Die Verdachtsmeldepflicht der Aufsichtsbehörden für Freie Berufe im Geldwäschegesetz wird eingeschränkt

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Ein Lehrstück, wie Geldwäschebekämpfung in Deutschland funktioniert

Bundesrat und die Lobby der Notare und Rechtsanwälte hebeln die Verdachtsmeldepflicht der Aufsichtsbehörden für Freie Berufe im Geldwäschegesetz aus    

Anfang Juni 2021 hat der Bundestag den Gesetzesentwurf der Bundesregierung für ein geldwäscherechtliches „Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz“ angenommen. Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung nicht enthalten war eine Modifizierung einer Norm, die die Aufsichtsbehörden zur Erstattung einer Meldung an die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) verpflichtet, „soweit Tatsachen vorliegen, die darauf hindeuten, dass ein Vermögensgegenstand mit Geldwäsche oder mit Terrorismusfinanzierung im Zusammenhang steht“ (§ 44 Abs. 1 Geldwäschegesetz – GwG). Diese Regelung ist seit über 10 Jahren in Kraft, ohne dass deren Inhalt rechtliche Bedenken ausgelöst hätte.

Dem Bundesrat ist es im laufenden Gesetzgebungsverfahren mit Zustimmung der Berichterstatter der CDU- und SPD-Fraktion im federführenden Finanzausschuss des Bundestags gelungen, eine für die Aufsicht über Freie Berufe einschlägige Reduktion der Meldepflicht in die Endfassung des Gesetzes aufzunehmen. Mit dem Inhalt des Gesetzesentwurfs hatte dies nichts zu tun. Das „Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz“ wurde lediglich als Vehikel benutzt, ohne dass dies groß aufgefallen wäre. Kritik der Opposition gab es nicht; die gravierenden Folgen dieser Änderung waren den Oppositionsparteien Bündnis 90/Die Grünen und der Linken nicht aufgefallen.

Geldwäschebekämpfung und die rechtsberatenden Berufe

Den Dienstleistungen und dem Know-how der rechtsberatenden Berufe, insbesondere von Rechtsanwälten, Notaren und Steuerberatern, kommt nicht nur im legalen Wirtschaftsleben, sondern auch bei Deliktsformen der Organisierten Wirtschaftskriminalität, etwa bei komplexen, illegalen Unternehmenskonstruktionen und Finanzierungsmodellen sowie im boomenden Immobiliensektor eine besondere Bedeutung zu. Nach der Risikoanalyse der Bundesregierung vom Oktober 2019 gilt u.a. der Immobiliensektor als hochgradig geldwäscheträchtig. Ihren Niederschlag hat diese Einschätzung jedoch im GwG nicht gefunden.

Gem. § 43 Abs. 2 Satz 1 GwG sind Verpflichtete der rechtsberatenden Berufe abweichend von den üblichen Meldepflichten für Institute und Unternehmen im Finanz- und Dienstleistungssektor (§ 43 Abs. 1 GwG) nicht zur Meldung gegenüber der FIU verpflichtet, wenn sich der meldepflichtige Sachverhalt auf Informationen bezieht, die sie im Rahmen von Tätigkeiten der Rechtsberatung oder Prozessvertretung erhalten haben.

