Brief an die Bürgermeisterin Monika Herrmann von Berlin Friedrichshain-Kreuzberg

Heute findet in Berlin ein Krisentreffen zum Thema unbegleitete minderjährige Flüchtlinge statt. Dabei geht es vor allem um Schutzmaßnahmen für die Jugendlichen, damit sie nicht von kriminellen Organisationen angeworben werden. Aus diesem Anlass haben wir die Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann angeschrieben:

Sehr geehrte Frau Herrmann,
wir sind ein gemeinnütziger Verein aus Berlin, der 2007 entstanden ist und sich dem Kampf gegen die Organisierte Kriminalität verschrieben hat, und damit, etwas allgemeiner gefasst, der sozialen Gerechtigkeit.
Wir kontaktieren Sie aus Anlass des von Ihnen organisierten Krisentreffens am Freitag, 17. Februar, bei dem Sie die Situation von Sozialarbeitern und Betreuern diskutieren, die mit minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen arbeiten. Wir haben davon dank eines Artikels im Tagesspiegel, “Berliner Senat besorgt über kriminelle Flüchtlinge” vom 16.02.2017 erfahren. Mit diesem Schreiben möchten wir gerne unseren Beitrag zu dem heute von Ihnen zu Diskutierenden leisten.
Wir möchten Ihnen gerne unsere Wertschätzung für Ihre Aufmerksamkeit für das Thema ausdrücken. Wir teilen diese Aufmerksamkeit. Wir möchten Ihnen unsere Sorge über die gefährliche Situation ausdrücken, in der sich in unserer Stadt am Rand der Gesellschaft stehende Jugendliche befinden, darunter auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, insofern sie zum Ziel von Anwerbungen verschiedener krimineller Gruppen werden, die hier präsent sind. Verschiedene Medien haben über entsprechende Vorkommnisse berichtet (etwa “Die Macht der Clans”, Tagesspiegel, 03.11.2016. „Von falschen und enttäuschten Hoffnungen“, Deutschlandfunk, 28.06.2016).
Wir verfügen seit Jahren über enge Kontakte in Italien mit diversen Organisationen und Einrichtungen, die
benachteiligten Jugendlichen Hilfe bieten. Diese Jugendlichen in Italien wie in Deutschland leben auf der Straße, zwischen Mikrokriminalität, Organisierter Kriminalität, Gewalt und sozialer Ausgrenzung.
Wir möchten die Gruppo Abele nennen, die seit mehr als 50 Jahren in Turin und Umgebung aktiv ist und damit in einer Stadt mit vielen Migranten. Die Gruppe Abele bietet nicht nur praktische und ideelle Hilfe, sondern auch Orientierung, Schulbildung und Präventionsmaßnahmen, die speziell auf diese Jugendlichen zugeschnitten sind. Die Gruppe hat ein Erziehungsprojekt „auf der Straße“ entwickelt, wo sie die Jugendlichen in ihren gewohnten Umgebungen trifft und anspricht und eine Beziehung schafft, die vor allem auf Zuhören basiert. Im Jahr 2015 hat sie so 782 Jugendliche „betreut“ und 115 Treffen zur Unterstützung und Orientierung organisiert.

Libera, ein Netzwerk von Vereinen, das seit mehr als zwanzig Jahren gegen die Mafia und soziale Ungerechtigkeit kämpft. Es organisiert Vorbeugemaßnahmen und Bildungsprogramme für Heranwachsende zum Thema Legalität, Gerechtigkeit und Bürgersinn in den Gebieten, die besonders betroffen und gefährdet sind durch die Kriminalität. Seine Erzieher und Sozialarbeiter arbeiten auch mit Angehörigen von Mafia-Familien zusammen, die ihr Leben ändern wollen. Kooperationspartner sind zahlreiche Institutionen, darunter auch das Justizministerium.

Besonders erwähnenswert ist auch eine weitere Initiative mit dem Titel Liberi di Scegliere, über die etwa die Tagesschau am 22.12.2016 berichtet hat unter der Überschrift “Mafiabossen werden Kinder weggenommen”. Es handelt sich dabei um eine Kooperation von Richtern, Psychologen und Sozialarbeitern und Erziehern. Es geht dabei darum, straffällig gewordene Kinder aus Mafiafamilien zu nehmen beziehungsweise aus ihrer mafiösen Umwelt, mit der sie mit Geburt belastet sind, um ihnen eine Alternative zu einem kriminellen Leben zu zeigen. Bis heute hat die Initiative 30 Kinder und Jugendliche auf dem Weg zur Veränderung begleitet, kein Projektbeteiligter ist danach wieder straffällig geworden.
Die in Jahrzehnten auf diesem Feld gewonnen Expertise ist beachtlich. Wir glauben, dass sie auch für die Träger in Berlin von Interesse sein kann – als Austausch, als Diskussionsgegenstand, als Vergleichsobjekt. Wir möchten Ihnen daher vorschlagen, sich mit uns über ein mögliches Treffen zwischen italienischen und deutschen Vertreterinnen und Vertretern von Initiativen zu unterhalten, um so einen Austausch über die entsprechenden Probleme, Methodologien und Best Practices.
Wir wünschen Ihnen in jedem Fall gute und erfolgreiche Arbeit bei dieser uns alle betreffenden Problematik.
Mit freundlichen Grüßen,
Sandro Mattioli
Vorsitzender mafianeindanke