Türkei auf Grauer Liste der FATF

Türkei

Die Financial Action Task Force (FATF) hat am 21. Oktober 2021 auf ihrem Herbst-Plenum die Türkei auf ihre sogenannte Graue Liste gesetzt. Die der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) in Paris angedockte FATF ist die wichtigste internationale Institution zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Sie verabschiedet Standards gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (40 Empfehlungen), die ihre Mitgliedsstaaten, darunter die Türkei, umsetzen müssen. Sie überprüft ebenfalls die Umsetzung dieser Standards in ihren Mitgliedsstaaten und Regionalgruppen. Die Prüfungsergebnisse werden veröffentlicht und haben so einen starken politischen und wirtschaftlichen Einfluss auf die Reputation und Integrität eines Finanzplatzes, obwohl die Standards keine Gesetzeskraft haben und nicht unmittelbar bindendes Recht setzen („soft law“). Bislang mehr als 170 Länder für sich als verbindlich und bindend anerkannt.

Endlich Maßnahmen gegen die Türkei als Paradies für Geldwäsche und Terrorgelder

Die direkten Folgen der Listung sind, dass die Türkei jetzt verstärkt von der FATF überwacht wird und nun einen Umsetzungsplan vorlegen muss, wie es die gravierenden Mängel in ihren nationalen Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung beheben will. Für Unternehmen und Institute, die mit Vertragspartnern in der Türkei Geschäfte machen oder dort investieren wollen, gelten nun für Geschäfte und Transaktionen erhöhte Sorgfaltspflichten. Dieser Überwachungsprozess wird als „graue Liste“ bezeichnet – einer Liste, auf der sich die Türkei nun mit 22 weiteren Staaten befindet, darunter Albanien, Marokko, Syrien, Südsudan und Pakistan. Dieser Schritt ist überfällig, da bereits frühere Prüfungen der FATF deutlich gemacht haben, dass das System gegen Geldwäsche in der Türkei gravierende Defizite aufweist. Zu diesen Defiziten gehören nach dem Statement der FATF vom 21.10.2021 u. a. eine laxe Anti-Geldwäscheaufsicht, insbesondere im Finanzsektor über Banken und sonstige Finanzdienstleister sowie über Goldhändler und die Immobilienwirtschaft.

Die Türkei weist ein ausgeprägtes Untergrundbankensystem („hawala banking“) auf, in dem Zahlungsströme von bzw. in die Türkei nicht nur über Banken und lizenzierte Zahlungssysteme, sondern illegal über intransparente Strukturen von Nicht-Banken transferiert werden. Gerade von und nach Deutschland. Die im Land grassierende Korruption und die vielen schwarzen Kassen der regierenden AKP-Partei sowie die in der türkischen Wirtschaft fest verankerten Gruppierungen der Organisierten Kriminalität, die bereits vor der Regierung Erdogan gute Beziehungen zu staatlichen Institutionen pflegten und relativ ungeschoren in der Türkei agieren können, verschärfen diese Defizite.

In diesem Jahr veröffentlichte ein landesweit bekannter Krimineller und den faschistischen Grauen Wölfen nahestehender, ehemaliger Kopf eines kriminellen Netzwerks, Sedat Peker, aus den Golfstaaten mehrere, millionenfach abgerufene Videobotschaften über die Verbandelung der OK mit der Regierungspartei AKP und brachte damit hochrangige türkische Politiker, in erster Linie den Innenminister Soylu, wegen der von Peker behaupteten Verbindungen zur politischen Nomenklatur in Erklärungsnot. Das Organisierte Verbrechen war immer ein Faktor in der türkischen Politik. Die zunächst als Saubermann angetretene Regierung Erdogan und seine AKP unterscheiden sich dabei wenig von ihren Vorgängerregierungen. Diese Vermengung zwischen Geheimdienst, Politik und Organisiertem Verbrechen wird in der Türkei als „tiefer Staat“ bezeichnet. Dafür gibt es erschreckende Beispiele: 1996 kamen bei einem Verkehrsunfall der Polizeichef von Istanbul und ein international gesuchter Drogenhändler und Auftragsmörder, die zusammen im Wagen gesessen hatten, ums Leben.

Das türkische Finanzministerium gibt sich infolge der Listung durch die FATF dünnhäutig, spricht wider die Realität von erzielten Fortschritten gegen die Geldwäsche und fühlt sich unfair behandelt. Es wird auch in diesem Zusammenhang – wie in der türkischen Außenpolitik inzwischen üblich – gegenüber den türkischen Wählerinnen und Wählern ein Bild kolportiert, dass die Türkei außenpolitisch von Feinden umzingelt ist, die sich in die inneren Angelegenheiten der Türkei einmischen. Nun gehört auch die FATF dazu.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Listung

Die Listung erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem die ausländischen Investitionen in der Türkei bereits den niedrigsten Stand erreicht haben, seitdem Präsident Erdogan vor fast 20 Jahren an die Macht gekommen ist. Politische Instabilität, eine hohe Inflation und die politische Einmischung in die Geldpolitik und Rechtsstaatlichkeit haben dazu geführt, dass ausländische Gelder, die für die Finanzierung des chronischen Handelsdefizits des Landes und die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums unerlässlich sind, abgeschreckt wurden. Eine im Mai dieses Jahres veröffentlichte IWF-Studie kam zum Ergebnis, dass die „graue Liste“ der FATF „einen großen und signifikanten negativen Effekt“ auf die Kapitalzuflüsse eines gelisteten Landes hat. Eine Aufnahme in die „graue Liste“ könnte der türkischen Lira, die in diesem Jahr schon 20 Prozent ihres Wertes gegenüber dem Dollar verloren hat, einen weiteren Schlag versetzen. Bereits jetzt hat sie ein Rekordtief erreicht

