Die mehrteilige Dokuserie „Jagd auf die Mafia“ von ARD und arte erzählt die Hintergründe der Antimafia-Polizeioperation „Eureka“, bei der am 3. Mai 2023 in zehn Ländern über 100 Tatverdächtige verhaftet werden. Sie konzentriert sich auf die Rekonstruktion der Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden und das Thema des transnationalen Kokainhandels.
Die Serie ist in der ARD-Mediathek verfügbar: https://1.ard.de/jadm
Operation Eureka
Was ist Eureka und woher kommt dieser Name?
Eureka ist der Name der Antimafia Operation und geht auf den Ausspruch von Archimedes zurück: „Ich habe es gefunden“.
Wie lange wurde Eureka vorbereitet und welche Länder waren daran beteiligt?
Über drei Jahre wurde die Operation vorbereitet und es waren Deutschland, Italien, Belgien, Frankreich, Spanien, Brasilien, Paraguay und Rumänien beteiligt. Aber die Frage ist nicht eindeutig zu beantworten. Mit der Festnahme von Antonio Callipari im November 2018 starteten die Ermittlungen, die zu Eureka führten. Aber wenn man vom formalen Verfahren ausgeht, ist es etwa im Juni 2019 gewesen.
Wie viele Mafiosi konnten festgenommen werden? in wie vielen Ländern?
132 von 155 Verdächtigte wurden laut Europol insgesamt in allen Ländern festgenommen. Der Begriff der Festnahme ist insofern zuweilen irreführend, wie sich Antimafia-Operationen oft auch gegen bereits Inhaftierte richten. In Italien sind laut den Carabinieri 108 Personen verhaftet worden.
Wie sieht es mit der Strafverfolgung aus bzw. wo stehen die Prozesse gegen die Beschuldigten?
Derzeit finden in allen Ländern Prozesse statt, bei denen die beteiligten Ermittler:innen aussagen. Das können wir auch für Italien bestätigen.
Wie viele Verurteilungen gab es bisher in Deutschland?
Die Prozesse sind derzeit laufende Verfahren. In Deutschland erging am 3. Februar 2025 ein Urteil, das die drei Angeklagten Antonio G. und die Brüder Antonio und Francesco M. vom Vorwurf der kriminellen Vereinigung und der Geldwäsche im Siegener Eiscafé „Al teatro“ freispricht. Am gleichen Tag begann in Wuppertal der Prozess gegen acht mutmaßliche Koks-Kuriere. Den Angeklagten werden die Bildung einer kriminellen Vereinigung und Drogenhandel oder Beihilfe dazu vorgeworfen. Der Hauptverdächtige Karl-Heinz E. soll etwa 2,2 Millionen Euro eingenommen und Geld über den Betrieb eines Angelteichs gewaschen haben.
Die Protagonist:innen
Was machen Oliver Huth und die anonyme deutsche Ermittlerin heute?
Sie stehen der Justiz zur Seite, wenn die Verdächtigen der Operation Eureka vor Gericht aussagen. Ansonsten ermitteln sie in anderen Fällen der Organisierten Kriminalität
Sind Luigi Bonaventura und seine Familie nach wie vor gefährdet?
Nach wie vor ist die Familie sehr vorsichtig, was ihre Identität und ihren Aufenthaltsort angeht. Die Gefährdung wird bis zu Luigis Lebensende fortbestehen.
Was ist aus dem Chef des Angler-Paradieses und aus dem Angelteich selbst geworden? Ist es noch immer geschlossen? Oder gibt es einen neuen Verwalter?
Das Angelparadies wird derzeit auf gerichtlichen Beschluss hin nicht betrieben, der Verdächtige ist noch in Haft. Der Prozess gegen ihn begann am 3. Februar 2025 am Landgericht Wuppertal, dabei wurden Termine bis August angesetzt (Stand: Februar 2025).
Italienische Mafia in Deutschland
Mafia, ‘ndrangheta, Cosa Nostra – was sind die Unterschiede?
Es handelt sich um die drei bekanntesten italienischen Mafia-Organisationen. Die ‘ndrangheta kommt aus Kalabrien und wird derzeit als mächtigste Organisation angesehen. Die streng hierarchische Cosa Nostra aus Sizilien hat nach mehreren blutigen Mafia-Kriegen und einer äußerst aggressiven Strategie gegen Staat und Zivilgesellschaft an Macht verloren. Die Camorra aus Neapel zeichnet sich durch sichtbare Gewalt, sehr junge Täter:innen und innere Auseinandersetzungen aus. Alle drei Organisationen sind auch in Deutschland aktiv, wie auch aus den Lagebildern des BKA zur Organisierten Kriminalität hervorgeht.
Warum ist gerade Deutschland ein Paradies für die Mafia?
Dafür gibt es viele Gründe: Mangelnde Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, mangelnde Kenntnis des Themas, keine wissenschaftliche Auseinandersetzung, restriktiver Umgang mit Daten und Informationen, nicht ausreichende Gesetze, Strategie der Unauffälligkeit der ‘ndrangheta. Deutschland ist auch deshalb attraktiv, weil es als reiches und stabiles Land für die Investition von Schwarzgeld in der legalen Wirtschaft geeignet ist.
