Laut dem maltesischen Premier Joseph Muscat wurde im Fall der bei einem brutalen Anschlag getöteten investigativen Journalistin Daphne Caruana Galizia Anklage gegen drei Verdächtige erhoben. Die drei seien den maltesischen Sicherheitskräften bereits bekannt. Bislang beschränkt sich die Anklage aber allein auf die Ausführung der Tat; die Drahtzieher sind bis heute unbekannt. Am 4. Dezember hatte die maltesische Regierung die Verhaftung von zehn Verdächtigen bekanntgegeben, von denen schließlich diese drei angeklagt wurden.
Es handelt sich dabei um die Brüder George und Alfred Degiorgio sowie um Vincent Muscat. Die drei knapp über 50-Jährigen sind alle wegen allgemeiner Delikte vorbestraft. Die Anklage lautet auf Mord und kriminellen Gebrauch von Sprengmitteln. Sogenannte allgemeine Kriminalität war allerdings nie Gegenstand der Arbeiten der Reporterin. Rache als Mordmotiv scheidet in diesem Falle also aus. Bei ihrer Anhörung am 5. Dezember gaben die drei Verdächtigen an, unschuldig zu sein. Die Nachricht über die Anklagen ist allerdings mit Vorsicht zu genießen, vor allem, weil bei der Ermittlung der Drahtzieher weiterhin keinerlei Fortschritte zu verzeichnen sind. Auch darf man die Rahmenbedingungen nicht außer Acht lassen, unter denen die Ermittlungen bislang stattgefunden haben, sowie das Umfeld, in dem Caruana Galizia sich bewegt hat.
Durch ihre investigative Arbeit, bei der sie furchtlos auch hochrangige Politiker, einflussreiche Kriminelle und Vertreter der internationalen Finanzwelt an den Pranger stellte, hat die Journalistin sich zahlreiche, sehr mächtige Feinde gemacht, darunter auch den maltesischen Premierminister Muscat. All das erklärt auch die Skepsis von Caruana Galizias Familie: sie beklagt fehlerhafte Ermittlungen, durchgeführt auch von Personen, die Gegenstand von Caruana Galizias Arbeit waren und somit befangen sind, wie ihre Familie bereits in den beim maltesischen Verfassungsgericht eingereichten Eingaben dargelegt hat.
Die von den Angehörigen der Journalistin beklagten Unregelmäßigkeiten waren bereits in den ersten Minuten nach der Explosion der Autobombe zu beobachten; eine der ersten am Ort des Geschehens war Ermittlungsrichterin Consuelo Scerri Herrera, eine alte Bekannte von Caruana Galizia. Herrera hatte die maltesischen Journalistin 2011 wegen Verleumdung und übler Nachrede angezeigt, nachdem diese mehrere einschlägige Artikel in ihrem Blog veröffentlicht hatte. Die Richterin hat sich erst später für befangen erklärt, obwohl schon zu Beginn der Ermittlung klar war, dass sie für deren Durchführung nicht geeignet war.
Der Fall Herrera ist aber nicht der einzige, der Caruana Galizias Familie misstrauisch macht. Leiter der Ermittlungen ist bis heute Kommissar Silvio Valletta, verheiratet mit Justyne Caruana (nicht verwandt mit der Journalistin), die wiederum von Premier Muscat zur zuständigen Ministerin für die Insel Gozo ernannt wurde. Beide waren Gegenstand der Recherchen, die Caruana Galizia in ihrem Blog öffentlich gemacht hatte. Valletta war sogar als Vertreter der Polizei im Verwaltungsrat der Analyseeinheit der Stelle für Finanztransaktionsuntersuchungen – eine Einrichtung, deren Aufgabe es ist, illegale Finanztransaktionen auf Malta aufzuklären. Caruana Galizia hat aus ihrer Kritik an der Arbeit eben dieser Einrichtung nie ein Geheimnis gemacht, hatte doch ihre investigative Arbeit in der Finanzwelt die zahlreichen Lücken im maltesischen Finanzkontrollystem aufgedeckt.
Die Familie hat denn auch am 22. November beim maltesischen Verfassungsgericht beantragt, den Kommissar von den Ermittlungen abzuziehen. In dem bei Gericht eingereichten Antrag erklären die Anwälte der Familie, dass die Verstrickungen des Kommissars nicht nur ernsthafte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Ermittlungen aufkommen lassen, sondern auch die bei Mordermittlungen gebotene Unabhängigkeit und Unparteilichkeit unterminieren.
Im November sind sieben Abgeordnete des Europäischen Parlaments nach Malta gereist, um sich über den Stand der Ermittlungen zu informieren. Sie äußerten sich danach ernsthaft besorgt und werden der Europäischen Kommission einen entsprechenden ausführlichen Bericht vorlegen. Nach Aussagen des EU-Abgeordneten Sven Giegold zieht man sogar in Erwägung, ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrages (Sanktionen bei schwerwiegenden und anhaltenden Verletzungen der EU-Werte durch einen Mitgliedstaat, A.d.Ü) anzustrengen, bei dem vonseiten des Europäischen Parlaments u.a. schwerwiegende Verletzungen des Rechtstaatlichkeitsgrundsatzes durch einen Mitgliedstaat offiziell festgestellt werden. Aktuelle Informationen dazu aus Malta und Brüssel stehen noch aus; die Aufdeckung der Wahrheit über den Mord an der Reporterin scheint noch in weiter Ferne zu liegen.