Bargeld-Obergrenze gefordert

EU-Kommission setzt eine einheitliche Obergrenze für Bargeldzahlungen in den EU-Mitgliedsstaaten wieder auf die Tagesordnung

Ende Januar 2021 hat die Kommission in einer Arbeitsgruppe mit Geldwäscheexperten aus den EU-Mitgliedsstaaten ein Papier vorgelegt, das u.a. die Forderung nach einem einheitlichen Limit für Bargeldzahlungen in der EU enthält. Diese als Verbotsnorm ausgestaltete gesetzliche Obergrenze soll der Verhinderung der Geldwäsche und der Steuerhinterziehung dienen. In ihrem Arbeitspapier bezeichnete sie Bargeld als „Instrument der Wahl für Kriminelle“. Die Kommission sieht Verzerrungen des Wettbewerbs im Binnenmarkt, wenn nicht eine einheitliche Obergrenze festgelegt werden würde.

Die Mehrzahl der EU-Länder (17 von 27 Staaten) besitzt nämlich bereits solche Obergrenzen in ihrem nationalen Recht, die allerdings beim Schwellenwert deutlich variieren. In Griechenland liegt sie bei 500 Euro. In Frankreich oder Portugal bei 1.000 Euro, in Italien bei 3.000 Euro und in Kroatien bei 15.000 Euro.

Deutschland ohne Obergrenzen für Bartransaktionen

In Deutschland und Österreich gibt es keine Obergrenzen. 2015 hatte der damalige Bundesfinanzminister Schäuble einen Aktionsplan für eine solche Bargeldobergrenze vorgelegt. Kern des Aktionsplans war ein Barzahlungsverbot für Transaktionen über 5000 Euro. Das Verbot hätte nicht nur Banken oder den Handel zur Beachtung dieses Verbots verpflichtet, die ohnehin bereits zur Identifizierung des Kunden bei Bargeldtransaktionen nach dem Geldwäschegesetz verpflichtet sind. In der Regel liegt die Schwelle für die Identifizierungspflicht bei 10.000 Euro, bei Edelmetallhändlern wegen der erhöhten Risiken bei 2.000 Euro. Bei einem Barzahlungsverbot über einer bestimmten Obergrenze wären auch die Zahler selbst in der Pflicht und könnten bei Verstößen neben Banken oder dem Handel sanktioniert werden. In diesem Aktionsplan des BMF wurden die spezifischen Geldwäscherisiken von Bargeldtransaktionen in unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen analysiert und durch Fallbeispiele belegt, dass größere Barzahlungen mit kriminell generiertem Vermögen bevorzugt in Ländern ohne Obergrenzen stattfinden und Deutschland auf diese Weise Kriminalität, etwa aus Italien, importiert.  

Dieser Aktionsplan ist in einem politischen Sturm der Ablehnung untergegangen. CDU- Finanzminister Schäuble und das für den Aktionsplan federführende Referat hatte nicht einmal die Unterstützung seiner Partei und ihrer einflussreichen Mittelstands- und Wirtschaftsunion oder seines verbeamteten Staatssekretärs. Die Proteste gegen diese Obergrenze vereinten AFD, FDP, Grüne und Linke. Vom Koalitionspartner SPD kam lediglich zaghafte Unterstützung einzelner Abgeordneter. Von der Phalanx der Ablehnungsfront wurde befürchtet, dass es sich um einen Schritt zur Abschaffung des Bargeldes insgesamt handeln könne. Es gab in der Tat zu dieser Zeit unter US-Ökonomen wie Kenneth Rogoff oder dem Internationalen Währungsfonds Überlegungen zur Abschaffung des Bargelds, um den Privathaushalten weniger Ausweichmöglichkeiten gegen geldpolitische beabsichtigte Negativzinsen zu bieten. Obwohl es keinerlei inhaltliche oder personelle Verbindungslinien zwischen beiden Diskussionssträngen gab und die Schwellenwertdiskussion im Zusammenhang mit der Geldwäscheprävention nie auf die Abschaffung des Bargelds zielte, wurde ein solcher Zusammenhang fast verschwörungstheoretisch konstruiert.

Die Deutsche Bundesbank einte die Front der Gegner der Bargeldschwellen unter dem Schlachtruf „Bargeld ist Freiheit“. In einem „bargeldaffinen“ Land wie Deutschland wurden von Verfassungsrechtlern – wie von dem früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Papier – ernsthaft Überlegungen angestellt, die Nutzung von Bargeld als Grundrecht im Grundgesetz festzuschreiben. Eine ähnliche Diskussion gibt es immer wieder auch in der Schweiz und in Österreich. Beide Länder unterscheiden sich, was das besondere innige Verhältnis der Staatsbürger zum Bargeld anbelangt, wenig von dem der deutschen Bevölkerung. Aber auch in diesen Staaten wird allerdings, etwas verblüffend, z. B. in Meinungsumfragen von „Otto-Normalverbraucher“ eingeräumt, dass große Zahlungen in ihrem alltäglichen Zahlverhalten gar keine Rolle spielen, sondern solche unbar erledigt werden. In anderen EU-Staaten hat die Einführung von Schwellenwerten bei Bartransaktionen interessanterweise zu keinerlei Diskussion geführt und war zu keinem Zeitpunkt ein Aufreger.

