Kongress „Sicheres NRW“: Expert:innen fordern mehr Vernetzung und Kooperation

Mafianeindanke beim Kongress Sicheres NRW am 17.05.25

Mafianeindanke e.V. hat am Samstag im nordrhein-westfälischen Landtag in Düsseldorf am Kongress „Sicheres NRW – Grüne Strategien gegen Organisierte Kriminalität“ auf Einladung der Grünen-Landtagsfraktion teilgenommen. Mehr Antimafia, so könnte man die Forderungen der Speaker:innen zusammenfassen: Mehr internationale Zusammenarbeit und Kooperation zwischen Behörden, mehr Beschlagnahmen, mehr Finanzermittlungen, und nicht zuletzt: Handeln, bevor es zu spät ist. Als erster Antimafia-Verein in Deutschland leitete Mafianeindanke einen Workshop und stellte verschiedene wirksame Methoden gegen Organisierte Kriminalität vor, die auch einen zivilgesellschaftlichen und präventiven Ansatz verfolgen.

Zu den Gästen zählten neben Oliver Huth, NRW-Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter auch die NRW-Innen- und Justizminister, Herbert Reul (CDU) und Dr. Benjamin Limbach (Grüne).

Gemeint waren bei dem Kongress viele unterschiedliche Formen Organisierter Kriminalität, darunter Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung, Rockerbanden und die italienische Mafia. In Workshops erarbeiteten die Teilnehmenden sich die verschiedenen Felder von Organisierter Kriminalität und diskutierten sie anschließend.

Die NRW-Gruppe von mafianeindanke e.V. (mnd) stellte in ihrem Workshop die Forderungen einer effizienteren Vermögensabschöpfung vor sowie einer Reform des Paragrafen 129 im Strafgesetzbuch „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ nach italienischem Vorbild, um die Mitgliedschaft in einer Mafia-Organisation stärker und effizienter zu bestrafen. Ebenfalls nach italienischem Vorbild sollten von der Mafia konfiszierte Güter wie Immobilien oder Gewinne für die soziale Wiederverwendung zur Verfügung gestellt werden. mafianeindanke e.V. fordert zudem eine zivilgesellschaftliche Beobachtungsstelle für Organisierte Kriminalität (BOK), um Daten und Analysen für ein noch viel zu großes Dunkelfeld in der italienischen OK zu gewinnen.

Impulsvortrag von Sandro Mattioli: Ein veraltetes Bild von Organisierter Kriminalität

Grundsätzlich habe die Polizei einen sehr großen Informationsreichtum zu Mafia in Deutschland, sagte der Autor und mnd-Vorsitzende Sandro Mattioli in seinem Impulsvortrag zum Kongress-Plenum. Die Möglichkeit aber, aus diesen Informationen über kriminelle Strukturen Strafverfahren zu generieren, mit Gerichtsverfahren, Berichterstattung und der Auswertung von Urteilen, sei begrenzt.

Das sei auch der Tatsache geschuldet, dass wir in Deutschland ein veraltetes Bild von Organisierter Kriminalität hätten. „Rechtlich gesehen ist es das gleiche, ob sich zehn Leute verabreden, um anderen auf der Straße die Taschen zu stehlen oder ob zehn Leute Teil einer global aktiven, stark ausdifferenzierten und hochstrategisch vorgehenden, äußerst reichen kriminellen Struktur sind, die pro Jahr Dutzende bis mehrere hundert Milliarden Euro Umsatz macht. Diese rechtliche Gleichstellung ist absurd und nicht dienlich“, so Mattioli.

Er verwies auf die Jahresumsätze allein aller ‘ndrangheta-Clans, die auf 220 Milliarden Euro geschätzt werden. „Allein 2022 wurden 322,5 Tonnen Kokain beschlagnahmt. Verschnitten und auf den Markt gebracht würde diese Menge rund 50 bis 80 Milliarden Euro erbringen, und man geht davon aus, dass nur 5 bis 10 Prozent der importierten Drogen abgefangen werden“, sagte Mattioli. „Dass eine immense destabilisierende Kraft mit solch unvorstellbaren Kapitalmengen verbunden ist, liegt auf der Hand.“

