Aufsehenerregende Antimafia-Kampagne in Mailand

Mil

Seit einigen Tagen hängen in den Straßen Mailands 80 große Plakatwände. Auf je 6×3 Metern sind die Namen der zehn wichtigsten Mafiabosse von Cosa Nostra und `Ndrangheta genannt, die alle im Raum Mailand leben.

Die Kampagne ist Werk des Journalisten und Massenmedienforschers Klaus Davi und entstand in Zusammenarbeit mit der Omnicom Media Group Mailand. Die Plakate zeigen die Spitze des Mailänder Doms, an Stelle der Madonnina krönt sie eine Pistole und eine Blume. Der Text: „Die `Ndrangheta ruft – Mailand antwortet: Hier die Namen der 10 größten Mafiabosse, die in unserer Stadt leben, die mit ihnen Geschäfte macht.“ Es folgen die Namen der Bosse und ganz unten der Titel einer Serie von Reportagen über die `Ndrangheta von Davi: „Gli intoccabili“ – Die Unberührbaren. Dies ist laut Homepage „die erste Docureality über die organisierte Kriminalität“, die auch den unglaublichen Einsatz von Justiz und Polizei würdigen soll. Dieses Format ist seit Mai 2016 wöchentlich auf LaC Canale 19 oder auf Youtube anzusehen.

Flankiert wird die Plakat-Kampagne von Video-Reportagen über die Bosse; die erste Folge für die Lombardei ist dem `Nrangheta-Boss Giuseppe Calabrò, „das Phantom“ aus San Luca gewidmet. Ilda Boccassini, bekannte Mailänder Antimafia-Staatsanwältin,  hat 2016 die Ermittlungen gegen ihn aufgenommen. Er soll Besitzer der Apotheke „Caiazzo“ im Zentrum sein, die er mit den aus Drogen- und Waffenhandel gewaschenen Geldern seines Onkels erworben habe. (Übrigens: der Kaufpreis, 220 000 Euro, wurde bar überreicht). Die Mailänder Staatsanwaltschaft bemerkt schon seit langem, dass Söhne und Töchter von bekannten Mafiabossen samt und sonders Pharmazie studieren und dass in zahlreichen Mailänder Apotheken Mitarbeiter aus Kalabrien die Kunden bedienen. Interessant erscheint diese Tatsache, weil die Staatsanwaltschaften im Süden schon seit vielen Jahren die Unterwanderung des Gesundheitssektors durch die Mafien untersuchen. Auch die Nationale Antimafiakommission konzentriert sich seit längerem auf Ärzte, Krankenhäuser, Privatkliniken, Apotheken und das Gesundheitssystem insgesamt.

Aber weshalb sind Apotheken für die Mafien interessant? „Apotheke bedeutet Geld, Arbeitsplätze und Ansehen in der Gesellschaft“ erläutert der Mailänder Staatsanwalt Paolo Storari. Von Apotheken aus gelange man aber auch leicht in andere, für die Mafia interessante Bereiche, z.B. in die öffentliche Verwaltung, wie die Festnahme des Direktors der ASL von Pavia (lokales Gesundheitszentrum und Notfallambulanz des italienischen Staates) im letzten Jahr belegt. Der `Ndranghetaboss Francesco Pelle konnte sich anschließend mit falschen Papieren in der Klinik „Maugeri“ von Pavia operieren lassen. Dies zeigt, dass die bestehenden Abhängigkeiten von entscheidendem Interesse vor allem für untergetauchte Bosse sein können. Und über die persönlichen Beziehungen der Pharmazeuten und Mediziner lasse sich der Einfluss der Mafia in den Universitätsbereich ausdehnen, vor allem aber öffne sich der Weg in die Politik. Außerdem hätten die Mafien das Gesundheitswesen als Sektor entdeckt, der sich wunderbar für Geldwäsche eigne.

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