Bereits die EU-Geldwäscherichtlinie 2015/849 und ihre Vorläufer, deren Umsetzung das GwG dient, regeln Ausnahmen von der Meldepflicht im Rahmen der Rechtsberatung oder Prozessvertretung. Sie sollen das Berufsgeheimnis der rechtsberatenden Berufe schützen.  In einer Rückausnahme besteht jedoch diese Meldepflicht weiter, allerdings nur dann, wenn der Angehörige eines rechtsberatenden Berufs an der Geldwäsche beteiligt ist, die Rechtsberatung zum Zwecke der Geldwäsche erteilt oder dieser weiß, dass der Mandant die Rechtsberatung für Geldwäschezwecke in Anspruch nimmt. Der deutsche Gesetzgeber hat diese EU-Vorgabe bezüglich der Rückausnahme allerdings enger umgesetzt und diese nur zugelassen, wenn der Angehörige der rechtsberatenden Berufe sicher weiß, dass der Mandant die Rechtsberatung für Geldwäschezwecke in Anspruch nimmt. Ebenfalls gilt sie, wenn Auffälligkeiten vorliegen, die in der „Verordnung zu den nach dem Geldwäschegesetz meldepflichtigen Sachverhalten im Immobilienbereich vom 31.8. 2020“ genannt sind. Solche Auffälligkeiten ergeben sich z.B. aus einem Bezug der Immobilientransaktion zu Staaten, die nach EU- Vorgaben als Risikostaaten gelistet sind, oder zu Personen, die in Sanktionslisten geführt werden, sowie aus Auffälligkeiten im Zusammenhang mit den an der Transaktion beteiligten Personen, dem wirtschaftlich Berechtigten, dem Preis oder einer Kauf- oder Zahlungsmodalität (u.a. Verwendung von Barmitteln).

Keine funktionierende Aufsicht über Freie Berufe

Abgesehen von der bereits erwähnten Verdachtsmeldepflicht werden auch die geldwäscherechtlichen Identifizierungs- und Sorgfaltspflichten von den rechtsberatenden Berufen seit Jahren völlig unzureichend umgesetzt. Die Jahresberichte der FIU belegen dies eindrücklich: Während im Jahr 2019 von den Banken 103697 Verdachtsmeldungen erstattet worden sind, haben Rechtsanwälte 21, Notare 17 und Wirtschaftsprüfer im Jahr 2019 überhaupt keine Verdachtsmeldungen erstattet. Der Grund: Die genannten Freien Berufe werden unter Verstoß gegen das GwG unzureichend beaufsichtigt. Vor-Ort-Prüfungen in den Kanzleien sind selten. Die für die Aufsicht zuständigen Rechtsanwaltskammern verstehen sich ohnehin trotz ihres öffentlich-rechtlichen Status primär als Interessenorganisation der Rechtsanwälte und nicht als Aufsichtsinstitution. Bei den Notaren ist dies anders. Dort sind nicht die Notarkammern, sondern die Präsidenten der Landgerichte zuständige Behörde für die Geldwäscheaufsicht. Von einer Aufsicht über Notare in den Ländern ist aber auch dort nichts zu spüren. Der Grund: Personalmangel. Nur das Land Berlin unterscheidet sich von dieser in der Praxis nicht existenten Aufsicht der Präsidenten der Landgerichte in den übrigen Bundesländern. Dort wurde vom Senator für Justiz beim Präsidenten des Berliner Landgerichts eine Task Force für Geldwäscheprüfungen eingerichtet und diese wurde schnell fündig. In einem Drittel der bei den Berliner Notaren geprüften Vorgänge wurden Verstöße gegen geldwäscherechtliche Vorschriften festgestellt.

Besonders bitter ist, dass die erfolgreich und bei der Notarsaufsicht engagiert arbeitende Berliner Senatsverwaltung für Justiz – ohne es zu wollen – nunmehr die Aushebelung der Verdachtsmeldepflicht für Aufsichtsbehörden über freie Berufe selbst ins Rollen gebracht hat. Ausweislich des Beschlusses des Bundesrates zu Änderungen des Entwurfs zum „Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz“ (BR-Drucksache 133/21, Beschluss vom 26.3.21, S. 16ff.) hat die Berliner Senatsverwaltung für Justiz im Frühjahr 2020 eine Umfrage unter den Landesjustizverwaltungen zur Anwendung der Verdachtsmeldepflicht der Aufsichtsbehörden durchgeführt. Thematisch ging es dabei um die Reichweite dieser Meldepflicht bei Geldwäscheprüfungen in den Fällen, in denen Freie Berufe ihrerseits zur Meldung nicht verpflichtet sind. Der Bundesrat vertrat mehrheitlich die Ansicht, dass aufgrund des Ergebnisses ein dringendes praktisches Bedürfnis bestünde, dass der Gesetzgeber für Klarheit sorgt.  Aufsichtsbehörden müssten Verdachtsfälle an die FIU ebenfalls dann nicht melden, wenn Notare und Rechtsanwälte selbst von der Meldepflicht befreit sind. Die mit heißer Nadel gestrickte kurze Begründung: Ansonsten würde das geschützte Vertrauensverhältnis zu Berufsgeheimnisträgern umgangen werden.

