Die Mafia als Erlebniswelt für die (ganze) Familie?

2025.01 Brettspiel La Famiglia

Das Gesellschaftsspiel „La Famiglia: The great mafia war“ ist ein Schlag ins Gesicht für die unschuldigen Opfer der Mafia. Es handelt sich um eine ignorante Reproduktion der erniedrigenden und diffamierenden Klischees gegenüber Italiener:innen und romantisiert kriminelle Strukturen, die unzählige unschuldige Opfer gefordert haben. Mafianeindanke verurteilt diese Bagatellisierung der Organisierten Kriminalität aufs Schärfste.

Bei „La Famiglia: The great mafia war“ handelt es sich um ein Gesellschaftsspiel, dass 2022 von der Feuerland Verlagsgesellschaft mbh veröffentlicht wurde.[1] Mittlerweile erscheint das Spiel im Eigenverlag des Erfinders „boardgameatelier“.[2] „Hintergrund des Spiels ist der sogenannte Zweite Große Mafiakrieg, der in den 1980er-Jahren zwischen verschiedenen Mafia-Clans stattfand. Die hier im Spiel auftretenden Familien und Personen sind jedoch frei erfunden“, so die Einleitung des Spiels.[3] Die Spieler:innen treten in Teams (2 vs. 2) gegeneinander an und Kämpfen um die Kontrolle Siziliens.[4] Es gewinnt das Team, das als erstes gemeinsam sechs „mandamenti“ erobert, oder in dem ein Team-Mitglied allein fünf mandamenti kontrolliert.[5] Hierzu weiten die Spieler:innen ihren Einfluss auf die Institutionen der Insel (Polizei, Justiz, Wirtschaft und Kirche) aus, werben „soldati“ an, eliminieren gegnerische soldati mittels Anschläge und Autobomben und bauen Drogenlabore, um Geld einzunehmen oder eigene Soldaten zu schützen.[6]

Kaum ein Mafiaklischee bleibt aus. Nicht nur, dass das Spiel Sizilien explizit als Spielfeld ausweist und somit ein erneutes Beispiel für die Reproduktion der erniedrigenden und diffamierenden Klischees darstellt, mit denen Italiener:innen weltweit konfrontiert werden, darüber hinaus werden die Strukturen, die unzählige unschuldige Opfer gefordert haben und für deren Bekämpfung viele tapfere Menschen ihr Leben ließen, normalisiert und versprechen einen „Thrill“ für einen geselligen Abend. Der deutsche Erfinder des Spiels, Maximilian Maria Thiel, sieht nach Anfrage des Spiegels kein Problem in dem Spielkonzept.[7] Eine größere Klatsche ist für die Hinterbliebenen und die vielen unschuldigen Menschen, die unter der Kontrolle der Mafia tagtäglich leiden, wohl kaum vorstellbar. Das alles hat aber die Jury der „Expert Category“ des As d’Or-Jeu de l’année, ein Preis für Gesellschaftsspiele, der auf dem Festival International Des Jeux in Cannes vergeben wird, nicht davon abgehalten, das Spiel 2024 als Gewinner zu küren.[8]

Dass die Mafia eine seltsame Faszination auf Medienkonsument:innen ausübt, ist keine Neuheit. Spätestens seit der Erscheinung von „The Godfather“ im Jahr 1972 hat sich aus der Faszination ein makaberes Genre entwickelt. Das erschreckende ist, dass mehr als ein halbes Jahrhundert danach die Glorifizierung der Täter:innen immer noch für viele Kunst- und Medienschaffende eine scheinbar nie zu versiegenden Inspirations- und Einkommensquelle zu sein scheint. Jene, die sich gegen das Unrecht und die Unterdrückung gewehrt haben und dies nach wie vor tun, scheinen (wenn überhaupt) nur eine marginale Rolle zu spielen.

Es ist diese Normalisierung, die dazu beiträgt, dass die Gefahr, die von der Mafia ausgeht, gesellschaftlich und zuweilen auch politischen nicht erkannt wird. Medien, die das Eintauchen in die Welt der Mafia versprechen, wirken der politischen Bildungsarbeit von NGOs, Journalist:innen und Wissenschaftler:innen entgegen, indem sie die Mafia als globales Phänomen bagatellisieren und dazu beitragen, das verfälschte Bild der mafiösen Lebensweise zu idealisieren. mafianeindanke nutzt dieses Beispiel der jüngeren Vergangenheit, um sich erneut klar gegen die Produktion und den Konsum mafiaverherrlichender Medien zu positionieren.


[1] https://www.boardgameatelier.de/wp-content/uploads/2024/08/LaFam_Rules_DE_Print_V1-1_Pict_low.pdf, S. 2.

[2] https://www.feuerland-spiele.de/spiele/la-famiglia-1/

[3] https://www.boardgameatelier.de/wp-content/uploads/2024/08/LaFam_Rules_DE_Print_V1-1_Pict_low.pdf, S. 2.

[4] https://www.boardgameatelier.de/wp-content/uploads/2024/08/LaFam_Rules_DE_Print_V1-1_Pict_low.pdf, S. 2.

[5] https://www.boardgameatelier.de/wp-content/uploads/2024/08/LaFam_Rules_DE_Print_V1-1_Pict_low.pdf, S. 2.

[6] https://www.boardgameatelier.de/wp-content/uploads/2024/08/LaFam_Rules_DE_Print_V1-1_Pict_low.pdf, S. 2, 18.

[7] https://www.spiegel.de/panorama/italien-deutsches-mafia-brettspiel-la-famiglia-sorgt-fuer-kritik-a-934830fb-468e-4371-b0fd-f1b9db62e25d

[8] https://www.festivaldesjeux-cannes.com/en/festival-as-d-or-jeu-de-l-annee

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