Geschichte der Mafia

Die Geschichte der italienischen Mafia-Organisationen ist lang und vielschichtig.

Die Geschichte der sizilianischen Cosa Nostra

Die Cosa Nostra hat ihren Ursprung auf Sizilien, welches Ende des 19. Jahrhunderts von Feudalismus geprägt war. Adelige verantworteten ihr Land Gutsherren, die es wiederum durch Mittelsmänner kontrollierten. Diese herrschten willkürlich und gewaltsam über die Bauern und zwangen sie, einen Teil der Ernte als Gebühr abzugeben – eine Urform des mafiösen „Pizzo“, des sogenannten Schutzgeldes.

Mit der italienischen Einigung 1861 war die Macht dieser Gutsherren bereits so groß, dass die neue italienische Regierung die Insel nur schwer unter ihre Kontrolle brachte. Die Bevölkerung hielt sich an das auf Sizilien herrschende Machtgefüge mit eigenen Normen, es bildete sich ein Staat im Staate.

Dieses Machtsystem wurde später bekannt als die sizilianische Mafia-Organisation Cosa Nostra. Sie zeichnet sich aus durch eine strenge Hierarchie in Form einer Pyramide, mit der sogenannten „Cupola“ oder „Commissione“ an der Spitze, einer Art kriminellem Führungsgremium, in dem Vetreter der verschiedenen Regionen zusammenkommen. Sie teilt sich in Familien auf, deren territoriale Macht sich auf bestimmte Stadtviertel und Orte verteilt. Getragen wird diese Macht durch das Schweigen und Wegsehen der Öffentlichkeit, die „Omertà“.

Aber auch in anderen Teilen Italiens bildeten sich Mafia-Organisationen: um Neapel die Camorra, in Kalabrien die ‚Ndrangheta und in Apulien die Sacra Corona Unita.

Auch in Amerika bildete sich ein Ableger der Cosa Nostra, die sich in illegalem Glücksspiel, Prostitution, Alkoholschmuggel, sowie im Import illegaler Drogen betätigte. Die US-amerikanische Mafia spielte auch eine entscheidende Rolle bei der Landung der Alliierten auf Sizilien im Jahr 1943. Eine Zusammenarbeit, die den Mafiosi auf Sizilien nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu neuer Macht verhalf.

Beim Wiederaufbau nach dem Krieg entdeckte die Mafia auf Sizilien ihre Möglichkeiten im Baugewerbe. Sie sicherte sich die Unterstützung einflussreicher Personen aus Politik und Gesellschaft, um EU-Subventionen und öffentliche Aufträge abzugreifen. Bekannt wurde diese Zeit der 50er und 60er Jahre als „Plünderung von Palermo“ („il Sacco di Palermo“). In der sizilianischen Hauptstadt wurden ohne Rücksicht auf Verluste historische Stadtteile im Jugendstil oder Barock abgerissen und durch Wohnhäuser aus schlechtem Material ersetzt. Hinzu kamen Drogengeschäfte, Prostitution und Waffenhandel.

Die neuen Möglichkeiten in Palermo weckten das Interesse der ländlichen Cosa Nostra-Clans. Anfang der 80er Jahre holte ein Mafia-Clan aus Corleone zum Schlag aus, um die Macht über die sizilianische Hauptstadt zu gewinnen. Ein Mafia-Krieg, der die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzte, da täglich Tote in den Straßen lagen und auch unbeteiligte Menschen zu Opfern wurden.

Auch Personen in Polizei, Gewerkschaften, Unternehmen, Journalismus, Politik und Justiz wurden zunehmend zum Ziel von Angriffen der sizilianischen Mafia, die ihre Macht sowohl dem Staat als auch allen Gegnern in der Zivilgesellschaft demonstrieren wollte. Berühmtestes Beispiel sind die Morde an den beiden Richtern Giovanni Falcone (1939-1992) und Paolo Borsellino (1940-1992). Die beiden Richter trugen maßgeblich dazu bei, dass in Maxi-Prozessen von 1986 bis 1987 mehr als 400 Personen, darunter mächtige Mafia-Bosse, angeklagt und zu teils lebenslangen Haftstrafen verurteilt wurden. Unterstützt wurden sie dabei vom ersten Kronzeugen der Geschichte der italienischen Mafia, dem hochrangigen Cosa-Nostra-Mitglied Tommaso Buscetta (1928-2000), der ihnen eine Innenansicht der Organisation bot.

Die Reaktion der Cosa Nostra auf die Maxi-Prozesse war gnadenlos. Am 23. Mai 1992 ermordete sie Giovanni Falcone mit seiner Frau Francesca Morvillo, ebenfalls Richterin, und Leibwächtern bei einem Sprengstoffattentat. Nur wenige Wochen später, am 19. Juli 1992, starb Paolo Borsellino vor dem Haus seiner Mutter durch eine Autobombe.