Warum die Angelegenheit für den Bundesrat plötzlich so dringlich war, liegt auf der Hand. Weil die Präsidenten der Landgerichte jahrelang ihrer Prüferpflichten gegenüber Notaren vernachlässigt haben, stellte sich das Problem der Reichweite der Meldepflicht für Aufsichtsbehörden in der Praxis zunächst für sie nicht. Erst durch den konsequenten Vollzug des Gesetzes durch die Taskforce des Berliner Landgerichts mussten die Aufsichtsbehörden in den anderen Bundesländern über den Bundesrat reagieren, mit dem Ziel, die Verdachtsmeldepflicht im Interesse einer Fortsetzung ihrer Aufsicht der lockeren Hand gegenüber Notaren auf niedrigem Niveau festzuschreiben. Auch die Bundesnotarkammer als Interessenorganisation der Notare war nicht untätig geblieben. Sie hatte ebenfalls mit derselben Intention im Frühjahr 2020 ein Gutachten bei einem Strafrechtsprofessor in Auftrag gegeben, obwohl es sich bei der angegriffenen Norm um eine aufsichtsrechtliche und nicht um eine strafrechtliche Regelung handelt. Auf den Verfasser des Gutachtens ist jedoch Verlass, weil er sich in der Vergangenheit konsequent als Bremser jeder Verbesserung des Anti-Geldwäscheregimes in Deutschland einen Namen gemacht hat und sogar zu einem Rechtszustand zurückgehen will, der kaum mit den verpflichtenden internationalen Standards gegen Geldwäsche vereinbar wäre. Dieses Gutachten bemühte u. a. die EU-Geldwäscherichtlinie 2015/849 für die von ihm vertretene Auffassung, dass eine schrankenlose Meldepflicht der Aufsicht über Freie Berufe nicht von der Richtlinie gedeckt sei, wenn die Pflichtigen der Freien Berufe selbst von der Meldepflicht freigestellt seien. Die EU-Geldwäscherichtlinie enthält jedoch keine solche Vorgabe.

Die Folgen dieser Gesetzesänderung sind fatal. Der Berliner Senatsverwaltung für Justiz ist zuzustimmen, dass in den eklatanten Geldwäschefällen von den Aufsichtsbehörden nicht mehr gemeldet muss und die Freien Berufe und deren mögliche Verwicklung in Geldwäsche für die FIU und die Ermittlungsbehörden dadurch weiterhin eine Black Box bleiben werden. Der Schutz des Berufsgeheimnisses zwischen Freien Berufen und Mandanten hätte eine solche Einschränkung keinesfalls verfassungsrechtlich erforderlich macht. Die vergleichbaren Regelungen zu Grenzen und der Reichweite von Steuergeheimnis oder Bankgeheimnis zeigen, dass gegenüber Aufsichtsbehörden die privaten Geheimnisse zwischen dem Mandanten/Kunden und Geheimnisträger keineswegs schrankenlos geschützt sind.  Entscheidend ist der Güterabwägungsprozess, die der Gesetzgeber zwischen dem Schutz von Privatgeheimnissen unterschiedlicher Qualität und dem Aufsichts- und Strafverfolgungsinteresse bei der Geldwäsche vorzunehmen hat. Der Abwägungsprozess des Gesetzgebers und der Lobby ist eindeutig: Transparenz und eine wirksame Geldwäschebekämpfung haben gegenüber privaten Verschwiegenheitspflichten immer den Kürzeren zu ziehen, sowohl in Deutschland als auch anderen Geldwäscheparadiesen.