„Blutige Tomaten“ – Zusammenfassung unserer Veranstaltung vom 15.10.2021

Agromafie Event Bild Für Website

Nicht nur das Steak auf dem Teller, sondern auch die Tomaten daneben können blutig sein. Wie die Agromafias Landarbeiter*innen unter dem Caporalato-Schema systematisch ausbeuten und sich an vielen anderen Stellen in den Produktionszyklus von Lebensmitteln einschleichen, war das Thema der ersten Präsenzveranstaltung von mafianeindanke nach der Pandemie. In einem gemeinsamen Projekt mit der Rosa-Luxemburg Stiftung sind problematische Themen aus Wirtschaft und Gesellschaft, wie der Bedarf nach fairem Handel und Transparenz über Lieferketten, jenen der Organisierten Kriminalität begegnet. Trotz der unterschiedlichen Zugänge der Kooperationspartner machte das Gelingen der Veranstaltung deutlich, welche Angriffsfläche die Probleme des italienischen Lebensmittelsektors der organisierten Kriminalität bieten. Nicht zuletzt war dieser Erfolg den Gästen zu verdanken: mit der Journalistin Sara Manisera, der Aktivistin Diletta Bellotti und dem Gewerkschafter Stefano Gianandrea De Angelis konnten drei italienische Expert*innen nach Deutschland eingeladen werden, die von dem luxemburgischen Ethnologen Prof. Dr. Gilles Reckinger hervorragend ergänzt wurden.

Die Veranstaltung wurde eingeleitet von einer kurzen Präsentation durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung, bei der unter anderem einige eindrucksvolle Fotos von den Zuständen in den Camps in Süditalien gezeigt wurden, wo die Stiftung ihre Entwicklungsprojekte durchführt. Danach folgte eine Keynote von mafianeindanke, in der erklärt wurde, was die Ziele des Vereins in Bezug auf die Agromafias sind und warum das Thema besonders relevant für den deutschen Kontext ist. Mafianeindanke möchte sich insbesondere dafür einsetzen, dass das Ausmaß der kriminellen Aktivitäten der Agromafias und die davon ausgehende Gefahr einer breiten Öffentlichkeit bekannt wird. Denn dass die Agromafias nicht in Deutschland aktiv sind, macht das Thema nicht weniger relevant, sondern führt allenfalls zu fatalen Fehleinschätzungen. Schließlich werden eben viele italienische Produkte in Deutschland stark nachgefragt, während gleichzeitig über deren Lieferketten keinerlei Transparenz herrscht. In jedem Fall steht den Gewinnen der Agromafias auch immer menschliches Leid gegenüber, während im Falle von Lebensmittelfälschungen tatsächlich für Konsument*innen Risiken gesundheitlicher Art bestehen.

Der Hauptteil der Veranstaltung widmete sich einer Podiumsdiskussion zwischen den Gästen.

Gilles Reckinger berichtete von seinen Recherchen zum Einsatz illegaler Migranten im Zitrusfrüchteanbau. Auch wenn das Caporalato kein bloßes Problem Süditaliens ist, hat der Süden besondere Charakteristiken, die diese Form der Ausbeutung fördern. In der Folge erkläre Sara Manisera durch eine geschichtliche Analyse den seither bestehenden Zusammenhang zwischen der Landwirtschaft und der Mafia und legte außerdem dar, wie vielfältig die Aktivitäten der Agromafias sind und welche Möglichkeiten es für sie gibt, entlang der Wertschöpfungskette Profite abzuschöpfen. Außerdem erklärte sie die Problematik der doppelten Rückwärtsauktionen (aste a doppio ribasso), eine Auktionsform, bei der in einer ersten Runde von einem Höchstpreis nach unten geboten wird. Danach erhält aber niemand den Zuschlag, stattdessen folgt eine zweite Runde, bei der vom niedrigsten Gebot der ersten Auktion aus weiter nach unten geboten wird. Diletta Bellotti, die als Aktivistin das Leid der Landarbeiter*innen besonders gut kennt, stellte besonders auf die Unsichtbarkeit der Ausgebeuteten ab, die sich mit ihrem Leid an niemanden wenden können und nicht ernstgenommen werden. Stefano Gianandrea de Angelis führte diesen Gedanken weiter fort und hielt fest, dass in Anbetracht des Preisdrucks auf kleine Produzent*innen am Ende immer der Preis der Arbeitskraft der einzige flexible Faktor bleibt, was maximal ausgenützt wird. Insbesondere konnte er eindrucksvoll aus dem Alltag der Landarbeiter*innen erzählen. Bei der Veranstaltung folgten noch weitere interessante Argumente, es soll aber auch nicht zu viel verraten werden: das Event wurde aufgezeichnet und wird bald als Youtube-Stream verfügbar sein.

Nach dieser gelungenen Veranstaltung steht jedenfalls für mafianeindanke fest: Dieses Event war erst der Anfang einer längeren Arbeit an diesem hochrelevanten Thema, das in Deutschland unbedingt größere Bekanntheit erlangen muss. Auch aus diesem Grund hat mafianeindanke zusammen mit den Podiumsgästen sowie weiteren Teilnehmer*innen, die sich professionell mit den Themen der Veranstaltung beschäftigen, am Samstagnachmittag danach einen Workshop abgehalten, um Lösungsansätze zu identifizieren und eine Basis für eine weitere Zusammenarbeit zu legen.

Mafianeindanke konnte sich bei dieser Veranstaltung auf besonders viele Unterstützer*innen verlassen. Ein besonderer Dank geht an die unermüdlichen europäischen Freiwilligen, die den Verein seit dem Sommer unterstützen, sowie vor allem an die Rosa-Luxemburg-Stiftung, mit der eine hervorragende Kooperation gelungen ist.

Zudem möchten der Verein sich bei den Gästen bedanken, deren Beiträge die Veranstaltung bereichert und auch den Mitgliedern neue Impulse gegeben haben. Wenn Sie sich über die Gäste informieren möchte, empfehlen wir Ihnen folgende Links:

Mit einer Anfrage über das Kontaktformular von mafianeindanke können Sie auch gerne die Kontaktdaten der einzelnen Gäste erhalten.