Nach 1992: Die Antimafia-Bewegung entsteht. Die Mafias lernen aus ihren Fehlern

Nach dem Tod der beiden Richter regte sich in Italien die Zivilgesellschaft und protestierte offen gegen die Mafia​. 1995 gründete sich der Verein „Libera“ rund um den katholischen Priester Luigi Ciotti. Libera baut unter anderem auf konfiszierten Mafiagütern Produkte wie Wein und Oliven mafiafrei an und vertreibt diese.

Mitte der 90er Jahre kamen durch die juristischen Untersuchungen unter dem Motto „mani pulite“ (saubere Hände) die Verstrickungen von Mafia und Politik ans Licht. Später sollte durch die Aussage eines Kronzeugen auch ein Vertrauter des Forza-Italia-Politikers Silvio Berlusconi beschuldigt werden, Verbindungen zur Cosa Nostra und unter anderem Wahlhilfe für die Partei in Anspruch genommen zu haben.  

Die Mafia-Organisationen verschwanden nicht, lernten aus der gescheiterten Strategie der Cosa Nostra aber und wurden ruhiger, um ungestört ihren Geschäften nachzugehen​. Unterdessen breiteten sie sich zunehmend auch in den Norden Italiens, in die Schweiz und nach Deutschland aus.

2004 startete eine Gruppe Student*innen in Palermo die Initiative Addiopizzo, um sich gegen Schutzgelderpressung zu wehren​.

2007: Sechs Tote auf der Straße vor „Da Bruno“ in Duisburg. Mafianeindanke entsteht

Im August 2007 rückte die Mafia erstmals deutlich ins Auge der deutschen Öffentlichkeit. In Duisburg wurden vor dem Restaurant „Da Bruno“ sechs Menschen auf offener Straße erschossen. Wie sich während der Ermittlungen herausstellte, handelte es sich um einen Racheakt innerhalb der kalabrischen ‚Ndrangheta.​

Diese hat aus den Fehlern der Cosa Nostra gelernt, sie setzt nicht etwa auf eine offene, kriegsähnliche Konfrontation mit dem Staat, sondern unterwandert Wirtschaft und Politik in aller Stille. Die ‘Ndrangheta hat durch Entführungen und Lösegelderpressungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein Vermögen gemacht.  Sie ist mittlerweile die mächtigste italienische Mafia-Organisation, dominiert den europäischen Kokainhandel und macht manchen Schätzungen zufolge mehr Jahresumsatz als die Deutsche Bank und McDonald‘s zusammen.

Die Morde von Duisburg sind auch der Gründungsmoment des Vereins mafianeindanke e.V. (Geschichte des Vereins), in dem sich zunächst Gastronomen zusammenschließen, um ein Zeichen gegen die Mafia in Deutschland zu setzen. Der Verein macht seither auf den Einfluss der italienischen Mafia in Deutschland aufmerksam. Denn die Mafia – also vornehmlich die `Ndrangheta, Cosa Nostra und die Camorra – ist bis heute groß im Geschäft – von Drogenhandel und Geldwäsche, Wirtschafts- und Finanzkriminalität, Korruption, Steuerhinterziehung, Schutzgelderpressung, Subventionsbetrug bis zur illegalen Abfallentsorgung von teils hochgiftigen Substanzen. Außerdem mischt sie im Kapitalmarkt mit und ist auf dem Immobilienmarkt präsent, zum Teil über komplizierte Finanzmarktinstrumente wie Investmentfonds. Insbesondere die ‘Ndrangheta versucht durch den gezielten Kontaktaufbau zu Personen in Schlüsselpositionen ihren politischen Einfluss auszubauen.

Wozu brauchen wir eine Antimafia-NGO in Deutschland?

Im Unterschied zur einfachen Organisierten Kriminalität, wie sie beispielsweise bei organisierten Einbrecherbanden vorliegt, sind die italienischen Mafia-Organisationen viel komplexer aufgebaut, schotten sich durch die „Omertà“, das Schweigegebot, stark nach außen ab, und streben neben finanziellem Gewinn auch nach Macht. Das macht sie zu einer Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat, denn diese sind den Mafia-Organisationen bei ihren Tätigkeiten nur im Weg. Aus diesem Grund können Strafverfolgungsbehörden alleine nicht gegen die italienische Mafia gewinnen, wir brauchen ein gesamtgesellschaftliches Bewusstsein und Prävention, auch auf gesellschaftlicher Ebene. Antimafia-Arbeit ist stets zugleich Engagement für eine demokratische, freie Gesellschaft mit den gleichen Rechten für alle.

Während Mafias allein dem Recht des Stärkeren folgen und auf einem System der Ungerechtigkeit fußen, fordert die Antimafia-Bewegung Freiheit und Gerechtigkeit für alle Menschen und setzt sich für das Wohl der Allgemeinheit ein. Deshalb ist mafianeindanke als gemeinnütziger Verein anerkannt.

Die Geschichte der Mafia ist also noch lange nicht vorbei. Aber wie es Giovanni Falcone formulierte: „Die Mafia ist ein menschliches Phänomen, und wie alle menschlichen Phänomene hat sie einen Anfang, eine Entwicklung und wird ein Ende haben.“ Auf das Ende arbeiten wir hin. Packen wir’s an!