Razzia gegen die ‘ndrangheta in Italien und Deutschland, 29 Festnahmen

Operation boreas landkarte

In den frühen Morgenstunden des 1. April 2025 haben hunderte Polizist:innen im Rahmen der Operation „Boreas“ in mehreren deutschen Bundesländern und in Italien parallel zugegriffen und Personen verhaftet, die Mitglieder der kalabrischen Mafia sein oder ihr nahestehen sollen.

Untersuchungen liefen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und in Italien. Infolge von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Catanzaro und der Staatsanwaltschaft Stuttgart haben in Baden-Württemberg die Landespolizei und die Kriminalpolizeidirektion Waiblingen Durchsuchungen in mehreren Landkreisen, darunter der Rems-Murr-Kreis, dem Kreis Ludwigsburg und dem Großraum Stuttgart, durchgeführt. Laut italienischer Polizei und Eurojust kam es zu 29 Festnahmen, davon zehn in Deutschland, in deutschen Medien ist von 34 die Rede. Unter den zwanzig Personen, die in Italien verhaftet wurden, befinden sich auch einige Rechtsanwälte und Buchhalter, die ’ndrangheta-Mitgliedern unterstützt haben sollen. Auch ein Polizist aus Aalen wurde wegen des Verdachts des Geheimnisverrats festgenommen, er soll die ’ndrangheta unterstützt haben.

„Die heute durchgeführte Operation hat es uns ermöglicht, Licht auf die Ableger der Clans aus Cirò und Cariati zu werfen, die in Deutschland und insbesondere in Stuttgart aktiv sind, wo in den späten 1970er Jahren Vertreter der organisierten Kriminalität ankamen, um das Gebiet zu unterwandern“, so der Oberstaatsanwalt von Catanzaro, Salvatore Curcio.

Der Polizeipräsident von Catanzaro, Maurizio Linares, forderte: „Wir brauchen in Europa ein einheitliches Strafrecht, denn wir haben es nicht mehr mit Gelegenheitsdelikten zu tun, sondern mit der systematischen Kontrolle des Auslands durch die ‘ndrangheta-Clans [„cosche“], mit der Unterwanderung des Wirtschaftsgefüges und der Beteiligung von Wirtschaftskriminellen.“

Angesichts dieser massiven Bedrohung, die eine Gefahr für die Wirtschaft, den Rechtsstaat und die Demokratie ist, muss Deutschland dringend mehr in die ganzheitliche Bekämpfung der Organisierten Kriminalität investieren. Mafianeindanke fordert deshalb eine zivilgesellschaftlich organisierte Beobachtungsstelle für Organisierte Kriminalität (BOK), die Informationen sammelt, empirisch forscht und fachspezifische Beratung u.a. für die Politik anbietet.

Der Tatverdacht

Grundlage der Operation sind ernstzunehmende Indizien für den Aufbau einer kriminellen Organisation mit Sitz in Deutschland. Die Ermittlungen ergaben, dass die besagte „ndrina“ (lokale ‘ndrangheta-Gruppierung) unter strenger Gebietsaufteilung – ähnlich wie in Italien – sowie unter Anwendung gewaltsamer Methoden operierte. Die Taten zielten darauf ab, italienischen Unternehmer:innen in Deutschland, die aus der Gegend von Cariati (Kalabrien) stammen, Produkte aufzuzwingen. Diese Methode ist bereits aus der Operation Stige / Styx von 2018 bekannt. Die Verdächtigen sollen auch Sachbeschädigung als Methode genutzt haben, um die Unternehmer:innen zum Kauf von aus Kalabrien stammenden Obstprodukten zu zwingen.

Von den 20 in Italien verhafteten Verdächtigen befinden sich 13 in Untersuchungshaft, während die übrigen sieben unter Hausarrest stehen. Es besteht der dringende Verdacht, dass sie die ihnen vorgeworfenen Straftaten in Mittäterschaft begangen haben. Dazu gehören die Bildung einer mafiösen Vereinigung nach Art der ‘ndrangheta („associazione di tipo ‘ndranghetistico”), begangene und versuchte Erpressung, betrügerische Übergabe von Wertgegenständen, falsche Angaben zu ihrer Identität oder zu ihren persönlichen Eigenschaften oder zu denen anderer Personen. Bei allen Straftaten wird die Unterstützung der Mafia als erschwerender Umstand angelastet („aggravante mafiosa“).

Der Haftbefehl enthält schwere Indizien für Vermögensstraftaten, die auch in Deutschland begangen wurden, einschließlich Sachbeschädigung zum Zwecke der Erpressung. Unternehmer:innen in Cariati sollen durch ihr Verhalten in Zusammenhang mit unlauteren Wettbewerbs mit Drohungen und Gewalt, Urkundenfälschung und Verschleierung von Vermögensverhältnissen („intestazione fittizia“) die Mafia begünstigt haben.

Internationale Polizeizusammenarbeit

Die Operation ist das Ergebnis umfangreicher Ermittlungen unter der Antimafia-Bezirksstaatsanwaltschaft (DDA Catanzaro), die von den Ermittler:innen der Staatspolizei, der Mobilen Einheit, des SISCO von Catanzaro und dem Zentralen Einsatzdienstes durchgeführt wurden. Angesichts der Ausbreitung auf deutsches Staatsgebiet kam es zu internationaler Justiz- und Polizeizusammenarbeit mit Deutschland.  Die DDA Catanzaro und die Ermittlungsbehörden der Staatspolizei bildeten mit der Staatsanwaltschaft Stuttgart und der deutschen Polizei eine gemeinsame Ermittlungsgruppe (Joint Investigation Team JIT). Sie wurden dabei von der italienischen DNA (Nationale Direktion für Mafia- und Terrorismusbekämpfung) unterstützt und von Eurojust koordiniert.

Die Struktur der ’ndrangheta-Gruppierung im Gebiet von Cariati wurde durch komplexe Ermittlungen rekonstruiert, einschließlich der Rollen der verschiedenen Mitglieder sowie den zahlreichen illegalen Aktivitäten, die von den Verdächtigen durchgeführt wurden, und den verschiedenen Tätigkeitsbereichen, die mit den mutmaßlichen Straftaten in Verbindung stehen.

Auf italienischer Seite waren die Ermittlungsabteilung des Zentralen Einsatzdienstes (SISCO) in Catanzaro und die Mobile Einheit des Polizeipräsidiums Catanzaro im Einsatz, koordiniert von der Polizia di Stato. Mobile Einheiten von Cosenza, Modena, Parma, Ferrara und Grosseto sowie der SISCO von Bologna und Florenz, Patrouillen der kalabrischen Einheiten zur Kriminalprävention und von zwei Hundeeinheiten zur Drogenbekämpfung unterstützten den Einsatz. Die Verordnung der 20 Festnahmen in Italien kam vom Ermittlungsrichter des Gerichts von Catanzaro auf Antrag der Antimafia-Staatsanwaltschaft von Catanzaro.


Quellen:
Polizia di Stato – Questura di Catanzaro
ANSA
Lametino.it
Calabria7