine Möglichkeit bieten, sich über die Mafia von heute zu informieren“, erklärt der Kreisvorsitzende der Jungen Union Wiesbaden, Björn Guderjahn.

Die Veranstaltung war prominent besetzt. Neben Sandro Mattioli, Bundesvorsitzender von mafianeindanke e.V. und Autor des Spiegel-Bestsellers „Germafia: Wie die Mafia Deutschland übernimmt“, waren Kriminaldirektor Matthias Wenz vom Bundeskriminalamt (BKA) und als Moderator der Vorsitzende der Kommission für Innenpolitik und Justiz im Bundesvorstand der Jungen Union Deutschlands, Fabian Beine, zu Gast.

Fabian Beine fragt zu Beginn der Podiumsdiskussion: „In Deutschland herrscht ein anderes Bild der Mafia, ein zum Teil durch die Pop-Kultur geprägtes. Inwiefern hilft dies der Mafia in Deutschland“? „Diese Romantisierung in Deutschland erleichtert es der Mafia durchaus in Deutschland zu agieren”, ist die klare Antwort von Sandro Mattioli.

Heute agiert die Mafia anders, ist die Eingangsbotschaft von Mattioli. Insbesondere in Deutschland sei eine niedrigere Bereitschaft für offene Gewalt zu beobachten als in Italien. Doch auch da sei eine solche Entwicklung durchaus zu beobachten. Dazu passen formulierte Sandro Mattioli an anderer Stelle am Abend in Bezug auf Italien klar: “Italien ist nicht nur das Land der Mafia, sondern auch der Antimafia “.

Auf die Frage, wie das BKA vorgeht, dass nach außen hin die italienische Mafia deutlich weniger offen in Erscheinung trete als andere Gruppen der Organisierten Kriminalität, erklärt Matthias Wenz „Wenn es im Kinderzimmer still ist, schaut man nach, und das tun wir. Das Ziel der Organisierten Kriminalität ist es, Geld zu erwirtschaften, dementsprechend agieren wir nach dem Prinzip „follow the money.“

„Welche Organisationen muss man in Deutschland denn vielleicht besonders beachten oder besser gesagt: welche sticht besonders hervor?“, möchte Moderator Fabian Beine von den Referenten wissen. „Die ’Ndrangheta stellt die mächtigste der aus Italien stammenden Organisationen der Organisierten Kriminalität dar. Sie agiert und investiert in verschiedene Bereiche, u. a. in die Gastronomie. Diese ist nicht nur hinsichtlich der Möglichkeiten zur Geldwäsche interessant, sondern auch, weil sie auch die gesellschaftliche Erschließung ermöglicht“, erklärt Mattioli. Als Beispiel wird vom Podium das versteckte Zahlen von Schutzgeldern erklärt. Beispielsweise werden Gastronomen dazu gezwungen, Waren wie Olivenöl zu überteuerten Preisen zu erwerben. Somit wird die Erpressung hinter einem vermeintlich legalen Geschäft verschleiert und dient nicht zuletzt auch zur Geldwäsche. Weitere Betätigungsbereiche sind aber auch groß angelegter Drogenhandel, im Besonderen mit Kokain, der z. B. auch über deutsche Häfen wie Hamburg abgewickelt wird.

Mit der aktuell in der Öffentlichkeit so groß diskutierten Mocromafia sei die ‘Ndrangheta nicht vergleichbar. Die sogenannten Mafiamorde von Duisburg im Jahr 2007 stellte für die Mafia einen Gewaltüberschuss dar, seitdem unterbinden sie jede Form von Gewalt. Teilweise würden sogar junge Mafiosi zurückgepfiffen, wenn sie zu auffällig und zu protzig auftreten. Über ihre Aktivitäten suche die Mafia auch Einzug in die Gesellschaft und die Öffentlichkeit.

„In Deutschland mangelt es an Sensibilisierung, wenn es um die Mafia geht.“ bemängelt Mattioli und wünscht sich mehr Unterstützung, auch durch die Politik. Er selbst informiert parteienübergreifend über das Thema.

Matthias Wenz fand, gefragt nach der internationalen Zusammenarbeit auch mit italienischen Behörden, wiederum nur lobende Worte, die auch von Sandro Mattioli zustimmend aufgenommen wurden. In der Strafprozessordnung (StPO) sieht auch Wenz Optimierungsbedarf, gibt aber auch zu bedenken, dass immer zwischen Freiheit und Sicherheitsaspekten abgewogen werden muss. Etwas, das auch im Publikum und auf dem Podium viel Anklang fand.

Das Vorantreiben der Digitalisierung in der Justiz sowie die Erhöhung personeller sowie technischer Ressourcen sei außerdem nötig, um die Organisierte Kriminalität jeder Art effektiver bekämpfen zu können, ist man sich auch auf dem Podium einig.

Hier holt Mattioli zu passenden Abschlussworten aus. „Ich wünschte, wir würden die Debatte inhaltlicher führen.“ Hierzu bedarf es einer Reform des StGBs (Strafgesetzbuch), darunter auch die Verankerung der Mitgliedschaft in der Mafia im StGB.“ Bisher gab es in Deutschland laut Mattioli lediglich eine Verurteilung wegen der Mitgliedschaft in der Mafia.