Prof. Luca Storti: Wie die Mafia sich international ausbreitet

Lucastorti250px

Im Januar ist Prof. Luca Storti mit seinem Vortrag „International expansion of Italian Mafias: a caleidoscopic phenomenon“ zu Gast am Lehrstuhl für Organisations- und Verwaltungssoziologie der Universität Potsdam. Die Mafia ist inzwischen längst ein globales Phänomen. Daher untersucht er die territoriale Expansion der italienischen Mafias: Die Frage ist, wie sie aus ihren ursprünglichen Territorien in fremde Territorien expandieren. Hier kommen Studierende mit einem Thema in Berührung, das an vielen Universitäten in Europa, insbesondere in Deutschland, noch unterbelichtet ist.

Prof. Luca Storti ist Professor für Wirtschaftssoziologie an der Universität Turin und Gründungsmitglied der Forschungsgruppe LARCO – Laboratorio di Analisi e Ricerca sulla Criminalità Organizzata, der Analyse- und Forschungswerkstatt zur Organisierten Kriminalität. Im Jahre 2015 nahm er am Forschungsprojekt „Cross Border Italian Mafias in Europe: Territorial Expansion, Illegal Trafficking, and Criminal Networks“ (CRIME) teil, das u.a. Deutschland, die Schweiz, Frankreich, Belgien und die Niederlande auf mafiöse Aktivitäten untersuchte.

Die italienischen Mafias

Angesichts des hiesigen Standes der Forschung und Lehre zur Mafia hat der Vortrag einen eher einführenden Charakter. Zu Beginn werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der historischen Mafias in Italien benannt: Eine Karte zeigt die Cosa Nostra in Sizilien, die ’Ndrangheta in Kalabrien und die Camorra in Neapel und Kampanien. Hingewiesen wird außerdem auf die relativ jungen Mafias Sacra Corona Unita in Apulien, Basilischi in der Basilikata und Stidda in Sizilien. Alle drei stehen in Zusammenhang mit den historischen Mafias; erstere ist aus der Camorra entstanden, zweitere wird von der ’Ndrangheta kontrolliert und letztere hat sich von der Cosa Nostra abgespalten. Die historischen Mafias sind sehr unterschiedlich strukturiert: Die Cosa Nostra ist pyramidal, die ’Ndrangheta horizontal und die Camorra fragmental organisiert. Dementsprechend variieren ihre expansiven Vorgehensweisen.

Prof. Luca Storti zufolge sind die Mafias sowohl „power syndiactes“ als auch „enterprise syndicates“, eine konzeptionelle Unterscheidung von Alan Block (1980), emiritierter Professor für Kriminologie Judaistik der Universität Penn State, USA. „Enterprise syndicates“ sind Organisationen, die auf illegalen Märkten, z.B. durch Drogenhandel Gewinne erzielen. „Power syndicates“ sind solche, die das Territorium und die lokale Gesellschaft kontrollieren.

Die Typen territorialer Expansion

In Bezug auf das Verhältnis zum ursprünglichen Territorium werden zwei Formen der Expansion voneinander unterschieden: Im ersten Fall bleiben die Beziehungen zur ursprünglichen Organisation und zum Territorium bestehen, die expandierte Mafia bleibt abhängig von den traditionellen Strukturen. Im zweiten Fall bildet sich eine ganz und gar unabhängige Organisation heraus. Im ersten Falle lässt sich die Expansion als „Transplantation“ – die vollständige Reproduktion der Mafia in einem neuen Territorium – oder als „Infiltration“ – das langsame Eindringen der Mafia in ein neues Territorium, das nur einige Merkmale der Mafia aufzeigt – beschreiben. Häufig erscheint die Mafia hierbei nur als „enterprise syndicate“, d.h. dass die Mafia in illegale oder gar legale Märkte (z.B. Investitionen in die Immobilienwirtschaft) des neuen Gebiets eindringt, ohne die lokale Gesellschaft zu kontrollieren.

Um das Thema Mafien in Europa zu vertiefen, eignen sich Texte, an denen Prof. Luca Storti als Co-Autor mitwirkte:

  • Italian Mafias across Europe (mit J. Dagnes e D. Donatiello), in Mafias today, F. Allum, R. Sciarrone , I. Clough-Marinaro, di prossima pubblicazione.
  • La questione delle mafie italiane all’estero: stato dell’arte e temi emergenti (mit J. Dagnes, D. Donatiello, R. Sciarrone), in «Meridiana», 2016, n. 4, pp. 149-172.
  • The territorial expansion of mafia-type organized crime. The case of the Italian mafia in Germany (mit R. Sciarrone), in «Crime, Law and Social Change», 2014, vol. 61, n. 1, pp. 37-60.
  • Die italienische Mafia in Deutschland mit R. Sciarrone, in Dolce Vita? Das Bild der italienischen Migranten in Deutschland, pp. 177-198, Campus Verlag, Frankfurt am Main, 2011.