Warum eine Autobombe in Berlin die Politik wachrütteln sollte

Am Morgen explodiert mitten im Berufsverkehr in Berlin ein Auto – wegen einer Bombe. Getötet wird ein 43 Jahre alter Mann, der für die Polizei kein Unbekannter war. Der Mann war in der Vergangenheit bereits wegen Falschgeld und Drogenhandel aufgefallen, seit 2008 verzeichnete die Polizei jedoch keine Delikte mehr.

Dieses Attentat zeigt, wie mächtig die kriminellen Organisationen in Berlin sind, und wie gefährlich sie auch für unbescholtene Bürger sind. Und es zeigt, wie dramatisch die Präsenzen von Gruppen der Organisierten Kriminalität von der Politik auf Bundes- wie auf Landesebene unterschätzt werden. Wir wissen auch, dass – wenn es sich um Streitigkeiten zwischen Kriminellen handelt, wenn das Opfer bereits straffällig geworden war – die Gefahr für die Allgemeinheit oft unterschätzt wird.

Man mag sich gar nicht vorstellen, was geschehen wäre, wenn zufällig ein Schulbus neben dem explodierenden Auto gestanden wäre. Oder eine Kindergruppe über die Straße gegangen wäre. Die Autobombe, die den Passat zerriss, war so mächtig, dass sie den Wagen so in die Luft schleuderte, dass er sich überschlug. Es ist ein großes Glück, dass außer dem Fahrer niemand sonst zu Schaden kam.

Aus Italien wissen wir, dass Morde, die auf solche Art und Weise verübt werden, immer auch dazu dienen, eine symbolische Botschaft zu übermitteln: die Macht der Täter zu zeigen und andere  einzuschüchtern.

Die Reaktion der Behörden, nicht nur der Ermittlungsbehörden, sondern sämtlicher Behörden, die die Sicherheit der Bürger garantieren, muss daher nicht nur darauf abzielen, diesen Kriminalfall zu lösen, die Täter und Verantwortlichen zu ermitteln. Es muss vor allem auch darum gehen, solche Fälle künftig zu verhindern. Die Eskalation der Gewalt zwischen Clans muss bekämpft werden, und sofern deutsches Recht und Gesetz dafür nicht ausreicht, müssen Verbesserungen eingeführt werden. In Italien werden straffällig gewordene Kinder aus Mafiafamilien genommen, zu ihrem eigenen Schutz. Warum nicht ein vergleichbares Pilotprojekt in Berlin starten? Werden in Italien Gelder ungewisser Herkunft investiert, müssen die Investoren die Herkunft der Gelder offenbaren. In Deutschland gibt es keine vergleichbare Regelung. Warum nicht?

Wir als zivilgesellschaftliche Organisation stehen der Tatenlosigkeit der Politik machtlos gegenüber. Unsere Appelle, den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität endlich effizient aufzugreifen, verhallen ungehört.

Es ist an der Zeit, Organisierte Kriminalität als ein strukturelles Problem zu begreifen und sich nicht auf einzelne Delikte zu konzentrieren. Denn nur wenn man Drogenhandel, Geldwäsche, Schutzgelderpressung, Bedrohung und viele andere Delikte in Bezug auf das Netzwerk betrachtet, das dahinter steht, wird man der Spezifik gerecht. Doch für Strukturermittlungen fehlt in den Polizeien oft das Geld und die nötigen Kräfte. Hier ist der Gesetzgeber gefragt, eine erfolgreiche Kriminalitätsbekämpfung zu gewährleisten.

Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Gruppierungen der Organisierten Kriminalität häufen Vermögen an. Dieses Vermögen muss radikal beschlagnahmt und eingezogen werden. Verbrechen dürfen sich nicht lohnen. De facto aber wird in Deutschland nur ein verschwindend geringer Teil krimineller Profite eingezogen. Italien könnte hier als wichtiges Vorbild dienen: Jahr für Jahr werden viele hundert Millionen Euro Geld- und Sachwerte eingezogen – im Übrigen bedeutet dies auch, dass sich eine effektive Kriminalitätsbekämpfung lohnt. Ein Teil dieser beschlagnahmten Werte wird Kooperativen zur Verfügung gestellt, die dort ein legales Wirtschaftsmodell schaffen.

In Deutschland dagegen ist es kaum möglich, die Herkunft von Kapital aus dem Ausland zu überprüfen, erst recht nicht, wenn Finanzmarktinstrumente zwischengeschaltet worden sind wie etwa geschlossene Fonds. Und der Staat profitiert sogar von der Geldwäsche, etwa über die Glücksspielsteuer, die Casinobetreiber gerne bezahlen, wenn sie dabei nur schmutziges Geld mit Scheinspielen in sauberes Geld verwandeln können.