Kryptowährungen dürfen nicht länger ein Vehikel für Geldwäsche sein

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Zwei Ausschüsse des Europäischen Parlaments, der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) und der Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) stimmten am 31.03.2022 mehrheitlich für einen geldwäscherechtlichen Regulierungsentwurf, der bei Transaktionen in Kryptowährungen[1] vollständige Transparenz vorsieht.

Die EU-Kommission hatte im Sommer 2021 ein umfangreiches Gesetzespaket gegen Geldwäsche vorgelegt. Davon erfasst ist auch eine Reform der EU-Transaktionsverordnung. Über die Übermittlung von Informationen an den Empfänger bei grenzüberscheitenden Geldtransfers, etwa durch Überweisungen oder Kartenzahlungen, soll damit die Rückverfolgbarkeit von Transaktionen sichergestellt werden. Die EU-Kommission hat in ihrem Vorschlag zur Reform dieser Verordnung eine Erweiterung auf Transfers durch Kryptowerte vorgeschlagen. Um die „Effizienz des Bezahlsystems zu wahren“ und die „Untergrundwirtschaft kleinzuhalten“, sprach sich die EU-Kommission im Regulierungsvorschlag allerdings für eine Bagatellgrenze von 1000 Euro aus.

Einen solchen Schwellenwert sieht die bisherige, seit 2015 in Kraft befindliche Regelung auch für Überweisungen oder Kartenzahlungen vor. Diese Ausnahmen waren im Kommissionsentwurf auch für Transfers bei Kryptowährungen von Person zu Person, die ohne einen Anbieter durchgeführt werden, vorgesehen. Diese würden etwa bei Bitcoin-Handelsplattformen oder Transaktionen zwischen Anbietern greifen, die in ihrem eigenen Namen handeln.

Das Europäische Parlament will Regulierungslücken bei Geldwäsche durch Kryptowährungen schließen

Der von der Kommission vorgeschlagene Schwellenwert soll nun, wie von den Berichterstattern, dem Grünen Ernest Urtasun (ECON) und der Rechtskonservativen Assita Kanko (LIBE) vorgeschlagen, gestrichen werden. Nach dem Beschluss müssten alle Transfers von Krypto-Vermögenswerten Informationen über deren Herkunft (identifizierter und verifizierter Name des Senders und dessen Anschrift) sowie den Empfänger enthalten. Diese sind den zuständigen Aufsichtsbehörden zur Verfügung zu stellen. Alle Transfers wären damit vollständig nachvollziehbar. Demnach sollen Krypto-Dienstleister keine anonymen Überweisungen mehr vornehmen, zudem keine anonymen Krypto-Geldautomaten betreiben und müssen besonderes Augenmerk auf Techniken richten, welche die Herkunft von Krypto-Überweisungen verschleiern sollen.

Von besonderer Bedeutung in der Praxis ist, dass damit die Transparenzvorschriften auch für Transaktionen mit „Unhosted Wallets“ Anwendung finden würden, die Intermediäre wie Börsen oder Kryptowerte-Dienstleister nicht benötigen, um Kryptowerte, die etwa auf dem PC des Senders verwahrt werden, an einen Empfänger zu transferieren. Technologische Lösungen sollen auch für diese Fallkonstellation gewährleisten, dass Vermögensübertragungen individuell identifiziert und nachverfolgt werden können. Mit der Streichung des Schwellenwerts soll der Aufstückelung der Transaktion in kleinere Transfers unterhalb des Schwellenwerts, um diesen zu unterlaufen, entgegengewirkt werden.  Kriminelle sind nach Ansicht der beiden Ausschüsse in der Lage, Transfers durchzuführen und einer Entdeckung zu entgehen, „indem sie eine große Transaktion in kleinere Beträge aufteilen und dabei mehrere scheinbar nicht miteinander verbundene Wallet-Adressen verwenden“. Die meisten Krypto-Vermögenswerte sind zudem sehr volatil, was die Durchsetzung einer Bagatellgrenze zusätzlich erschwert.

Die Berichterstatter weisen zutreffend darauf hin, dass intransparente Kryptotransfers weltweit ein ideales Instrument zur Gewährleistung von Anonymität für Kriminelle darstellen. Geldwäscher sind dann erfolgreich, wenn sie im Geheimen und anonym agieren können. In den letzten Jahren nahmen Fälle von Finanzkriminalität zu, bei denen Kryptowährungen eine Rolle spielten. Zuletzt beschlagnahmten US-Behörden in einem Aufsehen erregenden Fall Bitcoin im Wert von rund fünf Milliarden US-Dollar, die aus einem Hackerangriff auf die Krypto-Börse Bitfinex stammen sollen. Beliebt sind Krypto-Währungen auch bei Ransomware-Attacken, um Lösegeld zu erpressen.