Inwiefern sind die bestehenden Gesetze unzureichend?
Es ist inzwischen ein politischer Gemeinplatz: Die OK und Geldwäsche werden nur dann effektiv bekämpft, wenn illegal akkumuliertes Vermögen – insbesondere das der Hintermänner – abgeschöpft wird. Die Bekämpfung der OK und anderer Wirtschaftsdelikte ist nur dann erfolgreich, wenn bei den Tätern Gelder und sonstige Vermögensgegenstände eingezogen werden, die ihnen erlauben, in weitere Verbrechen zu investieren, ihre wirtschaftliche Macht in der legalen Wirtschaft – auch durch die Übernahme und Infiltration von Wirtschaftsunternehmen und Finanzinstituten – weiter auszubauen und die illegal erlangten Profite vor der Einziehung durch die Ermittlungsbehörden in Sicherheit zu bringen. Es geht also um die Austrocknung der finanziellen Basis der OK.
Lässt sich die ‘ndrangheta in Zahlen fassen? Wie viele aktive Mitglieder gibt es in Deutschland? Weltweit?
Laut offiziellen Angaben des BKA sind derzeit 933 Mitglieder italienischer Mafia-Organisationen in Deutschland aufhältig, davon gehören rund 500 zur ‘ndrangheta. Die Zahl ist um ein unbekanntes Dunkelfeld zu ergänzen. Italienische Behörden sprechen von mindestens 3000 ‘ndranghtisti in Deutschland. Weltweit gibt es viele tausend Mitglieder der ‘ndrangheta.
Wie hoch werden die jährlichen Umsätze geschätzt?
Die Schätzungen variieren stark zwischen 30 und 220 Milliarden. Euro. Laut Staatsanwalt Giuseppe Lombardo geht aus Ermittlungen hervor, dass der Jahresumsatz bei 220 Milliarden liegt.
Muss man bei jeder Pizzeria oder Eisdiele befürchten, dass sie der Mafia-Geldwäsche dient?
Nein, aber ausschließen kann man es nie. Belastbare Zahlen fehlen, aber erfahrungsgemäß unterschätzen die Menschen die Zahl der entsprechenden Lokale, vor allem können Sie es sich bei den Lokalen, die sie besuchen, nicht vorstellen.
Die Doku-Serie „Jagd auf die Mafia“
Es gibt eine Doku-Serie bei ARTE und eine in der ARD-Mediathek – wie unterscheiden sie sich?
Die fünfteilige ARTE-Serie ist sehr viel internationaler angelegt, wie es dem Profil des europäischen Kulturkanals entspricht. Die dreiteilige ARD-Serie beschäftigt sich vor allem mit der Mafia in Deutschland und dem Ermittler Oliver Huth.
Wie sind die Journalist:innen bei den Recherchen vorgegangen?
„Durch unser Vorgängerprojekt FD65 haben wir gute Kontakte in diverse Polizeidienststellen und haben dort das Projekt vorgestellt und die Zugänge erhalten. Die Strafverfolgungsbehörden haben im Rahmen des Möglichen gerne kooperiert, weil es für sie absolut wichtig ist, das breitere Publikum für das Phänomen Mafia in Deutschland zu sensibilisieren und zu erzählen, dass die Mafia längst hier ist und die Gesellschaft infiltriert, v.a. auch beim Thema Geldwäsche. Wir suchten speziell nach Polizeiermittler:innen, die sich auf Mafiafälle in Deutschland spezialisiert haben. Schnell wurde uns in der Recherche klar, dass Oliver Huth – als Leitender Ermittler von Eureka – als Hauptprotagonist von besonderem Interesse für das deutsche Publikum sein würde.“
Ist das nicht gefährlich? Waren die Journalist:innen persönlichen Risiken ausgesetzt?
„Bei so einem Thema sind alle Beteiligten mit höchster Achtsamkeit und Umsicht unterwegs, Außerdem gibt es immer eine Rechtsberatung, die unser Team in heiklen Situationen unterstützt. Aber natürlich bleibt ein Restrisiko, wie immer bei investigativen Themen.“
Wird es weitere Dokus zum Thema Mafia geben? Eine Fortsetzung?
Im März 2025 wird es eine Doku-Serie in der ARD-Mediathek zu den Mafia-Morden von Duisburg geben. Dies ist zwar keine Fortsetzung, aber die Vertiefung eines einzelnen schockierenden Vorfalls, der in Deutschland endlich ein Bewusstsein für die gesamte Problematik geschaffen hat. Die Mafiamorde von Duisburg werden darin umfassend aufgearbeitet – nach dem heutigen Wissensstand. Zwei Überläufer, die mit der Polizei kooperieren, kommen zu Wort.
Quelle: Redaktion WDR, ergänzt von mafianeindanke e.V.