Die Mafia sei einerseits von einer Kontinuität geprägt, verändere sich aber auch laufend und passe sich an Kontexte an. Er zitierte den sizilianischen Anti-Mafia-Richter Giovanni Falcone, der 1992 von der Cosa Nostra durch eine Autobombe getötet wurde. Dieser habe gesagt, die Mafia sei ein menschliches Phänomen, und wie jedes menschliche Phänomen habe sie einen Anfang, einen Verlauf und ein Ende. Es sei wichtig, nicht aufzuhören, zu träumen, so Mattioli. „Lassen Sie uns alle dafür engagieren, kämpfen, betätigen, ein jeder und eine jede in seinem oder ihrem Bereich, dass die Welt mafiafrei werden kann.“

Podiumsdiskussion: Zeigen, dass der Staat handlungsfähig ist

“Let’s fight against the evil”. Das war die Antwort eines Kollegen in Tokio, als ihn Oliver Huth, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter e.V. in Nordrhein-Westfalen, zu nachtschlafender Zeit anrief und ihn um Hilfe bei einer Ermittlung bat. Diese internationale Zusammenarbeit sei kriminalistisch geboten, um die Organisierte Kriminalität wirksam zu bekämpfen, sagte Huth bei der anschließenden Podiumsdiskussion.

Laut Oliver Huth ist es wichtig, dass die Politik proaktiv unterwegs sei und nicht erst reagiere, wenn das „Kind bereits in den Brunnen gefallen“ sei. Er verwies auf viele Millionen Steuergelder, die durch Betrug und illegale Geschäfte in Waffenhandel und Ländern landeten, die Menschenrechte missachteten. Hierbei gehe es um mehrere hundert Millionen Euro. „Wir sprechen hier von Ihrem Geld, das dort hineinfließt“, mahnte er die Zuhörenden im Plenarsaal des Landtages.

Sandro Mattioli lobte das Vorgehen der Behörden in NRW, Kriminellen die Zuverlässigkeit abzusprechen, sodass sie nicht mehr unternehmerisch tätig werden können. Grundsätzlich sei es wichtig, von der Täterseite her zu denken. „Das sind nicht nur Jogginghosenträger, sondern Männer im Anzug“, so Mattioli. Gleichzeitig brauche es hier noch mehr Befugnisse. In Italien beobachte er täglich Beschlagnahmungen, die Behörden untersuchten dort Unternehmen, die Belegschaft und Finanzflüsse.

Für eine erfolgreiche Ermittlungsarbeit gegen Organisierte Kriminalität braucht es nach Karin Schwarz, der Leitenden Oberstaatsanwältin in Duisburg, die ganze Klaviatur – verdeckte Maßnahmen, Finanzermittlungen, eine Umkehr der Beweislast, wodurch nicht die Strafverfolgungsbehörden belegen müssen, dass Geld illegal erwirtschaftet wurde, sondern umgekehrt die mutmaßlichen Täter, dass ihr Vermögen legal erwirtschaftet wurde. Es sei wichtig, das Wissen unterschiedlicher Behörden zusammenzuführen, „damit wir von den kriminellen Organisationen nicht abgehängt werden, sondern wir ihnen mindestens am Rockzipfel hängen”, so Schwarz.

Goswin Brehe von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) erläuterte, warum nicht jeder Betrug gleich auf dem erstbesten Kontoauszug ersichtlich werde. Erst bei genauerem Hinsehen werde deutlich, dass es sich mitunter um ein Massenphänomen handele.

Polizeiliche Ermittlungsarbeit, so betonte es NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) in seinem Grußwort an die Teilnehmenden, erfordere vor allem eines: Geduld. Dafür müsse man das Landeskriminalamt in Ruhe arbeiten lassen. „Wir können das Vertrauen in den Staat nur zurückgewinnen, wenn wir Fortschritte zeigen“, betonte er. Auch er sprach sich dafür aus, die „Schreibtische zusammenzurücken“ und behördenübergreifend sowie deutschland- und europaweit zusammenzuwirken. 

NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) unterstrich ebenfalls, dass Vernetzung und Kooperation ein Erfolgsrezept zur Bekämpfung Organisierter Kriminalität seien. Er verwies auf die Neueinrichtung einer Zentralstelle für die Bekämpfung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität in Nordrhein-Westfalen. Dort sollen Staatsanwält*innen eng mit den Finanzermittler*innen von Steuerfahndung und Polizei kooperieren und wirksam auf neue Entwicklungen in der Wirtschafts- und Finanzkriminalität reagieren.

„Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern zeigen, dass der Staat handlungsfähig ist und illegal erworbenes Geld in den Haushalt zurückführt“, sagte der Justizminister und sprach sich für eine Vermögensabschöpfung aus. Unrechtmäßig erlangte Gewinne müssten wieder der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt und etwa in Kitas und Schulen investiert werden.


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