Die Türkei nutzt die Standards der FATF gegen die Terrorismusfinanzierung durch sog. Non-Profit-Organisationen zur Eliminierung der Zivilgesellschaft

Als Reaktion auf die Ereignisse des 11. September 2001 hatte die FATF im Oktober 2001 zusätzlich das Mandat zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung erhalten. Auf Druck der USA wurde von der FATF gegen die Terrorismusfinanzierung ein schrankenloser Standard geschaffen, der auch sog. Non-Profit-Organisationen (NPOs) als Adressaten von Sorgfaltspflichten erfasst, deren Einhaltung von den FATF-Staaten sicherzustellen ist. Es war von der FATF reichlich unpolitisch, ja naiv, den Mitgliedsstaaten ein solch konturenloses Instrument in die Hand zu geben, ohne den Begriff des Terrorismus, der terroristischen Organisation, der Terrorismusfinanzierung über bloßes Guidance hinaus eindeutig zu definieren und den Adressatenkreis unabhängig von der Rechtsform und der Organisationsstruktur der gemeinnützigen NPOs zu bestimmen. Die Vereinten Nationen formulieren politische und rechtliche Maßstäbe für die globale Terrorismusbekämpfung über deren Terrorismuskonventionen, die völkerrechtlich verbindlich sind. Die Sanktionsausschüsse des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen setzten über die Sanktionslisten der IS/Al Qaida- und Taliban-Sanktionsausschüsse diese gegen Personen und Organisationen um, die mit diesen Terrororganisationen in Verbindung stehen. Anders die FATF, die weit über diese Vorgaben der Vereinten Nationen bei der Terrorismusfinanzierung hinausgeht. Interessenvertreter der gemeinnützigen Organisationen wie Brot für die Welt oder die Maecenatata-Stiftung haben immer darauf hingewiesen, welche gravierenden direkten oder indirekten Auswirkungen diese FATF-Empfehlung 8 auf die Arbeit aller gemeinnützigen Organisationen hat.

In der Praxis der Länderprüfungen rudert zwar die FATF inzwischen bei der Umsetzung dieser Empfehlung zurück und stuft nicht alle gemeinnützigen Organisationen pauschal als „besonders anfällig“ für Missbrauch für Zwecke der Terrorismusfinanzierung ein. Auf Druck der Zivilgesellschaft erkennt die FATF mittlerweile an, dass die wichtige und legitime Arbeit von NROs nicht durch eine Überregulierung behindert werden darf und besteht auf die Einhaltung eines risikobasierten Ansatzes. Die FATF-Länder sind verpflichtet, Maßnahmen gezielt an Organisationen und Bereiche mit einem erhöhten Risiko zu richten.

Genau diesen Verstoß gegen den risikobasierten Ansatz und damit gegen das Übermaßverbot wirft die FATF nunmehr der Türkei im Rahmen der Aufnahme auf die Graue Liste vor. Dieser Schritt der FATF ist bemerkenswert, weil er implizit eine Selbstkritik an der Empfehlung 8 enthält. Der derzeit amtierende Präsident der FATF, Markus Pleyer (BMF) führte hierzu am 21.10. 2021 vor der Presse aus: „Die FATF ist sich der Bedenken von Menschenrechtsgruppen über die Behandlung von gemeinnützigen Organisationen durch die Türkei bewusst. Die Türkei muss einen wirklich risikobasierten Ansatz für Non-Profit-Organisationen umsetzen und sicherstellen, dass die Behörden legitime Aktivitäten nicht behindern oder entmutigen“, sagte Pleyer. Die Kritik bezieht sich in diesem Zusammenhang primär auf das neue türkische „Gesetz zur Verhinderung der Verbreitung der Finanzierung von Massenvernichtungswaffen“, bei dem es sich entgegen der Gesetzesbezeichnung weniger um Geldwäsche, Proliferationsfinanzierung oder Finanzierung des Terrorismus von IS und Al Qaida geht. deren Mitglieder sich ohnehin in der Türkei wie ein Fisch im Wasser bewegen können, weil die Organisationsstrukturen beider Terrororganisationen nicht in der Türkei wirksam zerschlagen wurden. Im Visier des Gesetzes ist vielmehr die türkische Zivilgesellschaft insgesamt. Alle Erdogan-kritischen Organisationen müssen damit rechnen, als terroristisch eingestuft und wirtschaftlich ausgeblutet bzw. aufgelöst zu werden. Dafür hat der Staatspräsident die Kompetenz, das Einfrieren von Geldern und Vermögen von Beschuldigten anzuordnen, die als Terrorverdächtigte gelten. Das Innenministerium und die von der Regierung ernannten Gouverneure haben zusätzlich die Befugnis, gegen die Organisationsstruktur von Initiativen, Vereinen und Stiftungen vorzugehen, sobald gegen ein Vorstandsmitglied ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Terrorismusvorwürfen anhängig ist. Sowohl das Innenministerium als auch die Gouverneure können die betroffenen Personen aus einer NPO entfernen, die Tätigkeit der NPO zu untersagen und einen Zwangsverwalter einsetzen.

Da die europarechtlichen Anforderungen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in der EU eng mit den Standards der FATRF verwoben sind, ist es nunmehr Aufgabe der EU-Kommission, den Druck auf die Türkei auch von Seiten der EU zu verschärfen und gegenüber den geldwäscherechtlich Verpflichteten in der EU klare, verstärke Sorgfaltspflichten für Geschäftsbeziehungen mit Vertragspartnern in der Türkei vorzugeben. Ebenfalls muss die Türkei aufgefordert werden, das „Gesetz zur Verhinderung der Verbreitung der Finanzierung von Massenvernichtungswaffen“ aufzuheben.