Der Hinweis auf Geldwäscherisiken findet in der Schwellenwertdiskussion kein Gehör

Die Stimmen von Geldwäscheexperten gingen in dieser in Deutschland emotional aufgeladenen Diskussion völlig unter. Europol hatte bsp. in einer Studie („Why cash is still king“) minutiös dargelegt, welche Wirtschaftssektoren durch illegal generiertes Bargeld betroffen sind und welche kriminellen Strukturen von nach oben unbegrenzten Barzahlungen profitieren (etwa bestimmte Sektoren des Drogenhandels, der Terrorismusfinanzierung oder der Steuerhinterziehung). Stattdessen erklärte die für Geldwäschefragen nicht zuständige Deutsche Bundesbank, dass Gefahren der Geldwäsche ohnehin nur durch virtuelles Geld drohten, das ähnlich wie Bargeld anonym ist.  Auf welche Untersuchungen sie sich dabei stützte, blieb im Dunkel.

Die Befürworter von Schwellenwerten hatten nie behauptet, dass diese ein Allheilmittel gegen Geldwäsche in der gesamten Wirtschaft wären. Die Mehrzahl der Fälle ist im unbaren Zahlungsverkehr und bei der Nutzung spezifischer Finanzprodukte und der Immobilien anzusiedeln.  Bargeld spielt jedoch bei den Methoden der Geldwäsche nach wie vor eine bedeutende Rolle, die, seit es Geldwäschebekämpfung gibt, nicht kleiner geworden ist. Im Gegenteil.

Steigender Banknotenumlauf in der Eurozone erhöht die Geldwäscherisiken

Die Sicht auf dieses Problem wird durch den Aspekt verstellt, dass im Gefolge der Coronakrise Barzahlungen im täglichen Leben, auch Kleinzahlungen, gegenwärtig durch Kartenzahlungen deutlich zurückgedrängt werden. Dessen ungeachtet nimmt der Banknotenumlauf, seit es den Euro gibt, nach wie vor um ca. 6% im Jahr zu. Aktuell wurden (Stand: März 2020) nahezu 1, 3 Billionen Euro in Scheinen in der Eurozone von den Zentralbanken ausgegeben. Die Deutsche Bundesbank ist dabei mit Abstand der größte Bargeldemittent (749,5 MRD Euro). Bei den Banknoten hat neben der 50 Euro-Note die 200 Euro-Note die größten Zuwächse, nachdem die Europäische Zentralbank mit Stimmenmehrheit (entgegen dem Votum der deutschen Bundesbank) Ende 2018 zur Reduktion der Geldwäscherisiken die Ausgabe der 500 Euro-Note eingestellt hat (die im Umlauf befindlichen Noten können noch genutzt werden).

Die Bundesbank erklärt die ungebrochene Nachfrage nach Euronoten mit dessen Funktion als stabiles Werterhaltungsmittel und dem Vertrauen in den Euro, ohne für diese These – außer Meinungsumfragen – hierfür belastbares Material vorzulegen. Dies erklärt nicht, wo und in wessen Taschen oder in wessen Tresoren und unter welchen Matratzen sich die Banknoten, die doch im Alltag eine immer kleinere Rolle spielen, befinden. Die Bundesbank verkauft in großem Umfang Banknoten an sogenannte Cash-Händler, die diese in Containern u. a. nach Asien exportieren. Welches Bedürfnis sie dort im Hellfeld nationaler Volkswirtschaften erfüllen, bleibt unklar, zumal die Deutsche Bundesbank davon Abstand nimmt, anhand der Banknotennummer die Wege des Geldes zurück zum Emittenten zu verfolgen.

Seit Ende 2016 hat die Hitze der Bargelddiskussion etwas nachgelassen. Es ist aber zu befürchten, dass der aktuelle Vorstoß der EU-Kommission für einen EU-einheitlichen Schwellenwert dieselben Geister wieder ruft wie vor 5 Jahren. Zumal sich nicht nur die EU-Kommission für Bargeldobergrenzen ausspricht. Im Dezember 2020 empfahl der Bundesrechnungshof im Zusammenhang mit der Prüfung der Arbeit der Financial Intelligence Unit (FIU) der Bundesregierung, gegen Geldwäsche ein Barzahlungsverbot über 5.000 Euro zu prüfen. Die niederschmetternde Antwort des BMF, dem inzwischen ein sozialdemokratischer Minister vorsteht : Gegen Bargeldobergrenzen würde sprechen, dass die Nutzung von Bargeld in Deutschland besonders ausgeprägt sei und als Grundfreiheit wahrgenommen werde, die man nicht ohne weiteres einschränken könne. Außerdem sei die Wirksamkeit eines solchen Verbots für die Geldwäschebekämpfung aus Sicht des Ministeriums strittig. Ob und welche Rolle Bargeld bei der Geldwäsche eine schädliche Rolle spielt, ist dabei für das Ministerium kein Gradmesser gewesen, sondern das Schielen auf den Stimmbürger bei der nächsten Bundestagswahl. Es überrascht deshalb wahrlich nicht mehr, dass in Deutschland, ein Unikum nicht nur in Europa sondern auch – mit Ausnahme Brasiliens – weltweit, sogar Grundstücke bar aus dem Koffer bezahlt werden können.