Seit den frühen Morgenstunden des 3. Mai 2023 läuft eine internationale Operation in zehn Ländern gegen die kalabrische Mafia-Organisation ‘ndrangheta. In Belgien, Deutschland, Italien, Frankreich, Portugal, Slowenien, Spanien, Rumänien, Brasilien und Panama laufen Razzien und Beschlagnahmen. Dr. Filippo Spiezia von Eurojust spricht von der bisher „wichtigsten Aktion gegen die ‘ndrangheta“. Auch Deutschland steht im Blickfeld der Ermittler:innen.
Letzte Aktualisierung: 4. Mai 2023 10:00 Uhr
Deutsche Strafverfolgungsbehörden haben sechs richterliche Anordnungen durchgeführt, davon fünf Haftbefehle für mehrere Personen und ein Hausarrest, so Spiezia am Vormittag. Die 23 ausgegebenen europäischen Haftbefehle werden teils auch in Deutschland durchgesetzt. Im Laufe des Tages kam es zu insgesamt mehr als 30 vollstreckten Haftbefehlen in Deutschland sowie zu Durchsuchungen in Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Nordrhein-Westfalen. International wurden laut Medienberichten rund 150 Personen festgenommen. Durchsucht werden vor allem Restaurants, Eisdielen sowie Autowaschanlagen. Die „Operation Eureka“ fußt auf einer 2018 begonnenen Ermittlung von belgischen Behörden, an ihr sind die Staatsanwaltschaften Düsseldorf, Koblenz, München und Saarbrücken beteiligt, außerdem die LKAs Rheinland-Pfalz, Bayern und Saarland sowie das BKA in Wiesbaden (bei der Analyse).
Das kriminelle Netzwerk, gegen das ermittelt wird, wurde von mehreren mächtigen ‘ndrangheta-Familien angeführt, die hauptsächlich in der Stadt San Luca in der italienischen Provinz Reggio Calabria ansässig sind. Einige dieser Familien waren in die sogenannte San-Luca-Fehde verwickelt, die in massiven Schießereien in Italien und im Ausland gipfelte – unter anderem den Mafia-Morden von Duisburg im Jahr 2007. Die Liste der kriminellen Aktivitäten, derer die Mafia-Mitglieder angeklagt werden, ist lang: internationaler Drogenhandel, Schusswaffenhandel, illegaler Schusswaffenbesitz, Geldwäsche, betrügerische Vermögensregistrierung, Steuerbetrug und Steuerhinterziehung sowie Beihilfe zur Flucht. Zwei der flüchtigen Personen standen auf der EU-Liste der meistgesuchten Personen.
Spiezia sagt über die Operation Eureka: „Sie ist nicht nur zahlenmäßig von Bedeutung – obwohl sie die bedeutendste in der europäischen Justizgeschichte zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität ist -, sondern auch, weil sie nicht nur die operativen Strukturen der Kriminellen, sondern auch ihr Geschäftsmodell betrifft.“
Nicola Piacente von der Staatsanwaltschaft Genua beschreibt vier wichtige Elemente der Geschäfte der ‘ndrangheta, die aus den Ermittlungen hervorgegangen sind: „Der transnationale Charakter, die Nutzung verschlüsselter Chats, der Einsatz von Experten für die Verarbeitung von Drogen sowie die Unterwanderung der Wirtschaft.“
Angesichts von 505 Mitgliedern der ‘ndrangheta, die laut des Bundeslagebilds Organisierte Kriminalität 2021 in Deutschland lebten, bedeuten fünf Haftbefehle und ein Hausarrest natürlich noch kein Sieg gegen die ‘ndrangheta. Eureka sollte der Auftakt für ein kontinuierliches Vorgehen gegen die ‘ndrangheta sein. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist dabei ein Muss.