Den beiden Ausschüssen ist deshalb zuzustimmen, dass mit diesem Vorschlag eine nicht unbedeutende Lücke bei der Geldwäscheverhinderung in dem expandierenden und bisher nur ansatzweise regulierten Kryptomarkt geschlossen wird. Das Argument eines Teils der Lobbyisten wie der deutschen bitcom, des Branchenverbands der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche, geht fehl, dass es die nicht veränderbare Blockchain[2] bei Kryptotransfers ermögliche, kriminelles Verhalten mithilfe sogenannter Chain-Analysis-Tools aufzuspüren und deshalb die geforderten Transparenzvorschriften nicht nötig seien. Die Erfüllung von Sorgfaltspflichten sind gerade Voraussetzung dafür, dass verdächtige Transfers von pflichtigen Unternehmen in großem Umfang erkannt und dann von Ermittlern aufgespürt werden können. Der Chain-Analysis-Tool allein setzt jedoch bereits das Vorliegen eines Verdachts und das Abklären dieses Verdachts mit großem Ermittleraufwand durch dieses Tool voraus.    

Die Kryptowerte-Lobby läuft Sturm gegen den Beschluss der beiden Ausschüsse des Europäischen Parlaments

Die Kryptowerte-Lobby kämpft mit aller Härte gegen diesen Beschluss. Seitdem die Vorschläge der beiden Berichterstatter in der Öffentlichkeit bekannt worden sind, ist ein wahrer Shitstorm der Verfechter von Intransparenz gegen die Berichterstatter losgebrochen. Im Vorfeld der Abstimmung wurden Berichterstatter und Ausschussmitglieder mit einer Flut von gesteuerten, vorformulierten Mails zugedeckt. Verfasst von Coinbase. Paul Grewal, Chefjustiziar des US-Marktplatzes Coinbase, warnte vor einem drohenden „kompletten Überwachungsregime“ auf Online-Börsen, das dem staatlichen Überwachungssystem in China ähnele. In dasselbe Horn stoßen in trauter Eintracht die Abgeordneten der konservativen EVP, in der die CDU/CSU-Abgeordneten Mitglied sind und die Piraten. Der Piratenabgeordnete Patrick Breyer erklärte, die Vorschläge seien „nur ein Vorwand, um mehr Kontrolle über persönliche Daten von EU-Bürgerinnen zu erhalten“; der CSU-Abgeordnete Markus Ferber hält die Entscheidung für unverhältnismäßig. Die kommunistische Partei Chinas wäre, so Ferber, stolz auf einige der Vorschläge, die im Bereich Krypto-Regulierung von Grünen und Sozialdemokraten in die Debatte eingeführt wurden. Wer so etwas fordere, werde im nächsten Schritt das Bargeld in toto verbieten wollen.

Staatlich und insbesondere geldwäscherechtlich nicht regulierte Kryptowerte bedeutet für die Lobbygruppen und die rabiaten Fans der privaten Kryptowerte Freiheit; alles andere ist für sie Diktatur. Die EU-Parlamentarier mussten sich auf Twitter sogar anhören, sie sollten der Ukraine helfen, indem sie Kryptowährungen „in diesen wichtigen Zeiten frei von strenger Regulierung halten“. Die Attacken auf den Beschluss der EU-Parlamentarier machten nicht einmal davor halt, dass EU-Abgeordnete von der rabiaten Krypto-Community sexistisch und rassistisch beschimpft wurden, insbesondere die Berichterstatterin Assita Kanko.

Es steht also viel für eine wirksame Geldwäschebekämpfung auf dem Spiel. Ob die Abgeordneten des Europäischen Parlaments mehrheitlich den beiden Ausschüssen folgen oder aber vor der aggressiven Lobby in die Knie gehen, ist noch nicht entschieden. Die von den beiden Parlamentsausschüssen am 31.03.2022 gebilligten Maßnahmen müssen vom gesamten EU-Parlament im April 2022 und dann von den Regierungen der Mitgliedsstaaten im Europäischen Rat gebilligt werden, damit sie in Kraft treten können.


[1] Bei (privaten) Kryptowerten handelt es sich um eine digitale Abbildung von Werten, die nicht von einer Zentralbank oder Behörde geschaffen werden und auch keine Verbindung zu gesetzlichen Zahlungsmitteln haben müssen. Kryptowerte werden von Privaten als Tauschmittel verwendet und können elektronisch übertragen, verwahrt oder gehandelt werden. Es handelt sich also um eine Art privater Ersatzwährung. Kryptowerte bzw. virtuelle Währungen werden von keinem Staat als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt; ihr Wert leitet ausschließlich aus dem Vertrauen in ihre freiwillige Akzeptanz ab.

[2] Zur Blockchain-Technologie bei Kryptowerten: https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/FinTech/Blockchain/blockchain_node.html